Ohne Kitas wird's grau!

Datum: Donnerstag, 28. März 2024 14:42


Blick auf eine der zahlreichen Aktionen vom KiTAKOLLAPS-Aktionstag 2023. Am 15. Mai 2024 steht der nächste an, wir interviewten dazu die Sprecherin des Cottbuser Elternbeirates Sarah Ostrowski.

Mitmachen beim KiTAKOLLAPS-Aktionstag am 15. Mai 2024!

Am 15. Mai 2024 ruft das Aktionsbündnis von Elternvertretern und freien Wohlfahrtsverbänden zur Verhinderung des KiTAKOLLAPS in Brandenburg Beschäftigte und Eltern aus Krippe, Kindergarten, Hort und Tagespflege zum zweiten landesweiten Aktionstag auf. Die lausebande-Redaktion sprach dazu mit Sarah Ostrowski, Sprecherin des Cottbuser KitaElternbeirats und Gründungsmitglied von KiTAKOLLAPS.

Sarah, warum gibt es den KiTAKOLLAPS Aktionstag?

Kinder können nicht überall gleich gut, verbindlich und mit hoher Qualität betreut und angemessen gefördert werden, was Bildungschancen von Anfang an ungleich verteilt oder Ungleichheiten verstärkt. Es fehlen Kitaplätze, es fehlen Fachkräfte und das Brandenburger Kitagesetz ist ganze 32 Jahre alt, die dringend notwendige Reform liegt seit März 2022 auf Eis, weil man sich über die Finanzierung streitet.
Im November 2022 haben sich führende Wissenschaftler an die Presse gewendet und vor dem bundesweiten Kitakollaps gewarnt. Der große Aufschrei blieb aber aus. Das hat einige Brandenburger Elternvertreter und freie Wohlfahrtsverbände zu der Erkenntnis gebracht, dass wir noch viel mehr und viel lauter über die Probleme in unseren Kitas sprechen müssen, um mehr Lobbyarbeit für die Kleinsten zu leisten, damit sich endlich etwas bewegt. So wurde die Idee des Aktionstags geboren.

Welche Ziele verfolgt ihr mit dem Aktionstag?

Es geht darum, dass wir überhaupt einmal die Möglichkeit schaffen, mit Familien, Arbeitgebern, Politikern und interessierten Bürgern über die anhaltenden Probleme in Kitas zu sprechen. Gerade auch in den Debatten um PISA-Studie und Reformforderungen im Bildungssystem gehören Kitas als erste Bildungseinrichtung mitgedacht, mit modernen Rahmenbedingungen, die qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung für alle Kinder überall im Land möglich machen.

An wen richtet sich euer Protest?

In erster Linie natürlich an die Landesregierung, die als Gesetzgeber Einfluss auf die Rahmenbedingungen nehmen kann. Aber wir wollen auch Kommunalpolitiker, Familien und Arbeitgeber als Unterstützer gewinnen.Egal wie alt wir sind, ob wir selbst Eltern oder Angehörige von KiTA-Kindern sind, egal ob wir überhaupt Kinder haben oder haben wollen. Die Lebensjahre, die Kinder in der KiTA verbringen, sind essenziell für die Entwicklung u.a. von Sprache, emotional-sozialen Fähigkeiten und sogar für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung. Da nur auf die Schulzeit zu gucken, ist zu kurz und auch zu spät gedacht. Keine zehn, fünfzehn Jahre später kommen diese Kinder auf den Arbeitsmarkt, beteiligen sich am politischen und gesellschaftlichen Leben, werden unsere Nachbarn, Kollegen oder Pflegekräfte. Wir können es uns schlichtweg nicht leisten wegzusehen.

Arbeitgeber und Kollegen spüren die Auswirkungen der Kitakrise schon heute, wenn Eltern von Kitakindern kurzfristig ausfallen, aus der Elternzeit nicht wie geplant zurückkehren oder ein Jobangebot ausschlagen, weil sie keinen Kitaplatz finden. Fehlende, unzureichende oder unzuverlässige Betreuungsangebote sind einer der Hauptgründe, warum Menschen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Insofern sehen wir eine flächendeckende verlässliche Kitalandschaft als eine wichtige Voraussetzung für Bildungsgerechtigkeit, gesellschaftlichen Wandel und das Gelingen des Strukturwandels.

Ist Fachkräftemangel in Kitas auch bei uns ein Problem?

Wenn wir von Fachkräftemangel in Kitas sprechen, dann sind unbesetzte Stellen nur eine Seite der Medaille – und ein Problem, welches auch nicht jede Kita im gleichen Ausmaß betrifft.

Wir sprechen in jedem Fall davon, dass zu wenig Fachkräfte für zu viele Kinder zuständig sind, was einerseits zu starker Belastung im Arbeitsalltag von Erzieher:innen führt und bei Personalausfällen auch die von Eltern gefürchteten Gruppenschließungen oder verkürzte Öffnungszeiten nach sich zieht. Und das trifft auf alle Einrichtungen zu.

Hier gab es doch bereits Verbesserungen, oder?

Die Landespolitik rühmt sich an dieser Stelle mit einer Personalschlüsselverbesserung: In Krippengruppen mit Kindern unter 3 Jahren ist der ab 2025 bei einer Fachkraft für vier Kinder bei 8 Stunden Betreuungszeit. Das sieht auf den ersten Blick traumhaft aus. Mit der Realität hat diese Zahl dann aber nicht mehr viel zu tun. Der größte Kritikpunkt liegt darin, dass vorhersehbare Abwesenheiten der Fachkräfte durch Urlaub, Krankheit und Weiterbildung, Elterngespräche und die Vor- und Nachbereitung von Angeboten nicht berücksichtigt werden. Im Klartext: Es wird rechnerisch so getan, als wären immer alle da, aber Erzieher:innen stehen 25 bis 33 Prozent der Zeit gar nicht für die Arbeit am Kind zur Verfügung. Zeit, in der die anderen Kollegen also mehr Kinder betreuen müssen – und das ist der Regelfall. Für Kindergartenkinder über drei Jahre liegt diese rechnerische Größe bei 1 zu 10, bei Hortkindern bei 1 zu 15.

Zusätzliches Personal, das hier oder im Notfall ausgleichen könnte, wird vom Land bzw. der Kommune nicht finanziert. Spürbar mehr Personal in die Gruppen bekämen wir nur dann, wenn diese planbaren Abwesenheiten in den Personalschlüssel einfließen würden.

Welche Auswirkungen hat das?

Wir verzeichnen überdurchschnittlich viele Krankentage, Burnout-Fälle und Berufsaussteiger bei den Erzieher:innen. Trotzdem sehen wir von der Politik keine Konzepte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder zum Attraktivieren des Berufsbildes. Der tägliche Stress und die Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen führen auch dazu, dass bei den Auszubildenden jeder Fünfte abbricht, jeder dritte Absolvent will den Beruf nicht länger als fünf Jahre machen. Man bekommt den Eindruck, das Problem wird ausgesessen, bis wir irgendwann durch sinkende Geburtenraten wieder in den grünen Bereich kommen. Dabei wird sich auch darauf verlassen, dass die Erzieher:innen weiter unter diesen Bedingungen durchhalten. Das halte ich für unverantwortlich, den Fachkräften und den Kindern gegenüber.

Welche Veränderungen fordert ihr?

Als Aktionsbündnis KiTAKOLLAPS setzten wir uns ein für höhere Bildungs- und Betreuungsqualität für unsere Kinder, bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Fachkräfte, mehr Kitaplätze, eine bedarfsgerechte Planung und eine bessere Personalausstattung. Eine auskömmliche Finanzierung mit einem neuen, zukunftsorientierten Kitagesetz mit eindeutigen Vorgaben u.a. zu Qualitätsstandards und einer sich am Bedarf der Kinder orientierenden Personalbemessung sind dafür Voraussetzung.

Wie kann man sich am Aktionstag beteiligen?

Im Idealfall werden Kitas und Eltern gemeinsam kreativ. Wie gesagt, das Ziel ist Aufmerksamkeit für die Thematik und die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen und die Gesamtgesellschaft zu bewegen, politischen Druck auszuüben – immerhin stehen Wahlen bevor. Jeder soll da bunt und laut werden, wo er ist – in seinem Ort, seiner Gemeinde, seiner Kita. Einige Kitas werden am Aktionstag geschlossen sein. Wir wünschen uns, dass Eltern gemeinsam mit ihren Kindern am Aktionstag teilnehmen und Politik und auch ihrem Arbeitgeber gegenüber ein klares Zeichen setzen - denn hier steht auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf dem Spiel.

Kitas aus dem ganzen Land können wiederum auf der Webseite www.kitakollaps.de ihre Aktionen melden – ob nun gemeinsame Spaziergänge durch den Ort, Kundgebungen oder Tanzflashmobs. Auf der Homepage gibt es eine interaktive Brandenburgkarte, die sich gerade mit den ersten Rückmeldungen füllt, wo man sich auch Inspiration holen kann. Am Tag selbst freuen wir uns darüber, wenn Teilnehmer Beiträge, Reels und Stories zu ihren Aktionen in den sozialen Medien teilen und @kitakollaps verlinken, damit wir es weiter teilen können.

Wie unterstützt ihr die Kitas bei der Planung?

Die Kitas sind schon super kreativ. Von uns bekommen sie auf der Webseite z.B. Vorlagen für mehrsprachige Elternbriefe, Plakate, Postkarten, Vorlagen für Buttons, Aufkleber, Ausmalbilder und T-Shirts – und auf Anfrage setzen wir auch Ideen einzelner Kitas grafisch um. Unser Maskottchen, der lila „Relefant“ steht uns als Stellvertreter und Sinnbild für die Relevanz der Kinder immer zur Seite.

Außerdem bieten wir regelmäßige Videokonferenzen an, in denen jeder seine Fragen zum Aktionstag stellen kann – inhaltlich und organisatorisch. Wo wir in der Nähe sind, bieten wir uns auch zu persönlichen Gesprächen an, um Fragen rund um die Hintergründe und die Organisation zu klären.

Kannst du uns schon verraten, was in Cottbus geplant ist?

Wir stecken noch mitten in der Planung – aber es soll einen gemeinsamen Spaziergang zu einem zentralen Ort geben, an dem uns Kitas unterstützen, ein buntes und informatives Angebot für alle Teilnehmer auf die Beine zu stellen. Es ist eine Kundgebung geplant, ein bisschen Unterhaltung und hoffentlich viele zukunftsorientierte Gespräche mit Bürgern und Verantwortlichen. Die genauen Informationen dazu teilen wir in den nächsten Wochen über die Kitas, unsere Website und Social Media-Kanäle mit.

Offene Videokonferenzen
Fragerunde für alle, die am Aktionstag laut werden wollen
10.04., 11 Uhr und 22.04., 19 Uhr
Link 

Relefante Tour
Fahrradtour durch Brandenburg zu Kitas,
Horten und Ausbildungseinrichtungen
mit Interviews, 01. bis 15.05.
Link 

KiTAKOLLAPS Aktionstag
15.05.2024, landesweit
Link 

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