Dragqueen Hansgeorg Lacki

Datum: Dienstag, 02. Oktober 2018 11:12


Seit diesem Monat bin ich in der lokalen Schwulencommunity nur noch als „Lacki“ bekannt. Wie ein vierfacher Daddy zu einem solchen Image kommt, ist schon verwunderlich. Sie ahnen aber sicher schon, dass einmal mehr meine Kids ihre Finger im Spiel hatten. Das mit den Fingern stimmt diesmal im wörtlichen Sinn. Meine Kleine (jetzt fängt Madame allerdings schon an, mit den Augen zu rollen, wenn ich „Kleine“ sage) hat bunte Fingernägel für sich entdeckt. Mit zwölf Jahren geht es im ICE-Tempo in die Pubertät und damit auch in das uns Männern ferne Imperium aus Strass und Style. Sicher ist mir aufgefallen, dass sich im letzten Jahrzehnt Nagelstudios als Invasion aus Fernost fast jeden Straßenzug erobert haben. Aber ich hatte echt kein Bild, dass dieser Trend auch bei Mädchen mit Millionen Lacksorten, Aufklebern, Schmucksteinchen und unzähligem Minikrams für Mini-Nägel eingeschlagen ist. Bis meine Tochter von den letzten Shoppingausflügen genau jenes bunt schillernde Universum zu uns nach Hause transformierte. Jeden dritten Tag musste meine bessere Hälfte nun zehn neue Kunstwerke schaffen. Einfach nur Farbe ist ja heute total uncool. Da müssen in einem komplizierten System verschiedene Farben übereinander aufgetragen werden und dann noch echt stylische Verzierungen zur Abrundung her. Nach zwei Monaten hatte meine bessere Hälfte den Kanal voll. Leider erlaubte ich mir genau da den falschen Scherz. Ich hatte ein großes Schild „Lackierwerkstatt, 24 hours open“ an die Tür gebaumelt. Meine Ladys fanden das überhaupt nicht witzig und einigten sich schnell, dass die kleine Lady das Verbunten der Nägel jetzt selbst in die Finger nehmen sollte – und zum Üben musste natürlich meinereins die Hände stillhalten. Fortan bekam ich jeden zweiten Tag einen neuen Anstrich, den ich abschließend mit geheimnisvollen Substanzen wieder entfernen durfte. Und meine Kleine wurde tatsächlich immer besser.

Als ich an einem Abend länger arbeiten musste, wurde die Lackierstunde mit Superdaddy kurzerhand auf den nächsten Morgen verschoben. Meine Kleine stellte sich zum ersten Mal einen Wecker und stand tatsächlich eine halbe Stunde früher auf. Gleich nach Frühstück und Zähneputzen wurde lackiert und dekoriert, was das inzwischen voll ausgestattete Nagelstudio hergab. Wir vergaßen völlig die Zeit, als meine bessere Hälfte uns aufscheuchte, weil ich unsere Designerin zur Schule bringen musste. Die gab mir ein Fläschchen mit, damit ich den Lack wieder abbekomme – und los ging`s.

Im Büro angekommen, hatte ich einen morgendlichen Kundentermin ganz verschwitzt. In zehn Minuten musste ich am anderen Ende der Stadt sein. Ich rannte aufs Firmenklo und schrubbte die Fingernägel mit der Flüssigkeit aus dem Fläschchen. Wie sich schnell herausstellte, hatte mein kleines Biest mir eine Flasche mit Wasser mitgegeben. So düste ich mit glamourösen Fingernägeln los – und es ging ausgerechnet um ein Genderprojekt einer größeren Firma. Am Tisch saßen neben dem Geschäftsführer zwei schwule Männer und zwei Emanzen. Letztere schauten sofort mit strafenden Blicken auf meine zehn Lackwunder, sodass ich mich gleich erklärte. Daraufhin murmelten sie was von althergebrachten Rollen, falscher Sozialisierung ... während Hans und Georg, so hießen tatsächlich die männlichen Gegenparts, das „irgendwie total süß“ fanden. So drehte sich das Gespräch auf einmal nur noch um Fingernägel und Lack – woraus letztendlich auch die Idee zur Gender-Kampagne der Firma entstand: Diversity anhand unterschiedlich lackierter Fingernägel zu zeigen. Dazu wurden meine Hände als Prototyp abfotografiert. Wow, was für ein großer Wurf. Einen Tag später rief mich ein Freund an, dass meine Hände samt Story inzwischen überregional in der Schwulencommunity Respekt finden. Unter #Lacki ist zu lesen, wie knuffig das ist ... und wie immer in dieser Community, dass ich irgendwie garantiert schwul sei und es nur noch nicht wisse. Die Rache meiner Ladys ließ auch nicht lange auf sich warten. Zuhause prangt jetzt ein Schild: „Dragqueen Hansgeorg Lacki“.

Euer lausitzDADDY