Ein Gespräch mit dem Möbeldesigner und Familienvater Jörg de Breuyn über Piraten, Bananengräber und unorthodoxe Stabilitätstest für Kinderbetten.
Sie verkaufen seit 35 Jahren Kindermöbel – inwiefern haben sich die Ansprüche der Kunden in dieser Zeit verändert?
Natürlich hat sich seit meinem Start 1986 vieles verändert. Damals war ich im selben Alter wie meine Kunden, heute könnte ich ihr Vater sein. Ein schöner Nebeneffekt: Wir haben unter unseren Kunden auch Eltern, die bereits in de-Breuyn-Betten groß geworden sind. Was auffällt im Vergleich zu damals: Vor mehr als 30 Jahren wir Möbel für Kinder designt, heute für Prinzessinnen und Piraten. Allerdings hat dieser Trend in der jüngsten Zeit etwas nachgelassen. Das Mobiliar fürs Kinderzimmer wird wieder neutraler. Ein zweiter Aspekt ist das, was ich gern „Amazon-Anspruch“ nenne. Viele Kunden kommen mit der Erwartung zu uns, dass alles sofort und zum günstigsten Preis verfügbar ist.
Inwiefern haben Sie Ihre Möbel im Laufe der Jahre den veränderten Kundenansprüchen angepasst?
Im Grunde haben sich nur der Vertrieb – heute passiert mehr online – und die Deko verändert. Die Möbel in ihrer Funktion sind im Grunde gleichgeblieben. Warum sollte es auch anders sein. Kinder entwickeln sich immer gleich: Sie lernen zuerst das Greifen, später das Krabbeln und Laufen. Das heißt: Das Bett hat heute vielleicht eine andere Farbe, aber die Funktionalität bleibt gleich.
Nachhaltigkeit ist aktuell ein großes Thema in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Spüren Sie das auch in einer gesteigerten Nachfrage?
Nachhaltigkeit war schon immer eines unserer Leitmotive. Die ersten Möbel, die wir verkauft haben, waren ausschließlich bio-zertifiziert und aus Massivholz. Leider klafft eine große Lücke zwischen dem laut Statistiken und Debatten vorhandenen Wunsch nach Nachhaltigkeit und der tatsächlichen Kaufentscheidung. Die wenigsten sind bereit, für hohe Qualität und Möbel aus nachhaltigem Material mehr zu bezahlen. Sie wollen lieber ein weiß lackiertes Bett, selbst wenn es Schadstoffe enthält. Viele Eltern finden es einfach schicker und pflegeleichter als ein geöltes Bett aus Massivholz.
Wieviel Mitspracherecht haben die Kinder bei der Entscheidung über das Mobiliar fürs Kinderzimmer? Und wieviel sollten sie haben?
Meiner Meinung nach sollte die ganze Familie vor Ort sein und gemeinsam entscheiden. Für Kinder und Eltern sind unterschiedliche Kriterien wichtig. Die Kinder interessieren sich dafür, ob sie auf dem Bett gut klettern und spielen können, modischer Firlefanz ist für sie nicht so wichtig. Eltern finden auch Optik und Preis wichtig. Im Grunde bräuchte ich mit Blick auf die Kinder nur ein Hochbett-System anzubieten. Aufgrund der ästhetischen Ansprüche der Eltern haben wir aber mehr Systeme im Angebot. Mit Blick auf die Langfristigkeit sollten Eltern die finale Kaufentscheidung treffen. Die sollte wiederum vom Naturell des Kindes abhängen. Was kann es schon, wie weit ist es motorisch, ist es eher vorsichtig oder ein Wildfang mit Hang zu Kamikaze? Für dreijährige Rabauken sind weiß lackierte Möbel eher nicht das richtige. Bei Details, wie der Frage nach einem Steuerrad fürs Bett, können die Kinder wiederum mitentscheiden.
Nach welchen Kriterien sollten Familien die Möbel für das Kinderzimmer auswählen?
Da spielen viele Aspekte eine Rolle, die drei wichtigsten sind aus meiner Erfahrung: Die Flexibilität, die Ästhetik und die Stabilität. Kinder nutzen Möbel unorthodox. Für sie ist das Bett nicht nur zum Schlafen da, sondern auch zum Spielen und Klettern. Daher sollten Kindermöbel sehr stabil gebaut sein. Bei der Ästhetik sollten Eltern aufpassen, das Zimmer nicht zu überfrachten. Möbel in neutralen Farben geben der kindlichen Phantasie mehr Raum. Immer wichtiger wird für heutige Familien die Flexibilität. Die Kinder durchlaufen vom Babyzimmer bis zum Jugendzimmer mehrere Phasen mit unterschiedlichen Ansprüchen. Hinzu kommt die steigende Mobilität: Der Umzug von der Wohnung ins Haus oder in eine andere Stadt aus beruflichen Gründen. Umbaubare Systemmöbel mit Modulen sind flexibel und dafür am besten geeignet. Das ist auch der Grund, warum wir Bausysteme anbieten, welche die Kinder von der Geburt bis zum Auszug begleiten können. Alle drei bis vier Jahre neue Möbel zu kaufen, ist weder nachhaltig noch kostengünstig.
In den ersten Jahren halten Kinder sich eher in der Nähe der Eltern auf, spielen also in der Küche oder im Wohnzimmer. Inwiefern sollten Eltern das bei der Ausstattung des Kinderzimmers oder auch der restlichen Wohnung mitbedenken?
Im Kleinkindalter ist es tatsächlich so, dass sich die Kinder eher wenig allein im Kinderzimmer aufhalten. Solange wäre es gut, wenn es im Wohn- oder Esszimmer eine Spielecke für die Kinder gibt, in der sich abends schnell das Spielzeug verstauen lässt. Hier braucht es bei den Möbeln einen Kompromiss zwischen Funktionalität und Ästhetik. Bett und Kleiderschrank für das Kind können aber von Anfang an ins Kinderzimmer. Mit dem Schulbeginn halten sich die Kinder dann häufiger in ihrem eigenen Reich auf, brauchen diesen Rückzugsort.
Die meisten Kinderzimmer sind mit Bett, Schreibtisch und Schrank ausgestattet. Wie ist Ihrer Meinung nach ein optimales Kinderzimmer eingerichtet?
Das Kinderzimmer sollte immer ein Ort sein, wo Kinder gut wohnen können, wo sie Platz zum Spielen und Klettern und ein Rückzugsort haben. Dreh- und Angelpunkt jedes Kinderzimmers ist das Bett. Es ist am besten multifunktional. Das heißt, die Kinder können hier klettern, spielen und sich zurückziehen. Im Idealfall verfügt es über zusätzlichen Stauraum. Für Kinder unter zehn Jahren ist ein Hochbett ideal. Weiterhin ist Stauraum für Spielzeug und Kleidung wichtig, aber es sollten nicht zu viele Schränke und Regale sein. Kinder brauchen Platz zum Spielen. Einen Schreibtisch brauchen Kinder unter zehn noch nicht unbedingt. Meistens erledigen sie die Hausaufgaben noch in den gemeinsamen Wohnräumen. Durch die Ganztagsschulen werden viele Hausaufgaben bereits in der Schule oder im Hort erledigt. Besser als ein klassischer Schreibtisch ist für den Anfang ein robuster Spiel- und Basteltisch, der auch als Schreibtisch nutzbar ist. Der Kleiderschrank sollte nicht tiefer als 40 Zentimeter sein, sonst kommen die Kinder nicht an all ihre Sachen. Generell sollten die Möbel im Kinderzimmer so gestaltet sein, dass sie flexibel und umbaubar sind.
Aufräumen gehört nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Kindern. Gibt es Möbel, die das Ordnunghalten im Kinderzimmer erleichtern?
Wenn man mal der Aspekt des Charakters und der Erziehung außen vorlässt, dann liegt Unordnung oft einfach an den falschen Möbeln und am fehlenden Stauraum. Für kleine Kinder bis etwa fünf Jahre gilt: aus den Augen aus dem Sinn. Was hinter Türen oder in Schüben steckt, das sehen sie nicht und das vergessen sie. Ich nenne Schubladen gern „Bananengrab“, seitdem ich vor vielen Jahren mal einen Schub unseres damals vierjährigen Sohnes geöffnet habe und dort unter anderem Bananen fand, die schon schwarz waren. Besser geeignet sind Regale mit mobilen Spielkisten, welche die Kinder selbst dorthin transportieren können, wo sie spielen. Wir haben daher flache aber tiefe Schubladen mit Rollen entwickelt. Die Kinder können sie überall mit hinnehmen und direkt darin wühlen, müssen also nicht alle Bausteine auf dem Boden auskippen. Hilfreich sind auch durchsichtige Boxen. Dann sehen die Kinder ihr Spielzeug. Wichtig ist, dass die Kinder körperlich überhaupt in der Lage sind, ihre Spielsachen selbst wegzuräumen. Ein Dreijähriger kann nicht aufräumen, wenn das Regal zwei Meter hoch ist.
Inwiefern unterscheiden sich Kinderzimmer in Deutschland von denen in anderen Ländern?
Schon allein innerhalb Europas gibt es kulturbedingt massive Unterschiede. So sind beispielsweise nur in Deutschland Babybetten 70 mal 140 cm groß. In allen anderen Ländern 60 mal 120 cm, weil die Kinder ohnehin mit zwei bis drei Jahren in ein größeres Bett wechseln. In Skandinavien können die Betten bei Bedarf immer wieder um zehn Zentimeter verlängert werden. Dort schlafen Kinder sehr lange in Betten bis zu 1,60 Meter Länge. In Italien, wo das Wetter schöner ist und die Kinder viel Zeit draußen verbringen, beschränkt sich die Kinderzimmereinrichtung meist auf Bett und Kleiderschrank. Die Franzosen wiederum investieren viel Geld in die Ausstattung der Babyzimmers. Das erste Jahr ist dort sehr wichtig, da die meisten Kinder schon mit einem Jahr in die Ganztagsbetreuung gehen. Trotz all dieser Unterschiede haben sich die Wünsche und Ansprüche in den letzten Jahren angeglichen. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt mit unserer neuen europäischen Marke Wookids gestartet sind.
Was kann ich mir unter einer europäischen Möbelmarke vorstellen?
Ein Gedanke dahinter ist: Viele Menschen fühlen sich heute als Europäer oder Weltbürger und zeigen Verantwortung für unsere Welt. Die neue Marke Wookids, in der ich mich und das Unternehmen de Breuyn wiederfinden, entspricht dieser Philosophie. Wookids ist der Zusammenschluss einer Gruppe von Menschen, die sowohl Kinder als auch die Natur lieben. Mit über 30 Jahren Erfahrung und Standorten in ganz Europa sind wir nun Experten im Bereich Produktion, Handel und Design. Unser multikulturelles Team vereint ihre Wünsche mit neuesten Trends, kreativem Anspruch und bester europäischer Handwerksqualität.
Wir vertreten die Werte: Vertrauen, Bewusstsein, Freude und Ethisches Engagement. In unserem Unternehmen zählt nicht nur der eigene Profit, sondern auch, dass wir etwas in die Gesellschaft zurück investieren. Das bedeutet den Aufbau einer nachhaltigen Produktions- und Lieferkette an deren Verbesserung wir immer weiterarbeiten. Das bedeutet faire Verfahren im gesamten Unternehmen und das sorgfältige Eingehen auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Wir sehen uns gerne als Profis, die Menschen auf einer der aufregendsten Reisen ihres Lebens begleiten, dem Elternsein!
Sie halten das TÜV-Siegel nur für bedingt aussagekräftig. Welche Tests müssen Ihre Möbel bestehen?
Es gibt mittlerweile sehr viele Siegel. Das ist sicher dem Sicherheitsbedürfnis der Kunden geschuldet. Viele dieser Siegel sind teuer, manche auch fragwürdig. Die oft genutzte Statik-Berechnung für Möbel halte ich für zu teuer und ineffektiv. Ich finde unorthodoxe Praxistests sinnvoller. Praktisch sieht das bei uns so aus, dass unser ganzes Team aufs Bett steigt und so die Stabilität testet. Einen solchen Praxistest haben wir bereits auf Video aufgenommen und bei Youtube eingestellt. Generell glaube ich, dass Eltern, wenn sie ihr Kind gut einschätzen können, sich lieber auf ihr Bauchgefühl und ihren gesunden Menschenverstand verlassen sollten als alleinig auf Siegel.
Ihr erstes Kindermöbel – ein Piratenbett – haben Sie für Ihre eigenen Kinder entworfen. Wer inspiriert Sie heute?
Ich habe selbst vier Kinder großgezogen und weiß, wie Kinder spielen. Das hat sich in den vergangenen 30 Jahren nicht geändert. Zudem erlebe ich in unseren Läden ständig kleine Kinder. All diese Erfahrungen lasse ich beim Design der Möbel einfließen.
Wie werden Kinderzimmer in 20 Jahren aussehen?
Kinder werden immer spielen, auch in 20 Jahren noch. Nur die Farben werden sich wieder ändern. Aktuell geht der Trend zum Purismus, zu schlichten Farben wie weiß oder grau. Die Digitalisierung betrifft heute eher die älteren Kinder und hat noch keinen Einfluss auf Kindermöbel.
Von de Breuyn zu Wookids
Der Kölner Jörg de Breuyn produziert und verkauft seit 35 Jahren Kindermöbel. Sein erstes Bett hat für seine eigenen Kinder gezimmert – ein Piratenbett mit Steuerrad und Seil. Daraus wurde die erfolgreiche Kindermöbelmarke de Breuyn. De Breuyn war immer innovativ und hat sich weiterentwickelt. Jörg de Breuyn hat erkannt, dass die Zukunft multikulturell ist. Das ursprünglich deutsche Unternehmen ist nun Teil der neuen europäischen Marke Wookids.