Im November habe ich mir bei einem Ausflug als Superpädagoge einmal mehr ein blaues Auge in Sachen Familienkommunikation geholt. Alles begann, als ich meine Tochter beim Nachrichtenschauen etwas barsch zur Ruhe rief, weil ich die aktuellen Ergebnisse der Jamaika-Sondierungen nicht verpassen wollte. Meine Kleine war natürlich eingeschnappt und fragte, was denn wichtiger als ihre „Schultagesnachrichten“ sei. Daraufhin erklärte ich ihr, worum es bei den Jamaika-Sondierungen und der evtl. folgenden Regierungskoalition geht. Natürlich wurde das wieder zu einem Auftritt für den Superpädagogen in mir. Mit klugem Blick erklärte ich ihr, das sei fast wie in einer guten Familie. Da möchte auch jeder Vieles für sich, man muss sich dann aber im Zusammenleben auf gemeinsame Regeln einigen und jeder macht dabei etwas Abstriche von seinen Wünschen, und trotzdem wird man allen bestmöglich gerecht. So, wie wir immer den Urlaub besprechen und dann gemeinsam entscheiden, wo es hin geht. Nur das es bei den Sondierungen zur Regierung eben die Parteien statt der Familienmitglieder sind und dass es um etwas viel Größeres geht – und deshalb wollte der Papa das auch hööööören!
Meine Kleine blickt mich mit genauso klugen Augen an. „Papa, ich habe das gehöööört. Und auch verstaaanden! Dann machen wir jetzt eine Sondierung zu unserem neuen Auto.“ Verdammt, wir hatten uns seit Tagen über die Neuanschaffung eines Zweitautos unterhalten und ich hatte das zur Chefsache erklärt. Nach der Sondierungsforderung herrschte im Wohnzimmer absolute Stille – meine bessere Hälfte erwiderte meinen hilfesuchenden Blick mit diesem amüsierten Das-hast-du-dir-feinselbst-eingebrockt-Blick. Was, den kennen sie auch? Mein Junior hingegen stimmte nach der Ruhepause gleich ein und wollte als Juniorpartei bei den Sondierungen mit am Tisch sitzen.
Es half nichts, Familienkanzler Papa lud die drei weiteren Parteien zur großen Autosondierung an den Sofatisch. Nach drei Abenden hatte ich ein großes Mitgefühl zu den Berliner Jamaika-Insulanern aufgebaut. So eine Sondierung ist ein echter Knochenjob. Meine Kleine hatte als unumstößliche Forderung auf der Liste: das Auto muss niedlich sein und runde Augen haben. Bei der Farbe pink hatte ich sie nach drei Tagen mit Zugeständnissen an ein Jahr Hoheit über das Musikprogramm im Auto weichgeklopft. Unser Junior hingegen wollte den geplanten Kleinwagen zum digitalen Supergefährt aufmotzen. Digitale Bildschirme, W-LAN, umlaufendes LED-Tuning im Innenraum und irgendwo hatte er auch eine unter die Rücksitzbank integrierte Spielekonsole gesehen. Außerdem malte er eine Skizze mit Spoilern, die mehr an einen Formel 1-Boliden denn an den geplanten, kleinen Zweitwagen erinnerte. Meine bessere Hälfte wollte Qualität mit guter Wirtschaftlichkeit und einem guten Wiederverkaufswert – und bei mir fiel ein praktisch orientiertes Modell nach dem anderen durch.
Am fünften Tag unserer Sondierungen wurde in Berlin das Scheitern von Jamaika bekanntgegeben. Meine Kleine war vollkommen baff und sah schon ihr Rundes-Augen-Auto in Gefahr. Ich druckte mir im Arbeitszimmer ein Merkel-Porträt aus und bastelte daraus eine Maske. Im Bunde mit Super-Angie führte ich die Sondierungen mit der Drohgebärde des Berliner Scheiterns noch am selben Abend zu Ende. Zum Glück fuhr nach den Nachrichten unser Kompromiss durch den Werbeblock. Ein niedlicher Mini mit runden Augen, Spoiler, cooler Technik (für den Junior) und solidem Werterhalt. Alle jubelten. Beim Blick auf den Preis wurde mir bei der Bestellung am Folgetag dann doch etwas anders. Aber so ist das in einer guten Familienkoalition. Dann geht es nächsten Sommer eben doch nicht nach Jamaika, sondern nach Zingst. Ein bisschen Scheitern gehört eben immer zum Erfolg, auch bei Superpädagogen.
Euer LausitzDADDY