Mein Junior startet demnächst seine Fahrschule und bevor er überhaupt ans Gaspedal durfte, wurde ich schon sein erstes Verkehrsopfer. Mit offenem Schädel, wild blutend, scheinbar der Opfersequenz einer True Crime-Serie entsprungen. Unter #Lockdownopfer sogar als virale Inszenierung. Und alles nur, weil der Herr Superpädagoge in mir sich einmal mehr vor dem flaumbärtigen Junior wichtig machen wollte.
Es begann in der ersten Januarwoche mit einem Besuch unseres Versicherungsmaklers. In Zeiten der Kontaktbeschränkung und Umsatzeinbrüche schaut man natürlich, was man alles über Bord werfen kann. Beim Blick auf die Autoversicherung und unseren Junior, der sich zum 18. Geburtstag Fahrschule und Führerschein wünscht, brach dann plötzlich Hektik aus. Es gibt nämlich enormes Sparpotenzial, wenn er schon mit 17 den Führerschein in den Händen hält und als Mitfahrer in die Versicherung eingetragen wird. Drei Monate Zeit blieben uns. Mein Junior sollte sich kümmern. Wer wie die Großen Auto fahren will, der kann sich auch selbst mal ins Zeug legen, sagte ich mit wichtiger Miene. Das machte er auch und am nächsten Tag lag ein Angebot für den wahrscheinlich teuersten Luxus-Führerschein Deutschlands auf meinem Tisch. Mit Theorie per eigener App und einer Vorpraxisphase im hauseigenen Video-Simulationscockpit. Da fehlt ja nur noch der Windkanal und ein Überschlagtraining in Schwerelosigkeit, murrte ich. Wer zahlen will wie die Kleinen, der muss sich selbst ins Zeug legen, murrte Junior zurück. Ich hängte mich sofort in die Leitung, holte ein Dutzend Angebote ein und machte eine Fahrschule klar. Zum halben Preis, trötete ich durchs Haus. Wir leben ja in der Pandemie und nicht im Scharaffenland. Jetzt brauchte es nur noch fix einen Erste-Hilfe-Kurs. Nach vier Stunden Recherche und endlosen Telefonschleifen die Ernüchterung: Offensichtlich waren die Kurse entweder ausgebucht oder wegen Lockdown und Kontaktbeschränkungen ausgesetzt. Aber ich wäre ja nicht Deutschlands Superdaddy, wenn mir da nichts einfiele. Ich fuhr ins Büro und stellte die Weihnachtspräsente zusammen, die noch überlebt hatten: Schokolade, Pralinen, Gin, Wein ... meine delikate Sammlung machte sich mit dem Spruch „Suche Erste Hilfe, biete Rausch“ auf den Weg durch den Freundes- und Bekanntenkreis. Zwei Stunden später hatte ich einen Extraplatz in einem Erste Hilfe Kurs nur zwei Tage später, eine Auffrischung für dickbäuchige Trucker in der Spedition eines Bekannten. Ich solle meinen Junior vorbereiten, damit es nicht peinlich werde, dann würde er ausnahmsweise seinen Schein erhalten.
Sofort wurde die Familie zusammengetrommelt. Mit meiner besseren Hälfte kramte ich vergeblich in den Erinnerungen, was außer stabiler Seitenlage noch zur Ersten Hilfe gehört. Wussten Sie, das nur 14% der Deutschen ihre Kenntnisse in der Ersten Hilfe als ausreichend einschätzen? Ich gehöre definitiv zu den anderen 86%. Doktor Internet half und kurz danach stellten wir Unfallsituationen nach, ich spielte den brubbligen Einsatzleiter der Notrufzentrale und mimte diverse Opfer mit unterschiedlichsten Bewusstseinsstörungen. Das war die Stunde meiner Tochter. Mit einem Mix aus Erdbeer- und Schokosauce, Aschestaub aus dem Kamin, Karnevalsschminke und weiteren unergründlichen Zutaten machte sie sich über das Opfer her. Parallel hatte sie die Ergebnisse einer Bildersuche nach „The Walking Dead Zombies“ auf dem Smartphone. Einen Abend lang erweckte mein Junior Zombies zum Leben. Meine Kleine porträtierte das Wesen am Boden und erntete auf ihren Post „#Lockdownopfer, #Coronapsycho, #Zombiehilfe: mein Vater wird zum Pflegefall“ hundertfach virales Beileid. Ein Journalist schickte ihr sogar eine Nachricht, ob er die Story exklusiv bringen könne. Mein Junior kam dafür zwei Tage später stolz samt Erste-Hilfe-Schein nach Hause. Die Präsentation seiner Zombierettung auf der Leinwand habe jede Menge Respekt geerntet. Wenn der Zombie zur nächsten Schulung als Anschauungsopfer anwesend ist, gibts den Schein günstiger. Zum halben Preis, trötete er durchs Haus. Verdammt, vom Superdaddy zum Leihzombie, was für ein Absturz. Euer lausitzDADDY