Warum Eltern-Taxis sowohl für andere als auch für die eigenen Kinder so gefährlich sind, erläutert Claudia Löffler im Interview. Die Pressesprecherin des ADAC Berlin-Brandenburg e.V. und zweifache Mutter gibt außerdem Tipps, wie Eltern ihre Kinder am besten darin unterstützen, dass sie sich im Straßenverkehr sicher und selbständig bewegen.
Wie hat sich die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr in den vergangenen 20 Jahren entwickelt?
Glücklicherweise ist die Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Kinder über die Jahre immer weiter gesunken, sowohl in Brandenburg als auch bundesweit. In 2021 gab es laut Statistischem Bundesamt so wenig Verkehrsunfälle mit unter 15-Jährigen wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Das ist generell eine positive Entwicklung, aber die sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedes Kind, das im Straßenverkehr verletzt oder getötet wird, definitiv eines zu viel ist.
Hatte die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Verkehrssicherheit von Kindern?
Da gibt es zwei Seiten der Medaille. Positiv an den Corona-Jahren war, dass die Unfallzahlen mit Kindern weiter zurückgegangen sind. Das lag zum einen am geringeren Verkehr, zum anderen waren Schulen und Freizeiteinrichtungen geschlossen und damit auch weniger Kinder auf den Straßen unterwegs. Allerdings hatten gerade kleine Kinder in dieser Zeit kaum Möglichkeiten, aktiv in das Verkehrsgeschehen hineinzuwachsen und ihre motorischen Fähigkeiten weiter auszubauen, die zum Beispiel für den sicheren Umgang mit dem Fahrrad wichtig sind. Hier muss unbedingt nachgesteuert werden. Und weil das so wichtig ist, setzt sich der ADAC Berlin-Brandenburg intensiv dafür ein – mit speziell auf die jeweilige Altersgruppe zugeschnittenen Programmen und Aktionen, die direkt in den Kitas und Schulen stattfinden.
Jetzt beginnt die dunkle Jahreszeit. Wie sollten sich Eltern und Kinder darauf einstellen?
Wenn es dunkel ist und dann noch Regen oder Nebel hinzukommen, wird man kaum gesehen. Erst recht nicht, wenn man dunkel gekleidet ist. Ein zu Fuß gehendes Kind oder ein Erwachsener ist für Autofahrende dann frühestens aus 25 Meter Entfernung erkennbar. Im Ernstfall kann der Bremsweg, der bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h rund 28 Meter beträgt, dann bereits zu lang sein. Trägt man dagegen helle Kleidung in Kombination mit reflektierenden Materialen, wie zum Beispiel in die Kleidung integrierte Reflektorstreifen, Reflektoranhänger oder eine Sicherheitsweste, wird man schon aus bis zu 140 Metern Entfernung wahrgenommen. Sichtbar zu sein, ist gerade bei Kindern unglaublich wichtig. Sie sind bei schlechten Lichtverhältnissen allein schon aufgrund ihrer Körpergröße schlechter zu sehen und damit besonders gefährdet. Verkehrsteilnehmende sollten in der dunklen Jahreszeit daher besonders aufeinander achten.
Ein jährlich zum Schulstart diskutiertes Thema sind die sogenannten Eltern-Taxis. Sind Kommunen, Schulen und Eltern da in den zurückliegenden Jahren sensibilisiert worden?
Trotz Sensibilisierung besteht das Problem auch weiterhin. Immer pünktlich zum Schulbeginn häufen sich die Probleme im Umfeld von Schulen durch Eltern-Taxis. Denn je mehr Eltern ihre Kinder zur Schule fahren, desto mehr leidet die Verkehrssicherheit. Denn meist wird dort gehalten, wo gerade Platz ist, also auch an Bushaltestellen, im Halteverbot oder in zweiter Reihe. Schulbusse werden behindert, gefährliche Überhol- und Wendemanöver provoziert, Geschwindigkeiten überschritten und zu Fuß laufende und auch aussteigende Kinder durch das Chaos gefährdet. Zwar meinen es Eltern gut, wenn sie ihr Kind mit dem Auto bis vor das Schultor fahren. Wenn es aber zu viele gut meinen, steigt die Unfallgefahr – unter Umständen auch für das eigene Kind. Hinzu kommt, dass Kinder im Elterntaxi auch kein Verständnis und Risikobewusstsein für den Straßenverkehr entwickeln. Sie verlieren zudem die positiven Auswirkungen auf Motorik, Gesundheit, Selbstbewusstsein und soziale Entwicklung. Wir raten daher dazu, Kinder bereits in der ersten Klasse zur Schule gehen zu lassen, sofern der Schulweg sicher ist und die Strecke vorher gut geübt wurde, idealerweise unter realen Bedingungen morgens an Werktagen.
Und wenn der Schulweg dafür zu weit ist, was in ländlichen Gebieten wie der Lausitz häufig der Fall ist?
Wenn der Schulweg sehr lang oder unsicher ist, kann auch das Elterntaxi im Einzelfall eine vertretbare Alternative zum Zufußgehen sein. Dann sollte man die Kleinen aber auf keinen Fall bis vor das Schultor fahren, sondern in einer Entfernung von mindestens 250 Metern zur Schule aussteigen lassen. So gehen sie zumindest einen kleinen Weg zu Fuß. Manche Schulen haben hierfür speziell ausgeschilderte Hol- und Bringzonen, sogenannte „Elternhaltestellen“, eingerichtet. Sie sind eine gute Alternative, um den Verkehr vor den Schulen zu entzerren und die Kinder dennoch ein Stück weit an den Straßenverkehr heranzuführen. Wer Interesse an der Einrichtung dieser Haltestellen hat, kann sich gerne an den ADAC Berlin-Brandenburg werden. Hier bekommen Schulen oder Elterninitiativen nicht nur Unterstützung, sondern auch die entsprechenden Schilder. Eine gute Alternative zum Elterntaxi sind auch die sog. „Laufbusse“. Dabei gehen mehrere Kinder in Begleitung eines Erwachsenen den vorher festgelegten Schulweg zu Fuß. Das entlastet Eltern nicht nur beim täglichen Bringen und Abholen, die Kinder bewegen sich zudem selbständig im Verkehr und haben gleichzeitig Bewegung, bevor sie in der Schule lange stillsitzen müssen.
Wie können Eltern ihre Kinder am besten darin unterstützen, sichere Verkehrsteilnehmer zu werden?
Der wichtigste Tipp: immer ein gutes Vorbild sein, denn Kinder lernen von Erwachsenen. Und vor allem: üben, üben, üben. Um die Kinder spielerisch fit für den Straßenverkehr zu machen, eignen sich zum Beispiel kleine Aufgaben und Spiele für unterwegs. So kann man den Nachwuchs mal schätzen lassen, welches vorbeifahrende Auto schneller war oder wie weit ein Fahrzeug entfernt ist („Kannst du noch über die Straße?“). Oder man erklärt laut, was und warum man etwas im Verkehr tut („Ich warte, bis es grün wird, dann…“), wo Gefahren lauern oder wie man eine Straße überquert. Ob die Kinder auch alles verstanden haben, lässt sich gut mit einem Rollentausch herausfinden. Dann dürfen die Kleinen den Erwachsenen erklären, wie sie sich im Verkehr verhalten sollen. Grundsätzlich gilt: Je öfter Kinder zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs sind, unterschiedliche Situationen erleben und Erfahrungen sammeln, desto eher werden sie zu selbständigen und sicheren Verkehrsteilnehmern. Deshalb ist es auch so wichtig, Kinder nach ausreichender Übung selbständig zur Schule gehen zu lassen oder Gruppen zu finden, mit denen sie den Schulweg gemeinsam meistern.
Gibt es typische Fehler, die Eltern machen, wenn es um die sichere Mitnahme von Kindern im Auto und auf dem Fahrrad geht?
Oft kommt es vor, dass Kinder bei der Mitnahme auf dem Fahrrad oder im Auto nicht richtig gesichert sind. So können beispielsweise im Auto zu locker montierte Sitze, falsch geführte Gurte, ungeeignete Kindersitz-Systeme oder ein kompletter Verzicht auf das Anschnallen bei einem Unfall zu gefährlichen Verletzungen führen. Als Faustregel zum richtigen Anschnallen gilt: Mehr als eine Hand sollte nicht zwischen Gurt und Brust des Kindes passen. Daher unbedingt im Winter dicke Wintermäntel und -jacken während der Autofahrt ausziehen. Sie schränken nicht nur die Bewegung ein, sondern gefährden aufgrund des nicht optimal anliegenden Gurts auch die Sicherheit. Das gilt sowohl für Kinder als auch für Eltern.
Seit einigen Jahren sind immer mehr E-Fahrzeuge auf den Straßen und Wegen unterwegs – PKW, Räder, Roller. Inwiefern haben sie Einfluss auf die Verkehrssicherheit?
Auf Basis der heute vorliegenden Erfahrungen ist anzunehmen, dass sich die Verkehrssicherheit insgesamt sicherlich nicht verschlechtert hat. So müssen zum Beispiel E-Autos, Hybrid-Pkw oder auch Wasserstofffahrzeuge mittlerweile ein Sound-Warnsystem haben, um von Fußgängern und Radfahrern nicht überhört zu werden. Mit fortschreitendem Grad der Automatisierung sind mittlerweile auch die Fahrerassistenzsysteme, wie z.B. Notbremssysteme, leistungsstärker geworden. Sie tragen enorm dazu bei, dass immer weniger Menschen im Straßenverkehr sterben oder verletzt werden. In Bezug auf E-Scooter lässt sich allerdings ein Anstieg der Unfallzahlen beobachten. Sie sind seit 2019 im Straßenverkehr zugelassen und besonders in Städten beliebt, als Alternative zu Bus, Bahn oder zum Zufußgehen.