Wie so viele Familien waren auch wir in diesem Sommer auf Heimaturlaub. Zum Glück landet man in der Lausitz fast von jedem Ausgangsort binnen zehn Autominuten an einem Badesee. Im Grunde könnte man hier jeden Ferientag an einem anderen See oder Gewässer verbringen. Wir haben allerdings vor Jahren unseren Familien-Lieblingssee entdeckt und schwören seitdem auf unser privates Badeparadies. Eine gute halbe Stunde Autofahrt nehmen wir für diesen nostalgischen Ausflug gern in Kauf – und haben uns in den Natursee mit kleinem Strand und Buchten für Angler verliebt. Abgesehen von ein paar Touris, die in nahegelegenen Pensionen übernachten und den „Geheimtipp“ von ihren Gastgebern erhalten, ist man hier mit Einheimischen allein in einem bunten Generationenmix und familiärer Atmosphäre, die an die Naturbelassenheit und Ungezwungenheit einstiger Ostzeiten erinnern. Das Highlight ist eine Affenschaukel, die vom Strand aus gesehen 300 Meter Luftlinie quer über den See am seitlichen Ufer von einer alten Kiefer baumelt und zu wilden Sprüngen ins Wasser einlädt. Man kann auf ein kleines Gerüst klettern, muss den Holzgriff am langen Seil fest umklammern und schwingt dann vom Ufer über den See und lässt sich je nach Schwung aus einigen Metern Höhe ins Wasser plautzen. Bei jedem Badeausflug paddeln wir mindestens drei Mal mit unseren SUP-Boards zur Affenschaukel, die Kinder lieben es und auch wir Großen mutieren zu Tarzan und Jane: Aaaaahhhh uohuoh ouh-ouh. Es ist eine stressfreie Sommeridylle ohne Schaulaufen am Strand oder auf der Strandpromenade.
Bis Familie Baywatch aus Nobelshausen anreiste. Am Ende der Ferien drang nämlich eine Bilderbuchfamilie aus Bayern in unser Refugium ein, scheinbar einem Katalog für Bademoden entsprungen. Meine Tochter zeigte auf den durchtrainierten Familienvater und blickte dann auf mein „Streuselkuchen-Sixpack“, wie sie die kleine Wohlstandspartie in meiner Körpermitte mit klarem Ursachenhinweis liebevoll nannte. Sowohl mein Junior als auch meine Kleine staunten nicht schlecht, als der Rivale kurze Zeit später mit einem Kraulsprint den See überquerte, sich mit der Affenschaukel über den See schwang und vor dem Eintauchen auch noch einen Salto vollzog. Booaah, Papa guck mal! Dann vergaben sie auch noch Noten und steckten unsere Nachbarn ringsum damit an. Schließlich, wegen einer meist nicht ganz sauberen Eintauchphase, ging der Rivale mit einer 10 für den Anspruch in der A-Note und einer 9 für die künstlerische Darbietung in der B-Note als vermeintlich unschlagbarer Athlet in die Jurywertung ein. Ich sah den Respekt in den Augen meiner Kinder. Da erwachte Tarzan in mir, ich musste mein Revier zurückerobern. Mit eingezogenem Bauch sprang ich zum SUP-Board und stach in See. Mein Paddel wurde zum Dreizack, wie Poseidon durchpflügte ich die Wellen und war im Nu bei der Affenschaukel. Nach zwei Probesprüngen setzte ich zum Wertungssprung an, stieß mich vom Gerüst ab, löste mich genau am höchsten Punkt mit viel Schwung vom Griff, breitete die Arme wie ein Albatros aus und tauchte wie ein Klippenspringer von Acapulco mit exakter Körperspannung ins Wasser ein. Wie ein Torpedo, stromlinienförmig, kein Wasser spritzte. Als ich wieder auftauchte, sah ich in der Ferne Junior und Töchterchen jubeln. Erst als ich zum Ufer zurückschwamm, bemerkte ich ein seltenes Gefühl von Freiheit. Meine Badehose war weg und in den Untiefen verschwunden. Ich sah den Triumph dahinschwinden, als nacktes Elend und Strandschreck auf dem SUP-Board. Zum Glück erinnerte ich mich an Baywatch, legte mich flach aufs Board und paddelte wie einst David Hasselhoff durch die Fluten. Vorm Strand stieg ich rechtzeitig ab, hielt das Board dann quer vor meine Körpermitte und ging so um die Liegeflächen herum. Ausgerechnet in diesem Moment kam von hinten eine Großfamilie frisch an den Strand gedackelt und deren Töchterchen rief: Iiihh, Mama, guck mal ein Nackter! Vor Schreck drehte ich mich um, stolperte rückwärts über eine Wurzel und landete auf dem Rücken, mit hochrotem Kopf, beiderseits erstreckte sich über mir das SUP-Board wie die Flügel eines gestrandeten Rieseninsekts. Ich sah mich als oberpeinliche Nummer in die Strandgeschichte eingehen. Doch dann kam meine Kleine. Sie sprang auf, betrachtete mich von oben und rief: Wow. Eine Libelle! Das ist hohe Kunst und gibt in der B-Note eine 10. Der Strand applaudierte und die Kids der Baywatch-Familie schauten respektvoll zum Libellenmann herüber. Mein Revier. Aaaaahhhh uohuoh ouh-ouh.
Euer lausitzDADDY