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Beitragsgerechtigkeit für Brandenburger Eltern?
Im Sommer 2016 berichteten wir in der Reihe „Luxusartikel Kind“ erstmals über die zum 1. August 2016 eingeführte Kita-Gebührenerhöhung der Stadt Cottbus. Sie brachte für Eltern teils immense Mehrkosten von mehreren Hundert bis hin zu einigen Tausend Euro mit sich. Vor allem Besserverdiener waren betroffen, was auch damit zusammenhing, dass die Höchstbeiträge auf eine Obergrenze von 102.000 Euro angehoben wurden. Felix Sicker, Familienvater und Mitglied des Cottbuser Elternbeirats, reichte daraufhin Klage ein. Die Erhöhung der Elternbeiträge war aus seiner Sicht nicht rechtens. Er bekam im Frühjahr dieses Jahres vom Amtsgericht Cottbus recht. Der Grund: Bei der Berechnung der Gebühren wurde ein Personalkostenzuschuss in Höhe von rund 40 % zugrunde gelegt, obwohl dieser bei über 80 % liegt. Den Differenzbetrag haben Eltern zu viel gezahlt.
Das Land Brandenburg reagierte auf das Urteil aus Cottbus und anderen Brandenburger Kommunen und präzisierte das KitaGesetz. In Paragraph 17 ist nun geregelt, dass die Personalzuschüsse des Landes nicht auf die Elternbeiträge umgelegt werden dürfen. Zudem darf der höchste Elternbeitrag die anteilig auf einen Betreuungsplatz anfallenden Betriebskosten nicht übersteigen. Aus diesem Grund seien die aktuellen Höchstbeiträge laut Sozialamtsleiter der Stadt Cottbus André Schneider nicht mehr möglich. Zum 1. August 2019 soll die Kita-Gebührensatzung entsprechend angepasst werden. Vor allem die besserverdienenden Eltern, die in vergangenen gut zwei Jahren unverhältnismäßig hoch zur Kasse gebeten wurden, werden von dieser Klarstellung im KitaGesetz profitieren. Sie zahlen ab dem nächsten Kitajahr teils deutlich geringere Beiträge. Der neue Höchstbeitrag wird bei ca. 75.000 Euro statt zuvor 102.000 Euro liegen. Schätzungen der Stadt zufolge werden die Elternbeiträge um ein bis zwei Million Euro pro Jahr sinken.
Hohe Rückerstattungen werden diskutiert
Die Cottbuser SPD-Fraktion wollte zugunsten der Eltern noch einen Schritt weiter gehen. Im Oktober brachte sie einen Vorschlag in die Stadtverordnetenversammlung ein, nicht nur die Gebührensatzung anzupassen, sondern zu viel gezahlte Elternbeiträge auch rückwirkend zu erstatten. Normalerweise würden nur die Eltern Geld zurückbekommen, die wie Felix Sicker rechtzeitig geklagt haben – der Großteil ginge leer aus.
Die Sozialdezernentin der Stadt Cottbus, Maren Dieckmann, äußerte zunächst Bedenken gegenüber diesem Vorschlag, weil das Urteil aufgrund einer Berufung noch nicht rechtskräftig ist. Außerdem wäre eine Rückerstattung mit einem riesigen Aufwand für die Verwaltung im Kita-Bereich verbunden. Die SPD-Fraktion in Cottbus um Lena Kostrewa erinnerte wiederum an die Erstattung der Altanschlussbeträge bei Grundstückseigentümern. In diesem Fall wurden unabhängig von einem Widerspruch oder einer Klage gegen die Beitragsbescheide sämtliche Beiträge zurückgezahlt. Aus Felix Sickers Sicht stellt sich zudem die Frage, ob die Cottbuser Verwaltung es sich leisten könne, dass Bürger bestraft werden und leer ausgehen sollen, wenn sie in den vergangenen Jahren der Verwaltung in Sachen Kitagebühren geglaubt haben. Seiner Einschätzung nach wären der langfristige Schaden und der Vertrauensverlust in Politik und Verwaltung immens.
Bei der Stadtverordnetenversammlung am 24.10. wurde der Antrag zunächst auf die kommende Versammlung Ende November verschoben. Die Entscheidung über Rückzahlungen wurde damit um einen Monat vertagt. Laut Lena Kostrewa wolle man sich die Zeit zur Beratung nehmen, um dann einen mehrheitsfähigen Beschluss vorlegen zu können.
Jetzt Petition unterschreiben!
Damit ist die Zeit für Cottbuser Eltern gekommen, Druck zu machen! Der Elternbeirat Cottbus hat dafür die Petition „Beitragsgerechtigkeit für Cottbuser Eltern“ ins Leben gerufen. Sie fordert zum einen die Rückzahlung der zu viel gezahlten Elternbeiträge seit dem 1. August 2016 und zum anderen die Änderung der Cottbuser Kitagebührensatzung schon ab dem 1. Januar 2019. 2.000 Stimmen werden benötigt. Familien finden sie unter den untenstehenden Links. Um zum Erfolg der Petition beizutragen, können Eltern die Petition auch über soziale Netzwerke und Mundpropaganda verbreiten. Jede Stimme zählt! Für weitere Infos und Fragen steht der Elternbeirat Cottbus unter der Email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zur Verfügung.
www.tiny.cc/petition-cottbus-2018
Cottbus ist nicht der einzige Fall
Die Präzisierung des KitaGesetzes hat auch in anderen Kommunen in Brandenburg zu einer Rückzahlung von Elternbeiträgen geführt. In Potsdam einigten sich Verwaltung, Träger und Elternvertreter auf Rückzahlungen in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro. In Teltow zahlt der kommunale Eigenbetrieb „Menschenskinder“ ebenfalls zu viel entrichtete Beiträge zurück. Wenn Eltern überprüfen wollen, ob die Kitagebührensatzung ihrer eigenen Kita vollständig rechtens ist, können sie sich an ihren örtlichen Elternbeirat wenden. Sollte es keinen geben, ist der Kreiselternbeirat der Ansprechpartner. Gemeinsam können sie eine Platzkosteneinsicht beim Träger beantragen. Besteht die Vermutung, dass die Personalzuschüsse des Landes teilweise auf die Elternbeiträge umgelegt werden – oder dass der höchste Elternbeitrag die anteilig auf einen Betreuungsplatz anfallenden Betriebskosten übersteigt? Dann sollte ein Überprüfungsantrag an den Träger und parallel an die Kommune gestellt werden. Laut Bundeselternsprecher Danilo Fischbach ist juristischer Beistand in solchen Angelegenheiten ratsam. Darüber hinaus könne auch der Kreis- oder Landeselternbeirat weiterhelfen.
www.landesrat-der-eltern-brandenburg.de
Autor: Jonas Köhler