Wann muss das Kind zum Arzt und wann reicht die Wärmflasche? Die Lübbener Kinderärztin Dr. Inis Schönfelder kann auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung zurückblicken und verrät im lausebande-Interview, wie Eltern sich und ihre Kinder am besten auf den Praxisbesuch vorbereiten und warum die Vorschläge von Dr. Google manchmal mit Vorsicht zu genießen sind.
Sie sind seit den 1990er Jahren Kinderärztin, seit 2002 mit eigener Praxis. Wie hat sich Ihre Arbeit in dieser Zeit verändert? Sind Kinder heute gesünder als noch vor 20 Jahren? Sind Eltern heute besorgter oder gelassener beim Thema Kindergesundheit?
Kinder sind heute so krank und gesund wie noch vor 20 Jahren, aber das Bewusstsein für Gesundheit ist besser geworden. Das zeigt sich daran, dass Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen gut angenommen werden und Eltern gezielt nach Themen wie Ernährungsberatung fragen. Gleichzeitig merke ich, dass bei immer mehr Eltern das Krankheitsverständnis fehlt. Sie kommen wegen Kleinigkeiten wie Insektenstichen oder Bauchschmerzen in die Notaufnahme oder in die Infektsprechstunde, anstatt erstmal abzuwarten. Manchmal reicht eine Wärmeflasche oder Schonkost und dann verschwinden die Bauchschmerzen von allein wieder. Und wenn nicht, dann kann man natürlich immer noch in die Praxis kommen.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Eine Rolle spielt sicher die Verunsicherung durch die Medien. Erschwerend kommen manchmal noch gut gemeinte Ratschläge von Dritten hinzu. Da schickt beispielsweise die Kita die Eltern wegen harmloser roter Pickel zum Arzt oder verlangt eine Gesundschreibung. Das füllt unnötig die Praxis.
Gerade junge Eltern mit dem ersten Kind stehen oft vor der Frage, wann das Kind bei Krankheitssymptomen zum Arzt sollte. Gibt es da eine Faustregel?
Sehr kleine Kinder müssen dann zum Arzt, wenn das Fieber beim Messen im Po bei über 38,5 Grad liegt, wenn sie nicht mehr trinken und blässlich krank aussehen. Wenn das Kind schon etwas älter ist oder nur Fieber hat, dann können Eltern auch schon mal ein, zwei Tage abwarten, bevor sie in die Praxis kommen.
Wann muss ein Kind in die Notaufnahme und wann reicht die Vorstellung in der Praxis?
Auch das hängt vom Alter des Kinders ab, und natürlich von der Schwere der Symptome. Bei einem Fieberkrampf, anhaltend hohem Fieber oder Apathie am Freitagnachmittag, sollte man nicht warten, bis die Praxis wieder öffnet, sondern in die Notaufnahme oder Bereitschaftspraxis gehen.
Wie können Eltern sich und ihr Kind auf den Praxisbesuch vorbereiten?
Das wichtigste ist eine gültige Chipkarte. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung können wir ohne Karte nichts machen. Wichtig sind auch das gelbe Vorsorgeheft und der Impfausweis. Bei Babys und kleinen Kindern empfehle ich eine saubere Windel, Wechselsachen, eine Decke zum Drunterlegen, einen Schnuller und ein Kuscheltier oder Lieblingsspielzeug. Unser Wartebereich ist zwar wie ein großer Spielplatz, da gibt es viele Beschäftigungsmöglichkeiten, aber im Sprechzimmer oder zum Trösten hilft dann vielleicht doch der eigene Lieblingsteddy besser.
Wie gehen Sie mit Kindern um, die Angst vor dem Arztbesuch oder vor der Spritze haben?
Wir versuchen die Kinder zu beruhigen oder abzulenken. Manchmal hilft es, wenn wir erstmal den Teddy oder die Puppe untersuchen und impfen. Aber manchmal kommt es trotzdem vor, dass die Kinder weinen. Zum Glück ist das aber meist schnell wieder vorbei.
Mittlerweile können sich Menschen vorab bei Dr. Google informieren. Wie gehen Sie damit um?
Ich merke, dass die Eltern sich durch die Informationen aus dem Internet oft verunsichern lassen. Sie haben beispielsweise die Symptome ihres Kindes in die Suchmaschine eingegeben, eine ganz schlimme Diagnose vorgeschlagen bekommen und sind verzweifelt. Da müssen wir als Praxisteam erstmal trösten und aufklären. Wir zeigen dann, wo sie zuverlässige Informationen bekommen und geben ihnen Infomaterial mit. Das Internet wird uns auch weiter begleiten, damit müssen wir umgehen und es kann ja auch hilfreich sein. Schwierig wird es aber, wenn die Eltern dem Internet eher glauben als mir mit meiner langjährigen Berufserfahrung.
Der letzte Winter war durch eine starke Infektionswelle geprägt, die vor allem Kinder getroffen hat. Rechnen Sie in diesem Winter erneut mit einem starken Anstieg an Infektionskrankheiten?
Ich habe keine Glaskugel, in die ich schauen könnte, aber das ist vielleicht auch besser so. Bis jetzt verläuft alles normal. Der Winter ist generell Infektzeit und wird mehr kranke Kinder in die Praxis bringen. Aber ich hoffe, dass es nicht so dramatisch wird wie im letzten Jahr. Da waren die Klinikplätze knapp und in der Praxis hatten wir teilweise mehr als 100 Patienten pro Tag, normalerweise sind es 50 bis 60.
Was empfehlen Sie Familien, damit sie gut durch die bevorstehende Erkältungssaison kommen?
Wichtig ist eine dem Wetter angemessene Kleidung, gesunde, vitaminreiche Ernährung und das Vermeiden von Treffen und Ansammlungen mit kranken Menschen. In der Praxis bei uns versuchen wir, kranke und gesunde Kinder durch geteilte Wartebereiche und zeitlich versetzte Sprechzeiten zu trennen. Zudem empfehle ich den Eltern und Kindern, sich gegen Grippe impfen zu lassen, das können sie gleich bei mir in der Praxis machen.
Gibt es außer der Behandlung von Krankheiten, den Vorsorge-Untersuchungen und den Impfungen noch andere Gründe, aus denen Eltern und Kinder Ihre Praxis besuchen?
Zwei weitere Schwerpunkte unserer Praxis sind die ADHS-Diagnostik und die ambulante Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, da ich zusätzlich als Psychotherapeutin qualifiziert bin. Wir bieten eine IQ-Testung an sowie Diagnostik und Behandlung von Allergien und Neurodermitis. Außerdem stellen wir Kita- und Sporttauglichkeitsbescheinigungen aus und beraten zu Reiseimpfungen.