Jeden Tag auf dem Spielplatz

Datum: Freitag, 03. Februar 2012 12:11

„Jeden Tag auf dem Spielplatz“
Interview mit Schauspieler Kai Börner und Tänzerin Weinina Weilijiang vom Staatstheater Cottbus

TheaterDas Staatstheater Cottbus startet am 3. September in eine besondere Spielzeit. Sie steht unter dem Thema „Familie“ – und als ob dies in der vergangenen Saison übereifrig vorbereitet worden wäre, hat sich am Staatstheater eine kleine Theaterfamilie gegründet. Wir sprachen mit den jungen Eltern Kai Börner und Weinina Weilijiang, die vor zehn Monaten um ihren Sohn ?? bereichert wurden, über die bevorstehende Theatersaison, das Elternsein und den neuen Familienalltag:

Hat es für Sie eine besondere Bedeutung, dass ausgerechnet die aktuelle Spielzeit des Staatstheaters unter dem Thema „Familie“ steht?
Kai: Es gibt am Theater immer Themen, die oft aus der Gesellschaft kommen und sich als Faden durch die gesamte Spielzeit ziehen. Dadurch ist es für uns eher normal, damit umzugehen. Wir sind zwar in der glücklichen Situation, gerade eine Familie gegründet zu haben, wegen des Spielzeitthemas aber nicht besonders aus dem Häuschen.
Weinina: ich habe das schon anders empfunden. Ohne Kind wäre das für mich eine normale Spielzeit, aber so ist das für mich schon etwas Besonderes. Wir haben ein Kind und eine Familie – dadurch berührt mich das jetzt mehr und macht es interessanter.

Wie haben Sie eigentlich zueinander gefunden, gibt es eine Hollywood-Story mit Bekanntschaft am „Set“?
Kai: Irgendwie schon. Wir haben uns im Theater kennen gelernt.
Weinina: Es war auf einer Weihnachtsfeier am Theater, als wir das erste Mal ins Gespräch kamen. Da ist Kai mit seiner Band aufgetreten und ich fand ihn sehr interessant. Da war aber noch nicht abzusehen, das mehr daraus wird.
Kai: … und ich war sofort begeistert. Dann sind wir uns öfter begegnet und das habe ich natürlich forciert. Wir hatten dann auch eine Produktion zusammen – und so kam eins zum anderen.


Schauspieler sind ja mit dem Klischee behaftet, eher verschrobene, unordentliche und wenig bodenständige Menschen zu sein. War das bei Ihnen auch so?

Kai: Nein. Nach dem Studium war ich nur kurz in Augsburg tätig und dann hat mich Christoph Schroth im Jahr 2000 hierher geholt. Seitdem bin ich hier und fest Cottbuser.
Weinina: Ich bin nach dem Studium nach Cottbus gekommen. Es war mein erstes Vortanzen und da hat gleich alles geklappt.


Wie hat sich Ihr Leben mit der Geburt des Kleinen geändert?

Kai: Alles hat sich geändert. Der Fokus ist ein vollkommen anderer geworden. Vorher habe ich im wahrsten Sinne des Wortes fürs Theater gelebt. Mit der Familie haben sich die Prioritäten vollkommen verschoben. Es ist toll, dass es das Theater gibt und es ist ein wunderbarer Beruf. Aber es ist nicht alles.


Wie wirkt sich das auf den Theateralltag aus, man hat ja das Bild vom bis in die Nacht arbeitenden Schauspieler, der sich dann Wein, Weib und Gesang und am nächsten Tag einem späten Frühstück hingibt?

Kai: Wenn man abends eine große Vorstellung wie Faust oder Richard der Dritte gespielt hat, dann ist man auf einem sehr hohen Energielevel. Da kann man nicht um zehn von der Bühne gehen und halb elf im Bett liegen. Da wird man schon zum Nachtmensch. Es ist oftmals auch so, dass man nach Hause geht und schon Texte für die Probe am nächsten Tag lernt. Es ist nicht so, dass wir am Folgetag bis Mittags schlafen können, wir haben in der Regel vormittags die nächste Probe und müssen diese vorbereiten. Das ist harte Arbeit und entspricht überhaupt nicht dem Klischee, das viele im Kopf haben.


Wie schwer ist Ihnen die Umstellung vom klassischen Ballett bzw. Theater auf Babyunterhaltung gefallen?

Kai: Das ist überhaupt kein Problem. Wenn man vom Sinn des Lebens spricht – Künstler sind ja auch immer auf der Suche nach Grenzen und Probieren sich aus – dann habe ich die Antwort gefunden. Der Sinn des Lebens ist in unserem Kleinen zu sehen. Das ist das Schönste, was es gibt. Ich konnte mir das nicht vorstellen und war 100 % auf Theater eingestellt, alles andere musste sich unterordnen. Da ist zuvor auch das Privatleben auf der Strecke geblieben. Familie ist für mich eine ganz neue und wunderbare Erfahrung. Wenn man auf der Bühne steht und das Publikum applaudiert, ist das auch ein Kick und Adrenalinschub. Aber es ist in keiner Weise mit dem Gefühl des Vaterseins zu vergleichen. Es geht in meinem Leben nichts über das Gefühl bei der Geburt.


Sie haben sich auch die Zeit zu Hause mit dem Kind geteilt?

Weinina: Ich war jetzt zehn Monate zu Hause und jetzt nutzt Kai die Zeit bis Weihnachten. Jetzt ist der Mann dran.
Kai:  Ich freu mich sehr darauf. Ganz pausieren kann ich aber nicht, weil ich in verschiedenen großen Produktionen mitspiele. Das Theater bringt uns aber großes Verständnis entgegen und hat nicht so viele Produktionen auf den Spielplan gesetzt, in denen ich mit wirke. Ich mache bis Weihnachten aber keine neuen Produktionen und spare auch den Probenstress.


Wie ist es mit dem Vater- und Muttersein – ändert sich der Umgang mit den Rollen, die Sie auf der Bühne spielen?

Kai: Mit Sicherheit. Man weiß jetzt, wovon man spricht und wie es ist, Vater zu sein. Natürlich kann man einen Vater auch ohne diese Erfahrung spielen, für das Unterbewusstsein ist es aber ein Fundus, aus dem man schöpfen kann, wenn man das Gefühl des Vaterseins selbst erlebt hat.
Weinina Weilijiang: Man wird durch diese Erfahrung vor allem reifer.


Bereitet es ihnen Probleme, dass Sie am Theater kaum einen geregelten Tagesablauf realisieren können?

Kai: Bis jetzt war es eher ruhig und wir hatten abends noch nie eine gemeinsame Vorstellung. Das ist trotz meiner Elternzeit ausgerechnet in diesem Monat das erste Mal der Fall. Da müssen wir unser Kind zum ersten Mal abgeben, das beschäftigt uns schon.
Weinina: Ich will gar nicht daran denken. Das wird uns sicher sehr schwer fallen. Wir haben zwar schon darüber gesprochen, aber so richtig ist uns das noch nicht klar, wie das funktionieren soll.


Sie wohnen mitten im Cottbuser Zentrum – soll es jetzt mit Familie nicht mehr Ruhe, Natur oder Grün sein?

Kai: Wir ziehen jetzt um, aber wieder mitten ins Zentrum. Da gibt es aber einen Garten und wir ziehen in den familienfreundlichen ersten Stock. Bislang leben wir ja wie fast alle Künstler, die ich kenne, unter dem Dach. Das mit dem Dach ist bei Künstlern ein Phänomen. Die Hälfte der Hausbewohner arbeitet dort am Theater, da kann man sich dann auch gegenseitig unter die Arme greifen.


Unsere Region ist bundesweit nicht gerade als Paradies für Ausländer verschrien – fühlen Sie als Multi-Kulti-Pärchen sich hier wohl und Zuhause?

Kai: Wir haben keine negativen Erfahrungen gemacht. Wir sind aber auch nicht mehr viel auf solchen Begegnungspunkten wie Diskotheken unterwegs. Ich komme ursprünglich aus Chemnitz und fühle mich in der Lausitz sehr wohl. Das hat zum einen mit der Arbeit an unserem wunderbaren Theaterhaus zu tun. Aber auch das Umfeld spielt eine wichtige Rolle, man ist schnell in der Natur und hat ringsum viele schöne Seen. Mir geht’s hier gut.
Weinina: Ich fühle mich auch wohl in Cottbus. Obwohl ich aus einer Riesenstadt mit drei Millionen Einwohnern stamme. Wir haben hier unserer Freunde und unsere Arbeit. Nur das Flair einer großen Stadt, das fehlt mir schon manchmal. Das merke ich, wenn wir z.B. mal in Hamburg sind. Mein Mann ist da eher ein gemütlicher Mensch.
Kai: Ja, solche Städte wie Berlin machen mich verrückt. Da halte ich es vielleicht ein paar Tage aus, dann wird mir das zuviel. Ich brauche keine verrückte Stadt, das habe ich jeden Tag in meinem Beruf. Da genieße ich es, vor der Tür etwas Ruhe zu finden.


Haben Sie bei Ihrem kleinen Mann schon gemerkt, ob er eher auf Theater oder auf Ballet reagiert?

Weinina: Er reagiert auf alles. Er ist sehr beweglich und kann sogar schon einen Spagat. Wenn er schreit, dann hat er die Stimme eines Opernsängers. Aber wir lassen ihm alle Zeit, sich zu entfalten.


Merken Sie bei der Beschäftigung mit Ihrem Kind, dass Sie jetzt auch in Büchern und Geschichten empfänglicher für Infantiles sind?

Kai: In unserem Beruf sind wir ja jeden Tag auf dem Spielplatz und können die Dinge immer als Kind betrachten. Das ist bei unserem Zusammensein zu Hause dann nicht anders. Wir singen z.B. sehr viel. Ich mache aus Bildern Lieder mit einer bekannten Melodie und singe über die Zahnbürste oder das Plüschtier. Man wird selbst wieder ein Stück zum Kind.


Wenn Sie sich ein Stück für die Familienspielzeit hätten wünschen dürfen, welches wäre das gewesen?

Kai: Der Laden von Strittmatter! Dabei geht es um eine große Familie, es hat mit der Region zu tun – und ich liebe Strittmatter sehr. Zudem ist es ein guter Stoff, der einem Schauspieler viele Möglichkeiten bietet.
Weinina: Wir haben zwei Ballettabende in der Familienspielzeit, auf die ich mich sehr freue, aber ein spezielles Stück würde ich mir nicht wünschen.


Danke für das Interview