Interview mit der Brandenburger Ministerin Dr. Martina Münch
Frau Münch, Sie sind Landesministerin mit zugehörigem übervollen Terminkalender – und das als siebenfache Mutter. Wie funktioniert das, wie viele Haushaltshilfen sind dafür notwendig?
Das funktioniert eigentlich ganz gut, auch wenn sich Viele das vielleicht nicht vorstellen können. Wir haben in der Familie ein gutes Management und planen jeden Tag vorher relativ genau. Wenn alle gesund sind und alles nach Plan läuft, funktioniert das auch. Daneben hilft uns auch eine Haushaltshilfe, die fünf, sechs Stunden am Tag da ist. Sie kümmert sich um den Haushalt und holt den Kleinsten vom Kindergarten ab. Wenig später kommen die größeren Kinder nach Hause oder einer von uns ist da. Trotz guter Planung bricht zwischendurch auch mal Chaos aus, aber das ist in anderen Familien sicher nicht anders.
Wie schaffen Sie es, jedem ihrer Kinder gerecht zu werden?
Ich versuche, jedem Kind gerecht zu werden, ob ich das immer schaffe, weiß ich nicht. Auf alle Fälle bemühe ich mich darum – wie sicher jede andere Mutter auch – mir das Gefühl dafür zu bewahren, wie es den Kindern geht. Wenn ich abends nach Hause komme, spreche ich mit den Älteren: Wie war dein Tag? Wie geht es dir? Und was steht an? Die Jüngeren sind dann morgens beim Frühstück dran. Und auch am Wochenende ist die Familie wichtig. Manchmal ist es ein richtiggehender Kampf mit meinem Kalender, mir Freiräume für die Familie zu schaffen.
Bei sieben Kindern hätten Sie auch die Entscheidung treffen können, sich zu Hause um die Erziehung zu bemühen. Warum haben Sie sich anders entschieden?
Weil das Leben mehr ist als nur das häusliche Umfeld. Ich habe eine hochqualifizierte Ausbildung, ich bin Ärztin und habe lange im Krankenhaus gearbeitet. Zudem war ich seit meiner frühen Jugend politisch aktiv. Natürlich möchte ich für meine Familie da sein. Aber ich lebe meinen Kindern auch gerne vor, dass die Mutter nicht nur das Haus hütet, sondern sich auch gesellschaftlich engagiert. Und dass man sich kümmern muss, wenn man etwas verändern möchte.
Wie oft stand für Sie die Frage, sich zwischen Kindern und Beruf zu entscheiden – mit jedem Kind neu?
Das kann ich so gar nicht sagen. Nach dem ersten Kind habe ich wieder angefangen zu arbeiten, nach dem zweiten in Teilzeit. Nach dem dritten sind wir nach Cottbus umgezogen und ich bin bewusst eine gewisse Zeit zu Hause geblieben, um uns in dem neuen Umfeld zu verankern. Für mich gab es nie ein Entweder-Oder. Die Frage war immer nur, wie lange ich meinen Beruf zurückstelle und wann ich wieder verstärkt einsteige. Und dem bin ich treu geblieben.
Wann und warum sind Sie in die Politik gegangen?
Ich habe schon sehr früh politisches Engagement erlebt, mein Vater war zwanzig Jahre lang Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. Als Schülerin und später als Jugendliche habe ich mich intensiv mit Atomkraft und Nachrüstung auseinandergesetzt. Jahre später musste die Politik erst einmal hintanstehen, während des Studiums, dann als Ärztin und Mutter war ich erst mal gut beschäftigt. Später half mir ein Zufall auf die Sprünge: Ich bin schon seit über 30 Jahren SPD-Mitglied. Als wir nach Cottbus gezogen sind, habe ich mir eines Tages den SPD-Ortsverein angeschaut. Genau an jenem Abend wurden die Listen für die Kommunalwahl aufgestellt – als junge Frau mit Familie habe ich da ganz gut reingepasst. Da ich sowieso gerne wieder aktiv werden wollte, habe ich mich aufstellen lassen. Zu meiner eigenen Überraschung wurde ich aus dem Stand in die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung gewählt. So bin ich Schritt für Schritt immer tiefer in die Politik hineingewachsen. Ich habe ich mich viele Jahre in der Cottbuser Kommunalpolitik engagiert und tue es – mit dem Cottbuser Aufbruch – ja heute noch.
Politiker reden oft über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – müssen Sie nicht zugeben, dass Ihr Familienleben zwangsläufig unter der Karriere leidet?
Ich glaube nicht, dass unser Familienleben leidet. Es braucht natürlich ein gutes Management, aber das kennen andere berufstätige Mütter und Väter auch. Auch andere Kinder wissen, dass ihre Eltern nicht den ganzen Tag über für sie da sind. Außerdem wächst man ja in diese Situation hinein. Die Berufstätigkeit der Eltern hat auch Vorteile: Die Kinder werden früh selbstständig, spüren Verantwortung füreinander. Ich denke, jede berufstätige Mutter hat manchmal ein schlechtes Gewissen, auch ich. Manchmal spreche ich mit meinen Kindern darüber. Von den Kindern bekomme ich immer die Rückmeldung: „Mach dir mal keine Sorgen, Mama. Das ist schon in Ordnung, wir kriegen das schon hin! Und wenn was ist, dann melden wir uns bei dir.“ Und das macht mich natürlich froh.
Wie sieht denn ein üblicher Tagesablauf in der Großfamilie Münch aus?
Wir stehen frühmorgens um 6 Uhr auf. Dann heißt es Stullen schmieren, Brotboxen füllen und Frühstück richten. Anschließend werden die Kinder geweckt. Wenn sie halbwegs munter sind, frage ich sie: „Hast du alles eingepackt? An dein Sportzeug gedacht?“ Die Mädchen ermahne ich mitunter: „Du bist viel zu dünn angezogen!“ Das läuft wie in vielen Familien ab. Die Kinder starten in ihren Tag und ich in meinen. Wer Zeit hat, mein Mann oder ich, bringt den Kleinsten in den Kindergarten. Abends komme ich selten vor 20 oder 21 Uhr nach Hause, mein Mann ist früher da. Die Kinder haben also – auch dank unserer Haushaltshilfe – immer jemanden, der für sie da ist.
Ihr Mann ist Chefarzt im CTK, gab es denn mal ein Gespräch, ob Herr Münch als „Hausmann“ seinen Beruf aufgeben könnte?
Wir haben beide hochqualifizierte Berufe, da stand die Frage „Hausmann“ oder „Hausfrau“ so nie, sondern immer nur, wie bekommen wir es hin. Anfangs gab es natürlich auch einen finanziellen Unterschied: Mein Mann hat einfach schon mehrere Jahre gearbeitet und konnte mehr zum familiären Unterhalt beitragen als ich mit meinem Anfangsgehalt. Mittlerweile verbringt er mehr Zeit mit den Kindern als ich. Im Laufe der Jahre gleicht sich das also wieder aus.
Ihre Kinder sind zwischen 7 und 19. Sie haben zu Hause also fast die ganze Bandbreite präsent. Welches Alter bereitet mehr, welches weniger Herausforderungen?
Jedes Alter hat seine Herausforderungen: Bei kleinen Kindern ist man stärker körperlich gefordert, ich erinnere mich an permanenten Schlafmangel. Wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, kommen die Jahre, in denen man schaut, dass sie gut in die Schule, gut ins Leben kommen. Dann die Pubertät, da ist man wieder ganz anders gefordert. Und wenn sie langsam erwachsen werden, stehen die großen Lebensfragen an: Welche Ausbildung? Welche Zukunft? Ich glaube, das kennen viele Familien. Es ist wunderbar, gleichzeitig das ganze Spektrum von Kindheit und Jugend in einer Familie erleben und begleiten zu dürfen!
Lernen Ihre Kinder an staatlichen Schulen – und wie sehr tragen Sie die viel diskutierten, zunehmenden Probleme nach Hause? Wie sehr beeinflusst das Ihre Arbeit?
Meine Kinder lernen alle an staatlichen Schulen, bis auf den Ältesten, der schon studiert. Es war mir immer ganz wichtig, dass sie mitten im Leben stehen, dass sie auch zu ihren Freundinnen und Freunden aus der Nachbarschaft guten Kontakt haben. Natürlich erzählen sie ab und zu etwas über die Schule, das ist ja auch wichtig. Da ich versuche, regelmäßig zu den Elternabenden zu gehen, weiß ich ungefähr, was in den Schulen los ist. Und natürlich profitiere ich davon als Bildungsministerin. Ich weiß eben ganz praktisch, wie die Situation vor Ort in den einzelnen Schulen aussieht. Ich weiß, welche wirklich wichtige und schwierige Aufgabe Lehrer haben. Und es hilft natürlich, Schule nicht nur aus Ministeriumssicht, sondern auch als Mutter von sieben Kindern zu kennen.
Wenn Sie mal einen Tag Zeit und Ruhe haben, was unternehmen Sie mit Ihrer Familie?
Am allerschönsten ist es, wenn alle zu Hause sind und gemeinsam am Tisch sitzen. Dann unterhalten wir uns lange, diskutieren und erzählen oder hören zusammen Musik. Wir kochen gerne, gehen spazieren oder machen Sport, beispielsweise Fahrrad fahren. Sehr gerne gehe ich mit den Kindern auch ins Theater oder wir schauen zusammen Filme an. Lesen ist für uns auch wichtig, den Jüngeren lese ich regelmäßig und mit viel Freude vor.
Wann haben Sie zuletzt ein gutes Buch gelesen – und welches?
Ich lese täglich in einem guten Buch – das habe ich mir über die Jahre immer bewahrt und wenn es nur fünf Minuten vor dem Einschlafen sind. Vor einiger Zeit habe ich den „Turm“ von Uwe Tellkamp gelesen oder Herta Müllers „Atemschaukel“. Zurzeit lese ich „Der alte König in seinem Reich“ von Arno Geiger, ein sehr berührendes Buch. Geiger schreibt über die Demenz seines Vaters, dieses Buch berührt mich sehr. Also Bücher haben mich immer durch das Leben begleitet, das ist für mich sehr wichtig.
Wo sind Sie ein gutes Vorbild für Ihre Kinder – und wo ein weniger gutes?
Das müssen Sie meine Kinder fragen! Ich bemühe mich natürlich ein Vorbild zu sein, aber das wird mir sicherlich nicht immer gelingen. Eigentlich weiß man erst viele Jahre später, ob das, was man den Kindern vorgelebt hat, auf fruchtbaren Boden gefallen ist in dem Sinne, dass sie es nachahmen oder völlig ablehnen. Ich versuche, ihnen Respekt vor anderen Menschen zu vermitteln, Neugierde auf neue Situationen oder Freude an der eigenen Leistung. Ein weniger gutes Vorbild bin ich wahrscheinlich in Sachen Geduld: Ich bin relativ ungeduldig und nach einem langen Arbeitstag mitunter zu abgespannt, um noch geduldig zu sein.
Sie sind jung Mutter geworden – heute gehören junge Mütter gerade in unserer Region immer mehr den bildungsfernen Haushalten an, wie sehr wurmt Sie das?
Als mein ältester Sohn geboren wurde, war ich 29 Jahre alt, das ist eigentlich nicht so jung, das ist eher Durchschnitt. Junge Mütter, bildungsferne Haushalte? Das ist doch kein Automatismus. Da verstehe ich Ihre Frage nicht.
Wer als Mutter in Deutschland mit mehr als vier Kindern auf die Straße (oder Einkaufen) geht, wird nicht selten abwertend betrachtet. Nehmen Sie so etwas auch wahr?
Ich kenne das: Schon wer mit drei Kindern unterwegs ist, wird skeptisch bestaunt, das ist fast schon eine Art Spießrutenlaufen. Meine Kinder machen sich mittlerweile einen Spaß daraus: Wenn wir mal alle gemeinsam unterwegs sind, schauen sie sich hinterher an und sagen: „Guck mal, der hat wieder gezählt.“ Manche Menschen auf der Straße fragen auch ganz unverschämt „Sind das alle Ihre? Alle vom gleichen Mann? Wirklich? Unglaublich!“. Das muss man schon mit sehr viel Humor nehmen. Ich merke immer wieder, dass Deutschland sehr kinderentwöhnt ist und die Deutschen nicht mehr gewöhnt sind, viele Kinder zu sehen. Das ist doch traurig. Deshalb freue ich mich auch immer, wenn ich große Familien sehe. Das ist fast wie in den Spiegel schauen.
Warum sollten sich junge Frauen trotz aller gesellschaftlichen Hürden dafür entscheiden, früh Mutter zu werden?
Jede Frau muss selber herausfinden, wann für sie der richtige Zeitpunkt ist, ein Kind zur Welt zu bringen. Ich finde es nicht schlecht, früh Mutter zu werden. Denn die Möglichkeit, Studium oder Ausbildung und Kind zu verbinden, ist heute viel besser als in meiner Generation. Als junge Mutter sieht man zudem viele Probleme nicht, die man als ältere Mutter entdeckt. Man ist ja selbst noch am Start in die Ausbildung oder ins Berufsleben. Und bis man wirklich im Beruf durchstartet, ist das Kind auch schon fast groß. Genauso gibt es auch Vorteile bei einer späten Mutterschaft. Man kann das Kind sehr viel intensiver wahrnehmen und genießen als eine junge Mutter.
Zum Abschluss: Wenn Ihnen ein gute Fee drei Wünsche gäbe, welche wären das?
Zuallererst würde ich mir wünschen, dass alle Kinder ein Elternhaus haben, in dem sie sich geborgen fühlen, wo sie geliebt und gefördert werden. Dann würde ich mir wünschen, dass alle Kinder gemeinsam in eine Schule gehen, nur gute Lehrer haben und sich jedes Kind optimal entfalten kann, wie es seinen Anlagen entspricht. Und drittens, dass es zu einem glücklichen Menschen heranwachsen kann in einer friedlichen und toleranten Welt.
Die lausebande dankt Frau Ministerin Dr. Martina Münch für das ausführliche Interview und interessante Einblicke in ihre Großfamilie.