Im April bin ich vom Bürohengst zum bekanntesten Seebären am Scharmützelsee geworden. Schuld war ein Familienausflug und wieder einmal mein väterlicher Großmut, wenigstens bei Freizeitunternehmungen das Chefchen unserer kleinen Sippe heraushängen zu lassen.
Alles begann mit den ersten sonnigen Tagen im April und meinem heldenhaften Vorschlag, spontan ein Wochenende an den See zu fahren. ich hatte ein super Appartment organisiert, mit Blick auf den See, gelegen an einem kleinen Hafen samt Bootsverleih direkt am Seeufer. Als wir das erste mal am Ufer lang spazierten, tuckerte gerade eine Familie mit einem Motorboot los, und das Söhnchen übernahm sogar das Steuer. Mein Junior bekam große Augen und wollte auch sofort in See stechen. Während meine bessere Hälfte eher skeptisch dreinschaute, erwachte Indiana Jones in mir. Klar, machen wir, das größte Motorboot ist uneres. Tatsächlich durfte man die Motorboote ohne Führerschein fahren. Eine kurze Einweisung vom Chef des Bootsverleihs, mit Hinweis auf Notrufnummer und eine Box mit einem Paddel, falls der Motor mal ausfällt, schreckte uns nicht ab. Frauchen blieb mit unserem Vierbeiner am Ufer, während ich mit den Kids in See stach. Mein Junior übernahm nach der Hafenausfahrt das Steuer und düste quer über den See, nach einer halben Stunde waren wir am anderen Ende angelangt und schauten uns die schicken Villen am Seeufer an. Da so ein Motorboot aber auch einen stolzen Stundenpreis hatte, übernahm ich dann irgendwann das Steuer und wollte schurstracks wieder zurück. Ganz Mann zog ich ein paar scharfe Kurven und Furchen ins Wasser, meine Kids jauchzten – und plötzlich soff der Motor ab. Nix ging mehr, bei zig Startversuchen verstummte das Teil nach einem kurzen Röhren wieder. Verdammt. Bei der Einweisung hatte uns der Hafenkäptn auf die Notrufnummer hingewiesen, die groß unterm Steuer prangte. „Wenn der Motor mal absäuft und nicht mehr geht, einfach durchrufen, dann hole ich euch ab.“ Und mein Handy war in dem Rucksack, der bei Frau und Hund zurückgeblieben war. Wir waren allein auf See – und Papa war schuld. Mein Junior lehnte sich zurück und sagte mit einem Blick auf die kleine Box „Papa, na dann viel Spaß beim Paddeln“. Das Paddel war winzig. Schon nach 5 Minuten war ich durchgeschwitzt. Wir paddelten am Ufer entlang, als auf einmal zwei Schwäne aus dem Schilf geschossen kamen, man waren die schnell. Ich hatte uns mitten in ein Brutgebiet navigiert. Wie im Comic rotierte ich mit dem viel zu kurzen Paddel auf der Flucht vor den bedrohlich wirkenden Schwänen, angefeuert von meinen beiden Kids. Ausgerechnet in diesem Moment passierte uns ein Fahrgastsschiff mit reichlich Asiaten an Bord, die sofort ihre Kameras zückten und den Hochleistungspaddler im Motorboot für eine Kuriosität hielten. Das gesamte Oberdeck applaudierte und feuerte mich an. Die Schwäne ließen vom Spektakel verwirrt schließlich von uns ab.
Nach drei Stunden paddeln waren wir wieder zurück am Hafen. Zu allem Übel gab es noch eine Strafzahlung, weil das Boot eigentlich schon seit zwei Stunden für andere Gäste reserviert war. Mein Junior handelte aber mit dem Spruch „Wir haben doch gar kein Benzin verbraucht, das hat doch unser cleverer Papa übernommen“ noch 10 Euro Nachlass aus. Ich schleppte mich mit Gummiarmen ins Appartment. Das Wochenende war gelaufen.
Bis wir am nächsten Tag zum Frühstück ins Café der Feriensiedlung einliefen und der ganze Saal jubelte. Offensichtlich hatte jemand vom Oberdeck des Fahrgastschiffes ein Video im Web hochgeladen, Titel: „Auf Schwanenflucht“. Über Nacht gab es mehr als 100.000 Klicks und die Feriensiedlung landete im RTL Morgenmagazin. Der Kollege vom ausgebuchten Bootsverleih empfing mich später wie einen guten Freund und stellte unserer Familie einen ganzen Tag kostenfrei ein Tretboot zur Verfügung – mit der Form eines weißen Schwans. Die Passanten zückten wieder die Kameras und für meine Kids war ich plötzlich der große Held und Seebär.
Euer lausitzDADDY