Deutschlands Aufholenttäuschung

Datum: Montag, 07. März 2022 14:18


Die Halbjahreszeugnisse bargen für so manche Schülerinnen und Schüler böse Überraschungen.

… und Brandenburgs Position dabei.

In der vergangenen Ausgabe der lausebande kritisierten wir das Aufholprogramm des Landes Brandenburg scharf. Es blamierte sich mit Realitätsferne, Angebotsmangel und Ignoranz gegenüber dem Personalmangel in Nachhilfeinstituten. Einen Monat später deutet sich hier zwar eine leichte Verbesserung an – dennoch macht eine neue Elternbefragung deutlich, dass das Programm nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
Zunächst einmal zum Positiven. Schulen stießen Mitte Januar noch auf einen äußerst geringen Pool an möglichen Nachholangeboten. Diese Situation hat sich seitdem gebessert: Die Zahl der fachlichen Angebote konnte sich in der Südbrandenburger lausebande-Region steigern, soziale Angebote gibt es sogar mehr als doppelt so viele.

Das war es allerdings auch schon mit den erfreulichen Entwicklungen. Die erhöhte Anzahl wirkt nach wie vor zu gering, um dem Nachhilfebedarf Lausitzer Schulkinder nachkommen zu können – schließlich sind hier flächendeckend Tausende Kinder aller Schulen betroffen.

„Aufholprogramm? Kennen wir nicht“

Dabei scheint es sich um ein deutschlandweites Phänomen zu handeln, wie eine repräsentative forsa-Umfrage im Januar 2022 herausfand. 74 Prozent der Eltern halten demnach die Maßnahmen für unzureichend, 73 Prozent kennen nicht einmal irgendwelche lokalen Aufholangebote. Lediglich 5 Prozent der Eltern gaben an, dass ihr Kind ein solches Angebot nutzt.

Demgegenüber steht die Angabe der Eltern, dass rund jedes zweite Kind coronabedingte Lernlücken zu beklagen hat – rund jedes vierte sogar große bis sehr große. Es ist offensichtlich, dass das Nachhilfeangebot einfach nicht ausreicht. Weiterhin erfahren also nur jene Schülerinnen und Schüler eine Förderung, deren Schule es personalmäßig schafft, die Teilnahme an den Aufholangeboten wahrzunehmen. Den eigentlich nötigen Einzelunterricht zum Schließen von Wissenslücken dürfte es ebenso nach wie vor nur für diejenigen geben, die sich klassische Angebote in Nachhilfeinstituten leisten können.

Aufholenttäuschung war abzusehen

Das Aufholprogramm des Bundes wurde 2021 von der ehemaligen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek auf den Weg gebracht und mit den Ländern abgestimmt. Zu dieser Zeit war Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK). Die in der KMK eingesetzte „Ständige wissenschaftliche Kommission“ – ein Expertengremium aus 16 Mitgliedern – beurteilte das Programm am 11. Juni 2021 in einer Stellungnahme. Die Bildungsexperten stellten fest, dass die eingesetzten Mittel nicht ausreichen können, um die Folgen der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen zu kompensieren. Weiterhin befürchtete das Gremium, dass nicht alle Betroffenen mit dem Maßnahmenpaket erreicht werden.

Zwei Wochen später zeigte sich KMK-Präsidentin Britta Ernst trotzdem zufrieden, wie aus einer Pressemitteilung der KMK hervorgeht: „Durch gezielte Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler beziehungsweise in kleinen Lerngruppen und durch außerschulische Angebote soll versäumter Stoff in den Kernfächern nachgearbeitet werden. […] Wir werden Kinder und Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf eng und gezielt begleiten.“ – so hieß es Ende Juni 2021. Die Realität sieht mittlerweile so aus, wie die KMK-eigene Wissenschaftskommission voraussagte: Ein Großteil der Eltern hat noch nichts vom Aufholprogramm gehört, tatsächlich erreicht und gefördert werden nur die allerwenigsten Kinder.