Die „Windelfrage“ in Kitas – wir forschten nach
In der Maiausgabe der lausebande berichteten wir bei „Luxusartikel Kind Teil 7“ darüber, dass in Cottbuser Kitas die Versorgung mit Frühstück, Vesper und Windeln sichergestellt sein muss, da diese laut dem Kitagesetz mit den Elternbeiträgen abgegolten sind. Uns erreichte ein Leserbrief einer Cottbuser Mutter, die wissen wollte, wie weit der Versorgungsauftrag von Kindertagesstätten tatsächlich reicht. Konkret war die Mutter verwundert, dass sie in ihrer Kita die Windeln für ihr Kind selbst mitbringen muss. Sie fragte, ob die Versorgung mit Windeln und anderen Versorgungsgütern tatsächlich gesetzlich geregelt ist und wie Versorgungsgüter rechtlich definiert sind. Wir gingen der „Windelfrage“ auf den Grund.
Windeln, Sonnencreme & Co. – was müssen Eltern beisteuern?
Laut dem Kitagesetz §17 Absatz 1 beziehen sich die Elternbeiträge auf alle mit der Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung des Kindes verbundenen Leistungen. Zu diesem Versorgungsauftrag gehört auch die Sorge um das leibliche Wohl des Kindes. Doch wo dieser Auftrag anfängt und wo er aufhört, lässt sich nur schwer abgrenzen. Zählt auch dazu, dass Wechselwindeln für die Krippenkinder zur Verfügung stehen müssen? Muss der Kindergarten Sonnencreme bereithalten, wenn es im Sommer nach draußen in den Garten geht? Oder endet der Versorgungsauftrag schon bei Taschentüchern oder Toilettenpapier?
Das Brandenburger Landesministerium für Bildung, Jugend und Soziales (MBJS) hat auf die Windelfrage im Frühjahr dieses Jahres bereits eine Stellungnahme abgegeben. Laut Herrn Reinhard Wilms, Justiziar vom MBJS, sind die Träger von Kindertagesstätten verpflichtet, den gesamten Bedarf der Kinder während der Betreuungszeit abzudecken. Dies ergibt sich aus dem Versorgungsauftrag der Kitas. Wenn die Umstände dies erfordern, zählen dazu auch Windeln und Sonnenschutzcreme.
Wird also während der Betreuungszeit des Kindes in der Kita ein Windelwechsel nötig, so gehört nach Auffassung des MBJS auch diese Leistung einschließlich des dazu erforderlichen Materials zum Versorgungsauftrag der Kindertagesstätte. Die Kosten hierfür soll der Einrichtungsträger – genauso wie für Frühstück und Vesper – auf die Elternbeiträge umlegen. Die selbe Auffassung wie das Brandenburger MBJS vertritt auch Bundeselternsprecher Daniel Fischbach. Laut dem MBJS müsse dabei allerdings nicht berücksichtigt werden, welche Kinder noch Windeln benötigen und welche nicht, genauso wie nicht berücksichtigt werden würde, welche Kinder Frühstück oder Vesper noch selbst mitbringen, obwohl die Kita das anbietet.
Gleichzeitig weist das MBJS darauf hin, dass es sich bei dieser Auffassung lediglich um eine Empfehlung und nicht um eine verbindliche Interpretation des Kita-Gesetzes handele. Die Landesregierung habe nicht die Aufgabe, solche Einzelfälle rechtsverbindlich auszulegen und wäre dazu auch nicht berechtigt. Außerdem schließe das Kita-Gesetz nicht aus, dass im Gespräch zwischen Kita und Eltern andere Lösungen gefunden werden. Laut Regina Thinius, Fachdienstleiterin vom Jugendamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark, müsse in letzter Instanz ein Gericht entscheiden, ob die Auffassung vom MBJS richtig ist.
Windelchaos in Potsdam-Mittelmark
Im Brandenburger Landkreis Potsdam-Mittelmark sind seit Anfang des Jahres einige Kitaträger für die Versorgung der Kinder mit Windeln verantwortlich. Das brachte ein regelrechtes Windelchaos mit sich. Die Träger der Kitas standen vor vielen Fragen: Wie viele Windeln werden pro Tag benötigt? Welches Kind benötigt welche Größe? Und ist die günstigste Windel auch die beste? Ähnlich verhält sich das bei Sonnencreme: Welcher Lichtschutzfaktor soll bevorzugt werden? Was ist mit veganer Sonnencreme – und wie verhält es sich mit Allergien oder Unverträglichkeiten? Das Problem wird schnell deutlich: Es ist wohl kaum möglich, alle Vorlieben und Bedürfnisse der Eltern und Kinder abzudecken, ohne dass der Kindergarten zu einem Versandhaus samt Lager wird. Das sehen auch andere Landkreise so. Carsten Saß, Beigeordneter und Dezernent für Soziales, Jugend, Gesundheit und Kultur im Landkreis Dahme-Spreewald sagt dazu: „Ich denke, solche Entscheidungen zur Körperpflege betreffen den höchstpersönlichen Bereich des Eltern-Kind-Verhältnisses, in das sich der Staat nicht einzumischen hat“. Dementsprechend gäbe in diesem Landkreis keine an die Kitaträger gerichtete, verpflichtende Regelung, Verbrauchsmaterialien wie Windeln oder Sonnencreme vorzuhalten, wie auch Dr. Benjamin Buchholz vom Jugendamt Dahme-Spreewald bestätigt. Ein Kompromiss könnte die Bereitstellung einer Sorte Windeln oder Sonnencreme sein, die über die Elternbeiträge abgerechnet werden würde – dies entspräche laut Bundeselternsprecher Daniel Fischbach auch jenem grundlegenden Versorgungsauftrag, der im Kitagesetz geregelt ist.
Ob nun tatsächlich eine flächendeckende Versorgung der Kinder mit Windeln eingeführt werden soll, liegt anscheinend in den Händen der Eltern. Zunächst stellt sich die Frage, was ihnen lieber wäre: die Versorgung mit einer Sorte Windeln in der Krippe oder das selbständige, individuelle Einkaufen, bei dem Wünsche, Allergien usw. besser berücksichtigt werden können. Die Beschaffung der Windeln durch den Träger käme wohl vor allem Geringverdienern zu Gute, die den Mindestbeitrag der Kitagebührentabelle bezahlen. Inwiefern es für Besserverdiener eine Ersparnis gäbe, ist unklar. Unsere Botschaft für Eltern: Nehmen Sie den im Kitagesetz verankerten Kindertagesstätten-Ausschuss wahr und tragen Sie Ihr Anliegen vor! Dieser sichert zwei Mitgliedern der Elternvertretung über einen Ausschuss mit jeweils zwei Vertretern der Erzieher*innen und des Kitaträgers ein Mitspracherecht zu wichtigen Entscheidungen innerhalb der Kita zu.
Darüber hinaus gibt es laut Bundeselternsprecher Daniel Fischbach zwei Möglichkeiten, um die flächendeckende Versorgung der Kindergartenkinder mit Windeln zu bewirken. Zum einen könnten Eltern das Jugendamt oder die Kommunalaufsicht darauf hinweisen, wenn die Versorgung in ihrer Kita fehlt. Noch erfolgversprechender sei es, einen Fachanwalt zu Rate zu ziehen und die Rückerstattung der zu viel gezahlten Kosten für Windeln während der Betreuungszeit einzuklagen. Empfehlenswert seien in diesem Fall die Brandt Rechtsanwälte aus Prenzlau, die bereits hunderte Eltern in Brandenburg in Kitafragen vertreten. Sie sind unter der Telefonnummer 03984 831973 erreichbar. Wichtig wäre im Falle einer Klage, dass Eltern die Kassenzettel der gekauften Windeln sammeln und aufheben, um im Falle des Erfolgs die zu viel bezahlten Kosten auch nachweisen zu können.
Autor: Jonas Köhler