Nach unserem Herbsturlaub weiß ich endlich, warum der Brocken Brocken heißt. Ja, es geht um jenen Berg im Harz. Im Coronajahr tauscht man den Urlaub an fernen Stränden ja gern gegen die hüglige Sicherheit in der Nähe. Mehr als eine Hügelkette war der Harz für mich als Österreich-Fan bislang nicht. Jetzt weiß ich aber, warum Brocken in einer weiteren Wortdeutung ebenso „etwas Schweres“ oder „besonders Aufwändiges“ umschreibt.
Unser erster Harzbesuch in Familie führte uns zu einer entfernten Verwandtschaft. Einer richtigen Sportfamilie, wie meine bessere Hälfte mit Blick auf die unter meinem Shirt heranwachsende Büro-Wohlstandsschwangerschaft bemerkte. Als ihr sportiver Cousin, im Puma-Anzug schon symbolisch ständig sprungbereit, auf meine Frage nach Wandertouren „fürs Erste“ eine zweistündige Anfängertour heraussuchte, schaltete ich sofort auf Wettkampf. Auf dem Bild zur Wandertour war eine Familie mit Kleinkindern zu sehen. Auf der Nebenseite wanderten zwei urige Bartmänner hingegen die steile Natur-Tour auf den Brocken. Ich schnappte meinen Junior, tippte auf die Nebenseite und verkündete, dass Reinhold Messner und sein Sherpa vom Berg gerufen werden. Unter dieser Natur-Brockentour machen wir es nicht. Und wir fangen ganz unten am Fuß des „Kolosses“ an. Ich hatte gesehen, dass die Brockentour gerade einmal knappe 12 Kilometer misst – eine Strecke, mit der man als Flachlandpilot aus der Niederlausitz einen gemütlichen Spaziergang verbindet. Da könnten wir auf der anderen Seite glatt auch bis zum nächsten Örtchen wieder bergab wandern, tönte ich. Insgesamt 22 Kilometer, das ist eine Challenge für Männer! Der Puma staunte, mein Junior zweifelte, allein ich fühlte den Berg.
Am nächsten Tag ging es zur „Steinernen Rinne“ am Fuß des Brockens, schlappe 700 Höhenmeter trennten uns vom Gipfel. Die Tour führte über die beschwerlichen Naturpfade und Abkürzungen. Passend zur Steinernen Rinne verkündete ich meinem Junior meine Bergsteiger-Weisheit: Der Acker im Herzen eines Mannes ist steiniger! Dann stürmten wir zum Gipfel, zumindest eine Stunde lang. Nach einer Stunde war nicht mal ein Drittel absolviert und der vermeintliche Reinhold Messner schwitzte so sehr, dass ich unter meinen Achseln problemlos einen Meßmer Tee hätte aufbrühen können. Dann folgte auch noch ein Hürdenlauf für Highlander. An einem langen Waldhang hatte der Borkenkäfer die Fichten mürbe gemacht und sie waren in den vergangenen Jahren wie ein Mikado-Spiel wirr übereinander gepurzelt. Zwei Dutzend mal mussten wir mehr Klettern und Steigen als Wandern. Während mein Junior leichtfüßig über die Barrieren hüpfte, wünschte ich mir ein bisschen mehr Puma in meine Wanderschuhe.
Nach vier Stunden erreichten wir den Gipfel, mein Junior machte sich längst über den Bergrentner an seiner Seite lustig. Mein Wandertempo würde ziemlich genau der Geschwindigkeit eines landwatschelnden Eselspinguins entsprechen. Und ich Esel hatte kein Geld für die Brockenbahn mitgenommen, sodass wir tatsächlich zehn Kilometer bergab wandern mussten. Nach zwei weiteren Stunden endete das Martyrium im Tal nebenan. Meine Knie schmerzten für die folgende Woche, an der Hacke füllte sich eine riesige Blase mit Wundwasser – der Wanderurlaub war schon am ersten Tag im wahrsten Wortsinn gelaufen. Als der hochtönende Brockenbezwinger aus der Lausitz ins Feriendomizil schlich, kamen die Ladys gerade wohl duftend vom Einkaufsbummel zurück. Natürlich hatten sie schon vorher geahnt, dass Superdaddy sich völlig übernimmt. Sie hatten mir ein riesiges Lebkuchenherz mitgebracht und jubelten: Ein Vater wie ein Brocken! „Für unseren Brocken“ stand groß auf dem Herz, und klein darunter eine weitere Duden-Defintion: Brocken = unregelmäßig geformtes, häufig abgebrochenes Stück. Passt doch, waren sich alle bis zum Puma hin einig. Und meine Tochter vefasste für den Deutschunterricht gleich ihr „größtes Urlaubserlebnis“. Titel: Von Reinhold Messner zum bröckelnden Häufchen. Das hab ich mir wohl selbst eingebrockt ;)
Euer lausitzDADDY