Diesmal muss ich leider mit einem echten Ekelthema um die Ecke kommen. Etwas, das kollektiv alle Frauen hassen. Das dachte ich zumindest bis zum vergangenen Monat, als meine kleine Miss Oberschlau mein gut gemeintes Heldentum für die Rettung unserer heimischen Wohlfühlatmosphäre torpedierte. Der Gegenstand unserer Debatte war denkbar winzig. Es handelte sich um Fruchtfliegen. Auf einmal waren diese fiesen roten Winzlinge unter uns. Zuerst nur ein bis zwei, dann war mal wieder Ruhe, dann attackierten sie unsere Küche in der Formation eines Footballteams. Mit einer dummdreisten Offense, die mich beim morgendlichen Zubereiten der Gemüsedosen für die Kids umschwirrte und zwischen meinen Händen zerklatscht wurde – und einer magischen Defense, die sich hinterhältig in dunklen Ecken versteckte, kurz durchs Bild rauschte, und nach einem Lufthaken meinerseits ad hoc unsichtbar wurde und sich wieder in einer dunklen Ecke niederließ. Trotz tapferen Luftkämpfen tauchte jeden Morgen ein neues Dutzend fliegender Rotaugen auf. Meine bessere Hälfte, die weltweit führend in der Haushaltshygiene ist, verzweifelte. Alles war sauber, nirgends konnte etwas gären, Biomüll landete sofort draußen in der Tonne. Ich solle doch endlich etwas unternehmen. Also recherchierte ich und stellte fest, dass man die Plagegeister meist vom Supermarkt einschleppt. Wer gesund und viel Gemüse isst, der kann das nicht vermeiden. Und im Spätsommer sei die Wahrscheinlichkeit besonders groß. Es gäbe aber gute Mittel dagegen.
Einen Tag später traf per Eilbestellung ein großes Paket ein. Fünf Fruchtfliegenlebendfallen reihten sich an ein Schüsselbataillon mit Bautzner Apfelessig und als Endgegner hatte ich einen hypermodernen, elektrischen Fruchtfliegen-Vernichter mit magischem blauen Licht und einem Grillgitter drumherum geordert. Pah, mit Superdaddy legt sich niemand an, rief ich lauthals aus der Küche und hatte mir auf ein altes Arbeitsshirt mit einem Edding „Mr. Flymaster“ aufgepinselt. Als meine Kleine in die Küche eilte, zischte es gerade leise am Gitter des Fruchtfliegen-Elektrogrills.
Meine Kleine hielt mich wohl für vollends durchgeknallt, aber als ich ihr meinen heldenhaften Einsatz erklärte, schlug ihre Stimmung plötzlich in pure Wut um. Ob ich garnicht wisse, was für intelligente und nützliche Tiere das seien? Miss Superschlau hatte im Biounterricht an der falschen Stelle die Hand gehoben und schrieb gerade einen Vortrag über die Drosophila melanogaster. Die was? Sehen Sie, das habe ich mich auch gefragt. So heißt Fruchtfliege auf wissenschaftlich. Und dann folgte der Vortrag: Die kleinen Flugmeister gelten als perfekter Modellorganismus, sie können mit ihrem exzellenten Geruchssinn Krebszellen erkennen und sie sind in ihrer Genetik dem Menschen sehr ähnlich. Zweifelnd blickte ich an mir herunter. Ich brauche mich garnicht lustig machen, Forschungen an der Drosophila melanogaster hätten schon zu 5 Nobelpreisen geführt, während ich immer noch stolz meine Urkunde als Erstplatzierter beim Familienbowling auf dem Arbeitstisch präsentiere.
So ging der Vortrag lückenlos knappe 15 Minuten. Danach kam ich mir vor wie der amerikanische Aggressor, der gerade den Dschungel in Vietnam napalmisiert hat. Stillschweigend rüstete ich die Küche ab und fragte mich, wie ich nun zwischen den Interessen der kleinen und der großen Miss verhandeln könne. Sie erkennen sicher die ausweglose Lage, schlimmer kann es kaum kommen. Ich sah meine bessere Hälfte schon mit den Augen rollen: „da gibt es einmal eine Aufgabe“ ... in diesem Moment rief die beste Freundin meiner Kleinen an. Man solle sich vorstellen, ihr Vater hätte eine Kakerlake im Keller einfach zertrampelt. Diese hochintelligenten, sozialen Wesen, an denen Wissenschaftler Hypothesen der Sozialökologie untersuchen. Mir wurde wieder etwas warm ums Herz, es hätte also auch schlimmer kommen können.
Euer lausitzDADDY