So ein Glückkind waren Sie leider nicht immer: Ihre erste Tochter starb am plötzlichen Kindstod – hat das Ihr Verhältnis zu Ihren anderen Kindern beeinflusst?
Man hatte danach natürlich unfassbare Angst. Als der Sohnemann geboren wurde, habe ich fast gar nicht geschlafen. Ich habe ständig nachgesehen, ob er noch atmet, ob er noch da ist. Ich liebe meine Kinder über alles, aber man hat ständig Angst um sie. Ob sie ein Baby sind, wo sie hilflos sind, nichts sagen können und weinen oder ob sie größer sind. Heute, im Alter verstehe ich meine Eltern auch besser. Ich wollte mit 18 Motorrad fahren und bin wie ein Verrückter durch die Gegend gerast. Meine Eltern hatten Panik. Wenn mein Sohn jetzt ankommen würde mit der Nachricht, er hätte sich ein Motorrad gekauft, hätte ich auch Panik um den Jungen. Auf der anderen Seite muss man sich aber damit abfinden. So ist das Leben. Meine Schicksalsschläge haben mich stärker gemacht und nicht dazu geführt, dass ich zusammen gebrochen bin. Das kann man selbst nicht unbedingt beeinflussen: Es gibt Menschen, die zerbrechen daran – Das kann ich nachvollziehen. Es gibt aber auch Menschen, die sich sagen: „Kopf hoch, es muss weitergehen.“ Deswegen sind sie weder böse, noch schlecht, noch nicht traurig. All die Dinge, die mir passiert sind, haben mein Leben beeinflusst. Sie haben dazu geführt, dass ich der bin, der ich heute bin.
Wie kann es sein, dass jemand, der so viele schlimme Erfahrungen machen musste, ein augenscheinlich sehr zufriedener, glücklicher Mensch ist?
Ich habe eine ganz klare Lebensphilosophie für mich gefunden. Irgendwann habe ich mir mal bewusst gemacht, wie lange wir überhaupt haben und wie schnell alles vorbei sein kann. Daraufhin habe ich beschlossen, ich habe keine Zeit für Arschlöcher und böse Menschen und mich zu ärgern. Natürlich ärgere ich mich auch mal, natürlich treffe ich auf Menschen, die so fies sind, aber ich beschäftige mich nicht mehr damit.
Außerdem habe ich festgestellt, als ich krank war, dass es Parallelwelten gibt: Es gibt die der Gesunden und die der Kranken. Wenn man ganz ehrlich ist, als Gesunder, dann muss man sagen, niemand besucht gerne Kranke. Man trifft sich lieber mit Gesunden und ärgert sich gemeinsam über die Parkplatzsituation. Wenn man mal auf der anderen Seite war, weiß man wie schnell das gehen kann. Ich genieße mein Leben, ohne es zu ruinieren. Als ich in der Krankenwelt war, habe ich gelernt, dass ich den Gesunden den Weg zu mir ebnen muss. Wenn ich meinem Besuch zeige, das Leben geht weiter und auch mal lache, möchten sie eher bei mir sein. Als ich linksseitig gelähmt war, habe ich Blödsinn gemacht und die Menschen zum Lachen gebracht. Sie haben gemerkt, dass sie keine betretene Mine machen müssen. Das hat ihnen den Umgang mit mir erleichtert.
Was ist, neben den Besuchen, wenn man krank ist, das Beste daran eine Familie zu haben?
Familie ist ganz, ganz wichtig. Es gibt natürlich auch Familien, in denen es nicht so gut funktioniert. Man kann das Familienglück nicht erzwingen. Wenn man einen Bruder hat, den man nicht leiden kann, dann geht Bruderliebe nicht über alles. Aber man kann darüber nachdenken, ob es nicht an einem selbst liegt. Meinen Bruder und mich verbindet eine ganz große Liebe. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns jemals gestritten haben. Auch wenn wir uns relativ selten sehen – wir sind Freunde. Wenn es mal Krach in einer Familie gibt, ist das normal. Vor allem, wenn dann die Pubertät kommt. Da war ich selber auch nicht der Umgänglichste. Eine Familie ist wie eine Beziehung: Es bedeutet Arbeit. Ich kann nicht immer erwarten, dass meine Süße, wenn ich nach Hause komme, im sexy Pomp rumsitzt, sensationell gekocht hat und die Hütte ist sauber. Vielleicht will sie ja auch, dass ich nach Hause komme, aussehe wie Brad Pitt und lustig drauf bin.
Wie kann man sich Lichters Familienküche vorstellen? Dürfen die anderen mitkochen oder werden sie zum putzen verdonnert?
Ich habe schon in der Lehre gelernt, dass das Wichtigste ist, das nach jedem Arbeitsschritt sauber gemacht wird. Wenn ich gekocht habe, stehen danach keine Berge herum. Ich mag es sauber. Wenn jemand anderes für mich kocht, braucht der keine Angst haben, dass da reingreife oder meckere.
Wie können Eltern Genuss und gesundes Essen für Ihre Kinder vereinen?
Das ist relativ schwierig. Ich denke, in dem man nichts verbietet. Was man verbietet, wird interessanter. Ich gehe auch mal Fast Food essen, da mache ich kein Geheimnis draus. Nur ich esse das nicht täglich, sondern ich habe alle paar Monate Lust darauf. Weiß dann aber wie Möhren schmecken, wenn ich die selber geschält und geschnibbelt hab mit ein bisschen Bütterchen. Die Mischung macht es.
Ihr Lieblingsrezept für Kinder?
Zusammen in der Küche rumhantieren. Dann kann man sie automatisch beeinflussen, ohne, dass sie es merken. Ansonsten gibt es kein wirkliches Lieblingsgericht. Ich liebe Kartoffelpüree.
Was können Sie frisch gebackenen Eltern ansonsten raten?
Man sollte seine Kinder nicht zu sehr verwöhnen, aber auch nicht zu viel verbieten. Wenn man überlegt, was hat einem selbst gut getan, was weniger, dann findet man einen Mittelweg. Wenn die Kinder nerven, kann man kurz in sich reinhören: Haben die Kinder schuld oder bin ich einfach nur gestresst? Ansonsten steigert sich das schnell, wie ein Tsunami und jeder trägt seinen Teil dazu bei. Wenn man klare Linien zieht, klappt das schon. Kinder müssen auch erzogen werden. Ich kann diese antiauthoritäre Erziehung nicht leiden. Das ist Quatsch, damit zieht man sich kleine Terroristen groß.