Interview mit Sophie Schütt zur Erfahrung mit ihrer ersten Hausgeburt.
Im vergangenen Herbst führten wir mit der Schauspielerin Sophie Schütt ein ausführliches Interview über ihr Engagement gegen Alkohol in der Schwangerschaft. Damals war sie mit ihrem 2. Kind hochschwanger – und erzählte uns auch von der großen Bedeutung einer natürlichen Geburt für Sie. Eine problemlose Mutterschaft vorausgesetzt, wollten wir dieses Thema unbedingt noch einmal aufgreifen. Am 30. November 2014, genau zum 1.Advent, wurde Sie mit einer entspannten Hausgeburt nun zum zweiten Mal Mama – und nahm sich passend zum Titelthema dieser Ausgabe Zeit für ein weiteres Gespräch.
Sie sind im vergangenen Dezember zum zweiten Mal Mutter geworden, wie geht es Ihrem Sohn?
Es geht ihm fantastisch, er wächst und gedeiht und legt ordentlich zu. Leider geht es jetzt mit den Koliken los, aber die haben wohl viele Babies. Ich versuche all die Tricks anzuwenden, um es ihm leichter zu machen. Wichtig ist mir, das ich ihn halte und nicht allein lasse. Hauptsache, nicht die Nerven verlieren ;-) … Musik und Tanzen hilft mir immer und Lonzo hilft es irgendwie auch :-)
Was steckt hinter dem Namen Lonzo Henry, den Sie für Ihren Sohn gewählt haben?
Der ist eigentlich schon entstanden, als wir uns bei unserer Tochter für den Namen Shaza entschieden hatten. Wenn wir mit einem Jungen Nachwuchs bekommen, wollten wir auch einen schönen Namen mit einem z an derselben Stelle. Shaza und Lonzo passt zusammen und wir beide mochten diese Namen sofort. Henry steht für den Opa, der eigentlich Heinrich heißt, sein Leben aber komplett im Ausland verbrachte und auch in der Familie nur noch Henry genannt wird.
Ihre erste Geburt war in der Klinik, diesmal haben Sie sich für eine Hausgeburt entschieden, warum?
Die erste Erfahrung einer Geburt im Krankenhaus war für mich sehr traumatisch. Ich habe mich in dem Umfeld überhaupt nicht wohlgefühlt. Ständig kamen fremde Menschen herein und sagten irgendetwas, das mich verunsicherte. Ich hatte bei Shaza drei Tage lang immer wieder Wehen, weil sie leider in eine ungünstige Lage gedreht war. Wenn ich in der Klinik war, kam alle paar Minuten jemand herein und wollte mir eine Rückenmarkspritze oder Medikamente andrehen, ich bin fast wahnsinnig und unheimlich unsicher geworden. Die Wehen setzten dann immer wieder aus. Jedes Mal, wenn ich nach Hause geschickt wurde, war ich wieder entspannt und prompt kamen die Wehen voll in Gang. Musste ich ins Krankenhaus, war das wieder vorbei. Es lief dort sehr technisch ab und dann wurde auch schnell von einem Kaiserschnitt geredet und wie das zu machen wäre. Ich wusste aber, dass ich die Kleine auch normal zur Welt bringen kann. Die Hebamme, die immer wieder dazu kam, konnte auch nicht viel machen, als der Arzt einen anderen Weg entschieden hatte. Ich habe mich wie ein öffentliches Gut gefühlt. Aufgrund dieser traumatischen Erfahrung habe ich mich schon damals entschlossen, eine nächste Geburt nur noch zu Hause zu machen. Das war die beste Entscheidung meines Lebens.
Warum haben Sie sich für eine Wassergeburt entschieden?
Ich liebe das Wasser. Wenn ich einen schrecklichen Tag habe, hilft mir eine Dusche oder ein Bad. Zudem können Geburten im Wasser sehr beruhigend ablaufen, weil die Wärme des Wassers den Körper entspannt und man leichter seine Körperstellung ändern kann.
War der Unterschied auch für Ihren Sohn spürbar?
Ich habe meinem Sohn angemerkt, wie dieser Weg ins Leben vom ersten Augenblick an seine Wirkung entfaltet. Er hat nicht geschrien, und lag gleich nach der Geburt auf meiner Brust, nachdem er in die Arme seines Papas geboren wurde. Kein Fremder hat ihn angefasst, er hatte gleich die Augen auf und hat gleich getrunken. Es war so entspannt. Das steht im krassen Gegensatz zu den traumatisierenden Erfahrungen bei der Geburt meiner Tochter im Krankenhaus. Damals haben wir beide ewig geweint. Es hat lange gedauert, bis ich mich entspannen konnte. Ich war körperlich fertig. Nach der Hausgeburt hingegen bin ich aufgestanden und fühlte mich super. Das ist ein riesiger Unterschied. Es ist mein Herzenswunsch, dass mehr Frauen diese Erfahrung teilen und kleine Menschen ihren Weg ins Leben so positiv beginnen.
Hatten Sie keine Angst vor Komplikationen, bei denen man in der Klinik doch schneller Hilfe hat?
Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Bei einer gesunden Schwangerschaft gibt es keine Komplikationen – und falls doch, habe ich ein Krankenhaus in der Nähe. Wenn ich im Krankenhaus bin und dort ein Arzt gerufen wird, braucht der dort auch genauso lange wie die Fahrt von der Geburt zu Hause in die Klinik. Außerdem sind Hausgeburten oder natürliche Geburten in einem Geburtshaus sicher. Ganz im Gegenteil schützt die Hausgeburt vor Keimen, mit denen sich Neugeborene gerade in Kliniken infizieren können. Das wird meist gar nicht betrachtet. Es geht meines Erachtens aber vor allem darum, dass man als Frau Vertrauen in den eigenen Körper haben muss. Wir können gebären, seit tausenden von Jahren. Sonst wären wir nicht so viele Menschen auf dieser Welt. Dieses Vertrauen zu finden, war für mich sehr wichtig. Viel zu oft haben Frauen dieses Vertrauen in ihren Körper und die Geburt heute verloren.
Sie gehen sehr offen mit Ihrer Entscheidung zur Hausgeburt um, stehen Freudinnen, Bekannte und andere Mütter dem skeptisch gegenüber?
Manchmal habe ich den Eindruck, die natürliche Geburt ist bei uns aus der Mode gekommen. In Holland entscheiden sich auch heute fast zwei Drittel der Frauen mit gesunder Schwangerschaft für eine Hausgeburt. Bei uns ist die Geburt hingegen ein medizinisches Ereignis geworden. Auch bei mir reagierten Freunde und Bekannte anfangs skeptisch, haben dann aber sehr schnell mitbekommen, wie intensiv ich mich mit dem Thema auseinandersetze, welche Rolle die Hebamme dabei spielt und wie sehr ich auf mein Verhalten in der Schwangerschaft achte. Sie haben alle sehr viel Anteil genommen und diesen Weg schließlich richtig gefunden. Ganz im Gegenteil habe ich sogar Freunde animieren können, auch diesen Weg zu gehen.
Viele werdende Mütter suchen aber die Sicherheit einer Klinik, können Sie dieses Bedürfnis nachvollziehen?
Ja, natürlich kann ich das verstehen. Das hat aber damit zu tun, dass wir einfach zu wenig über dieses Thema wissen. Das Thema Hausgeburt kommt in Deutschland kaum noch vor. Die Gynäkologen haben meist keine Erfahrungen mit Hausgeburten. Sie kennen die werdende Mutter nicht und haben sie auch nie in der Schwangerschaft begleitet. Trotzdem sind sie für werdende Mütter meist bestimmend. Bei uns geht die Frau sofort zum Gynäkologen, wenn sie schwanger ist. Der Gynäkologe nimmt sofort den medizinischen Ansatz an. Wenn ich keine Freunde habe, von denen ich gehört habe, dass eine Hausgeburt eine tolle Sache ist, denke ich darüber gar nicht nach. Deshalb finde ich es so wichtig, auf diese Alternative hinzuweisen.
Also sollte der erste oder zweite Weg gleich zur Hebamme führen?
Ja. Wir brauchen auch per Gesetz zur Geburt nur eine Hebamme und keinen Arzt. Ich habe mich auch für eine Hebamme und eine zusätzliche Geburtshelferin entschieden. Eine Frau braucht jemanden, der sie durch die Schwangerschaft begleitet und durch die Wehen hindurchführt und immer das Gefühl gibt, sicher zu sein. Man kann das mit einem Tier auf der afrikanischen Savanne vergleichen. Wenn das Tier Angst vor Feinden hat, produziert es Adrenalin und das Blut schießt in die Beine, die Geburt wird angehalten und es läuft weg. Wenn es sich sicher und geborgen fühlt, geht das Blut in die Mitte des Körpers und es kann gebären. Das ist bei uns Menschen nicht anders. Wenn wir uns sicher und geborgen fühlen, dann kann der Körper auch gebären. Fühlen wir uns unsicher, wie ich das oft in Krankenhaussituationen erlebt habe, dann bekommen wir das nicht geregelt. Dadurch entstehen Komplikationen – meist also erst bedingt durch diesen Ort. Die Hausgeburt hingegen war rundum die schönste Erfahrung meines Lebens, ohne dass es pathetisch klingen soll. Mein Mann war dabei, wir hatten meine Musik und Kerzen an. Meine Tochter war die ganze Zeit dabei und hat den Kleinen mit begrüßt. Es war ein unglaublich intensives und berauschendes Gefühl. Ich bin glücklich, jetzt über beide Erfahrungen zu verfügen und dadurch auch darüber sprechen zu können. Ich möchte Frauen dabei helfen, positive Erfahrungen mit Ihrer Geburt zu machen. Die meisten Frauen, mit denen ich bislang gesprochen habe, finden die Geburt als Vorgang furchtbar. Immer öfter gibt es dann die Tendenz zum Kaiserschnitt, um sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen.
Können Sie Frauen verstehen, die den Kaiserschnitt als vermeintlich risikoarme und schmerzarme Variante vorziehen?
Nicht nur bei Risikoschwangerschaften enden heute in Krankenhäusern zum Teil mehr als 80% der Geburten im Kaiserschnitt. Bei Hausgeburten hingegen sind es keine 8 %. Da muss man sich doch fragen, was da nicht stimmt. Insofern scheint mir offensichtlich, dass Risiko und Schmerzen auch durch das Umfeld bestimmt werden. Die Geburt eines Kindes sollte für eine Frau das größte und wichtigste Ereignis sein. Aber auch für die emotionale und gesundheitliche Stabilität des Kindes, und zwar für sein ganzes Leben, ist die Geburt wichtig. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass werdende Mütter mehr Chancen haben, sich über die Vorteile einer natürlichen Geburt und einer Hausgeburt zu informieren.
Gerade bei älteren Frauen kann es öfter zu Komplikationen kommen – und deutsche Mütter werden im Durchschnitt immer älter. Sie haben Ihr 2. Kind auch mit 40 bekommen, kann darin auch der Trend zum Kaiserschnitt begründet sein?
Ich glaube, das hat viel mit Ängsten zu tun, die bei Frauen geschürt werden. Es kann natürlich immer etwas schief gehen, aber das ist im Leben in vielen Bereichen so. Natürlich muss man auf eine gesunde Schwangerschaft achten und auf sich und das Kind aufpassen. Ich bin 40 und es gab in dieser Schwangerschaft NIE Komplikationen, und doch wollte eine Ärztin mich ständig erneut auf Risiken hinweisen. Das habe ich abgewürgt und gezielt danach gefragt, ob mein Körper und das Kind gesund sind. Ich habe nur notwendige Arzttermine wahrgenommen. Alles andere war für mich Vertrauen in die Geburt und meinen Körper. Bei meiner Hebamme fühlte ich mich endlich aufgehoben und ermutigt, dass mein Körper gebären und dass ich Vertrauen in mein Baby haben kann, dass es den Weg in die Welt findet. Ich habe mich natürlich auch intensiv darauf vorbereitet und nicht faul auf dem Sofa gelegen und Schokolade in mich hinein gestopft. Eine Geburt ist wie ein Marathon, auf den man sich mit gesunder Ernährung, Bewegung und Atemtraining über einen längeren Zeitraum vorbereiten sollte. Wenn Frauen krank sind, dann kann es natürlich Komplikationen geben. Da ist es wunderbar, dass wir auf Ärzte und das Gesundheitssystem zurückgreifen können. Die Möglichkeit des Kaiserschnitts als Rettung finde ich großartig. Aber wenn er immer mehr zum Regelfall wird, dann stimmt da etwas nicht.
Welche Rolle spielte für Sie die Hebamme bei der Geburt?
Sie führte mich durch die Wehen und gab mir immer wieder das Gefühl der Sicherheit und dass es meinem Baby gut geht. Wenn die Wehen noch so stark sind, aber deine Hebamme noch lächelt und entspannt auf dem Sofa sitzt, weißt du einfach, dass alles ganz normal läuft. Das entspannt und hilft wiederum dem Geburtsvorgang. Wir hatten uns über Monate kennengelernt und ein Vertrauen aufgebaut. Ich konnte in ihrer Nähe entspannen. Leider investieren Frauen meist mehr Zeit und Geld für´s Shopping von Schuhen und Taschen als für die Suche nach der richtigen Hebamme.
Wie stehen Sie zu den Entwicklungen um die Hebammen in Deutschland?
Ich unterstütze den Deutschen Hebammenverband. Ich suche immer wieder den Kontakt und plädiere für die Hebammen, auch mit meinem Appell an die Frauen, auf ihre inneren Instinkte zu hören. Sie brauchen nur Vertrauen und eine Hebamme für eine schöne Geburt. Ohne die Begleitung einer Hebamme ist das nicht denkbar. Es muss mehr Frauen geben, die offen über das intensive, aber wunderschöne Erlebnis einer Hausgeburt und die Bedeutung der Hebamme reden.
Sie haben sich mit der Hausgeburt drei Jahre auseinandergesetzt. Welchen Rat haben Sie für eine werdende Mutter, den richtigen Weg für ihre Geburt zu finden?
Die Entscheidung für diesen Weg hat sicher viel mit dem Umfeld und den Einflüssen von Ärzten, der Familie und von Freunden zu tun. Ich kann jeder Frau nur raten, auf die eigenen Instinkte zu hören und sich alle Optionen anzuschauen. Optionen sollten auch die natürliche Geburt und die Hausgeburt sein. Jede Frau, die nicht krank ist, kann auf natürlichem Weg gebären. Im Körper wächst auch nur heran, was ihn auf natürlichem Weg verlassen kann. Mein Sohn war ganz schön groß und wog vier Kilo, und dennoch war ich entspannt und die Geburt viel leichter als bei meiner Tochter, die kleiner war. Wir Frauen können das von Natur aus, wir brauchen nur die Unterstützung von einem guten Geburtsteam. Auf jeden Fall sollten schwangere Frauen nicht nur den Gynäkologen konsultieren, sondern auch mit einer Hebamme reden. Dann erst sollte eine Entscheidung getroffen werden.