Ein Teil des Cottbuser Elternbeirats vor dem Familienhaus am Puschkinpark – mittig links: Vorstandsmitglied Ralf Schneider.
Welche Vorteile würde die Gratis-Kita für alle neben den geringeren Ausgaben für Eltern mit sich bringen – und was müsste dabei beachtet werden? Wir erhielten eine umfangreiche Einschätzung von Ralf Schneider vom Elternbeirat Cottbus, die verdeutlicht, dass neben der Beitragsfreiheit auch die Qualität, der Platzausbau und die Kitarechtsreform ins Auge gefasst werden müssen.
Wie stehen Sie zu der Forderung des LKEB, mit Mitteln aus dem Brandenburger Entlastungspaket die komplette Beitragsfreiheit für sämtliche Eltern mit Kindern in Kitas umzusetzen?
Grundsätzlich begrüßen und unterstützen wir die Forderung des LKEB nach einer Beitragsfreiheit für alle. Jedoch bringt Beitragsfreiheit allein noch kein Mehr an Qualität und auch nicht mehr Personal in die Einrichtungen. Deswegen gibt es im Elternbeirat Cottbus differenzierte Meinungen zum richtigen Zeitpunkt für die Beitragsfreiheit für alle. Gleichwohl darf man anmerken, dass die Investitionen der Landesregierung die Qualität in einem ausgewogenen Maße mitberücksichtigt. In dieser Hinsicht wäre unser Wunsch, dass auf ein Mehr an Beitragsfreiheit auch ein Mehr an Qualität und Personal folgt. Der Fachkräftemangel könnte hier jedoch zum limitierenden Faktor werden.
Welche Vorteile würden Sie in einer Beitragsfreiheit für alle sehen?
Als Vorteile, welche über die Entlastung der Familien hinausgehen, sehen wir unter anderem, dass Eltern, welche den Eindruck haben, dass ihre Kitagebühren falsch berechnet wurden, nicht länger gegen ihre Träger vor Gericht ziehen müssen. Das belastet das Verhältnis zwischen Eltern und den Menschen, welche sich aufopferungsvoll den Großteil des Tages um unsere Kinder kümmern, ungemein. Darüber hinaus sehen wir Entlastungen bei Ämtern, Behörden und Gerichten, welche regelmäßig die Kitagebühren berechnen und überprüfen müssen. Da geht zu viel Zeit und auch Geld für den Verwaltungsaufwand verloren – Geld, welches besser in mehr Personal in den Einrichtungen und in mehr Qualität investiert werden sollte.
Ein weiterer Vorteil wäre, dass die Beitragsungerechtigkeit für Eltern im Land Brandenburg damit auf einen Schlag aufhören und sich somit auch die Chancengleichheit auf frühkindliche Bildung für alle Kinder verbessern würde. Wenn das Land für alle Kinder mit derselben Pauschale die Einrichtungsträger ausgleicht, spielen Gehälter keine Rolle mehr im Wartelistengerangel der Kitas.
Ärgerlich ist für uns Eltern auch, dass die Idee des Landes, dass wir Familien mehr Geld zur Verfügung haben sollen, so schnell nicht umsetzbar war – da Kommunen und freie Träger umständlich jeden einzelnen Betreuungsvertrag anfassen und prüfen mussten. Viel einfacher und deutlich transparenter sowie minimal teurer würde elterliche Entlastung auch mit der Beitragsfreiheit funktionieren.
Was müsste aus Ihrer Sicht bei der Umsetzung einer vollständigen Beitragsfreiheit beachtet werden?
Zu beachten ist bei der Umsetzung, dass man nicht nur Geld in die Hand nehmen darf, um die Eltern zu entlasten – es muss auch gleichzeitig sichergestellt werden, dass nicht weniger Geld in das System Kita investiert wird, sondern mehr. Beitragsfreiheit ohne mehr Personal, Einrichtungen und Qualität bringt für Kinder und Eltern und damit dem gesamten System nichts. Es bedarf also unbedingt der Investition in das Gesamtsystem Kita.
Darüber hinaus bedarf es eines regelmäßigen, möglichst einheitlichen Qualitätschecks, damit überprüfbar ist, dass die Beitragsfreiheit nicht auf Kosten der Qualität geht. Ja, das kostet Geld, viel Geld, aber es ist gut angelegtes Geld – denn eines darf man nicht vergessen: Die Kinder von heute sind die Steuerzahler von morgen. Gut ausgebildete junge Menschen liegen dem Staat nicht auf der Tasche, sie sind ein Zugewinn, sie sorgen für Wohlstand für alle.
Mit welchen Themen befasst sich Ihr Elternbeirat darüber hinaus?
Weiterhin beschäftigen wir uns zurzeit mit der noch immer auf Eis gelegten Kitarechtsreform. Die Aussicht auf die Umsetzung einzelner Forderungen wird nicht dafür sorgen, dass wir die längst überfällige Reform des veralteten Brandenburger Kitarechts aus den Augen verlieren. Die Brandenburger Koalition sollte endlich ihren eigenen Koalitionsvertrag lesen, zu den darin festgelegten Vorhaben stehen und diese auch umgehend umsetzen. Ausreden gibt es immer viele, aber die Dinge müssen auch irgendwann einmal angepackt werden, also jetzt! Gemeinsam mit den Trägern entwickeln wir Ideen, wie wir unseren Forderungen Nachdruck verleihen können.
Des Weiteren beschäftigen wir uns mit den weiter steigenden Preisen für das Mittagessen unserer Kinder. Das darf so nicht weiter gehen! Es muss sichergestellt werden, dass jedem Kind in allen Einrichtungen – inklusive der Schulen – mindestens ein gesundes und bezahlbares Mittagessen angeboten werden kann. Auch hier muss das Land Geld in die Hand nehmen und die Preise mindestens deckeln, wenn nicht sogar die Kosten komplett übernehmen. Die undurchsichtige Formulierung im KitaG der „durchschnittlich ersparten Eigenaufwendung“ ist nicht hilfreich. Hier muss das Land nachsteuern und einheitliche Kriterien schaffen.
Davon abgesehen begrüßen wir, dass das Land zugesagt hat, das Förderprogramm der Sprachkitas mit Landesmitteln fortzuführen. Wir werden den Umsetzungsprozess aufmerksam, gern auch hilfreich, verfolgen. Wir hoffen, dass es das Land ernst meint und nicht der Rotstift das Mittel zum Handeln sein wird. Wir unterstützen und fordern eine Ausweitung des Förderprogramms auf alle Einrichtungen, da wir insgesamt einen hohen Förderbedarf sehen.
Wir danken für das Interview.