"Toll wenn Mama tanzt"

Datum: Mittwoch, 25. April 2012 13:19

„Toll, wenn Mama tanzt“

Interview mit Mareike Lehmann, Inhaberin der ersten Lausitzer Pole Dance-Schule

Mareike Lehmann ist eine Powerfrau. Die junge Lausitzerin ist liebevolle Mutter zweier Kleinkinder und Inhaberin der ersten Lausitzer Pole Dance-Schule sowie einer Künstlervermittlung. Uns interessierte, wie das Familienleben mit dem gesellschaftlich oft wenig akzeptierten Pole Dance zu vereinbaren ist – für den sich aber gerade in der Lausitz immer mehr Mütter interessieren.

Du ernährst deine junge Familie mit einem recht einmaligen Job, erntest du dafür eher Anerkennung oder mehr Skepsis?
Beides, von manchen werde ich auch belächelt. Es gibt viele, die nicht informiert sind und reichlich Vorurteile streuen. Es gibt aber auch hier inzwischen immer mehr Frauen, die das ausprobiert haben und ganz toll finden. Sie erkennen das als Sport und bewundern dann eher die Leistung, die dahinter steht.

Welche Vorurteile sind das?
Oft ist zu hören, dass wir alle Stripperinen sind, das wir uns für Männer ausziehen und dafür Eintritt verlangen. Unwissende unterstellen dem Pole Dance gern, dass es billig und nuttig ist.

Was ist denn nun eigentlich Poledance und wie bist du zu deiner eigenen Schule gekommen?
Poledance ist das ästhetische Tanzen an der Stange. Dazu braucht es Kraft, Akrobatik, Ausdauer und Flexibilität. Das hat mit Popo-wackeln und ausziehen nichts zu tun. Im Grunde ist es Artistik und Akrobatik an der Stange. Natürlich ist das auch sexy, aber andere Akrobaten tanzen ja genauso sexy. Leider bekommen es viele Leute nicht aus den Köpfen, dass die Stange auch für den eher anrüchig betrachteten Tabledance steht. Ich bin durch das Gogo-Tanzen dazu gekommen, das mache ich seit fast zehn Jahren. Als ich mein erstes Kind bekam, wollte ich keinen Zehnstundenjob mehr machen. Als gelernte Eventmanagerin wollte ich dem ständigen Stress dieser Branche entgehen und tagsüber für mein Kind da sein – und beruflich etwas machen, wenn Kinder abends schlafen. Da kam ich auf die Idee mit den Pole Dance-Kursen – und da ich alles richtig oder gar nicht anpacke, habe ich gleich eine richtige Ausbildung gemacht und im Herbst 2009 feste Räume als Pole Dance-Schule eingerichtet. Jetzt, mit meinen zwei Kindern, weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war!

Ist das gleich gut angelaufen?
Ich hatte auch etwas Glück. In Cottbus und der Lausitz war Pole Dance überhaupt kein Thema. Kurz nach der Eröffnung habe ich dann die Deutschen Amateurmeisterschaften gewonnen und Anfang 2010 wurde im Fernsehen viel über Pole Dance berichtet. Da haben die Cottbuser das auch akzeptiert. Inzwischen sieht man ja, das Pole Dance gesellschaftlich legitimiert ist und selbst in Familiensendungen wie Bohlens Supertalent oder bei Heidi Klums Top Models für ästhetische Augenblicke und alles andere als anrüchige Momente sorgt.

Brauchst du dafür eine Trainerlizenz oder kann das jeder machen?
Theoretisch kann das jeder machen, praktisch kann Poledance aber auch sehr gefährlich sein. Ohne guten Trainer birgt es ein großes Verletzungsrisiko, es sind tatsächlich schon Leute bis zur Querschnittslähmung verletzt worden. Deshalb habe ich eine Trainerlizenz gemacht. Was viele nicht wissen: Mit einem Fitnesstrainerschein kann man beim Poledance auch gar nichts anfangen, denn das ist etwas völlig anderes und das unterschätzen auch ganz viele. Pole Dance lebt von einer großen Flexibilität und einem unheimlichen Kraftaufwand – da muss man auch so trainieren, dass Spätfolgen verhindert werden. Für mich ist es wichtig, dass die Frauen in meinen Kursen ihre Gesundheit fördern und nicht herausfordern.

Pole Dance und Familie – wie passt das eigentlich zusammen?
Sehr gut. Meine beiden Kinder tanzen selbst gern an der Stange, Kinder gehen sowieso vorurteilsfrei an alles heran. Sie nehmen das ganz normal als Sport und als Tanzen hin. Durch die Abendkurse habe ich auch den ganzen Tag für die Kinder. Vormittags, wenn der Große in der Kita ist, erledige ich den Kram im Büro – und jeden Nachmittag kann ich mit meinen Kleinen intensiv spielen. Erst, wenn beide dann im Bett sind, gehen meine Kurse los. Ein tolles Familienleben.

Was sagen deine Kleinen dazu, wenn du an der Stange tanzt?
Die finden das total toll, wenn Mama tanzt. Wenn ich die Stange für manche Übungen ans Spin stelle, sodass sie sie sich dreht, dann hängen sich die Kleinen immer ran und freuen sich ihres Lebens. Das ist für sie dann fast wie Karussell fahren.

Bei deinem Job bist du auf einen durchtrainierten Körper angewiesen, ist das Muttersein nicht eher hinderlich?
Nein. Ich bin auch niemand, der nebenbei noch trainieren muss. Mein Training sind meine Kurse. Dann hab ich noch Auftritte als Künstlerin und ab und zu fahre ich zu Workshops, aber da habe ich meine Kinder meist dabei. Ich habe fünf Wochen nach der Geburt meiner zweiten Tochter die anspruchsvolle Pole Dance-Ausbildung in Silber absolviert – da hatte ich die Kleine auch dabei. Das Muttersein ist nicht hinderlich, es motiviert mich vielmehr. Da kann gern noch ein drittes Kind kommen.

Wer tanzt eigentlich in deiner Pole Dance-Schule an der Stange?
Angefangen hat das mit Partymädels, die das ausprobieren wollten. Seit dem letzten Jahr hat sich das unheimlich gewandelt, inzwischen sind es viele Frauen von Ende 20 bis Mitte 30, aber auch darüber hinaus. Die älteste an der Stange war 55 Jahre. Der Großteil sind inzwischen Mütter.

Kann wirklich jede Frau und Mutter das machen – und wobei hilft das?
Das kann absolut jede Frau. Für Mütter ist das neue Körpergefühl von großer Bedeutung. Als Mutti fühlen sich viele Frauen ausgelaugt, nach monatelangem Stillen und durchgemachten Nächten. Man fühlt sich wie eine Maschine und macht alles für das Kind. Schönmachen geht nicht, Ohrringe werden abgerissen, High Heels kann man nicht anziehen – weil man den Kleinen hinterher rennen muss. Beim Poledance kann man sich wieder als Frau fühlen und darf mal wieder sexy tanzen. Das bringt vielen Frauen ein neues Selbstbewusstsein, ein neues Körpergefühl. Man muss auch nicht besonders trainiert oder schlank sein, wir sind bei den Kursen ja unter uns – lediglich extrem Übergewichtigen würde ich aufgrund des Verletzungsrisikos abraten.

Warum kommen die Frauen in deine Schule?
Die meisten machen das für sich, um sich sexy zu fühlen und Kraft zu trainieren. Es macht Spaß und man sieht die Erfolge immens, wenn man dran bleibt. Sei es die Rückenmuskulatur, die sich aufbaut, die Arme oder die Körperhaltung. Ich hatte auch schon die ein oder andere, die eine Choreografie für ihren Mann gemacht und ihm das zum Geburtstag geschenkt hat. Oft sind auch zuerst Männer zu mir gekommen und haben ihrer Frau einen Gutscheine für einen Schnupperkurs geholt – und mir später erzählt, dass sie selbst die positiven Veränderungen ihrer Frau bemerken.

Gibt es auch Väter oder sogar Paare, die du trainierst?
Das habe ich leider noch nicht gehabt –aber in Großstädten gibt es das auch schon für Männer. Es wäre schön wenn Männer sich das hier genauso trauen würden. Die machen das auch weniger sexy, sondern mit purer Akrobatik – die meisten sind durchtrainierte Turner oder Balletttänzer. Wenn es hier aber Männer gäbe, die sich das trauen, würde ich die sehr gerne trainieren.

Was sagt dein Mann eigentlich dazu?
Ich habe das ganz große Glück das mich mein Mann in allen Lebenslagen unterstützt. Er ist ein toller Familienvater, baut mir die Stangen im Saal auf und hilft mir beim Ordnung halten. Hinter jeder starken Frau steckt ein starker Mann – ohne ihn würde ich das alles gar nicht schaffen.

Spielt dein Job auch in der Freizeit eine große Rolle?
Oft rufen Frauen wegen der Kurse an oder haben Fragen. Da muss ich viele Befürchtungen nehmen, z.B. dass sie nicht zu dick für diesen Sport sind und dass Cellulite nichts macht. Insofern klingelt das Telefon auch in der Freizeit – aber beim Spiel mit den Kleinen bin ich eine Mutter wie jede andere auch.

Sind deine Kinder auf dem Spielplatz auch die Besten beim Stangenklettern?
Nein, das hat mit Klettern auch nicht soviel zu tun. Was aber sehr lustig ist: Sobald mein großer Sohn eine Stange sieht, tanzt der darum. Da schauen andere Eltern manchmal schon sehr verwundert.

Du hast eine glückliche Familie, eine eigene Schule, welche Wünsche gibt es da noch?
Ich hätte gerne noch ein drittes Kind. Nicht gleich, vielleicht, wenn der Große in die Schule kommt. Desweiteren würde ich mit meiner Partnerin und unserer Duo-Show gern noch eine Meisterschaft gewinnen. Es geht mir dabei weniger um den Titel, als vielmehr um die Selbstbestätigung. Und ich hätte gerne viel mehr Pole Dance-Studios und Frauen, die dort etwas für ihre Fitness und ihr Körpergefühl tun.

Danke für das Interview

www.femella-studio.de