„Eine Familienkarte gilt nur für 2 Erwachsene und 2 Kinder.“
„Ich bin aber eine Erwachsene und habe drei Kinder.“
„Dann gilt die Familienkarte nicht.“
Deutschland, im Jahr 2021. Das Land, in dem die Familiengröße DIN-gerecht festgelegt ist…
Ich löste für das Museum schließlich eine Erwachsenen- und drei Kinderkarten und bezahlte zehn Euro mehr als die Familienkarte gekostet hätte. Es ist ja nicht das einzige Beispiel für die Vorstellungen, die man über das zu haben scheint, was eine Familie ausmacht. Vater, Mutter, Kind. Maximal zwei Kinder. „Drei Kinder ist ja schon nicht mehr „normal“ und Alleinerziehend fällt völlig aus der Norm und an Regenbogenpaare oder Patchworkfamilien wollen wir gar nicht mal denken“, scheint die Auffassung zu sein, die dahinter steckt.
Tja.
Manchmal fragt man sich wirklich, ob man überall im 21. Jahrhundert angekommen ist. Familie ist bunt, Familie ist vielfältig. Familien können groß sein, können klein sein, Familien können eine Mutter haben oder einen Vater, zwei Mütter oder zwei Väter und auch die Anzahl der Kinder kann variieren von 1 bis X. Doch manchmal läuft man durch das Land und hat das Gefühl, als passe man als Alleinerziehende mit drei Kindern nicht wirklich ins Raster.
Ist ja auch kein Wunder, wenn man sich die Vorzeigefamilien anschaut, die einem von Werbeplakaten oder in der Fernsehwerbung entgegengrinsen. Mama, Papa, zwei Kinder, alle adrett, alle freundlich, alle mit sauberen Klamotten (schon allein das ist ja wohl sowas von an der Realität vorbei!). Papa macht lustige Kissenschlachten mit den Kindern oder schnitzt was aus Holz. Mama hat derweil die Küche in Schuss gebracht und serviert fröhlich lächelnd einen kleinen Snack für den gut gelaunten Rest der Familie. Die Kinder essen artig ihr Gemüse, kleckern nichts daneben und Wutanfälle sieht man auch nicht. Wieso auch, die Arbeitsplatte in der Werbeküche ist ja auch blitzeblank, da gibt es keinen Grund für einen Wutanfall.
Diversität Fehlanzeige. Jedenfalls in den meisten Fällen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Und natürlich gibt es auch Ausnahmen bei der Handhabung von Familienkarten. Aber es gibt eben immer noch viel zu viele Familienkarten, die für die „klassische Familie“ Vater-Mutter-2-Kinder gelten und für sonst nichts. Es gibt immer noch viel zu viele Werbeanzeigen, die die schöne heile Familienwelt abbilden, die sich irgendwelche kinderlosen Werbechefs vorstellen. In vielen Köpfen herrscht noch Stillstand.
Der Weg zu mehr Familienfreundlichkeit läuft nur über mehr Offenheit. Offenheit und Flexibilität – im Kopf und in der Handhabung der Maßstäbe für so etwas wie Familienkarten. Oder dem, was in einer Werbeanzeige als Vorzeigefamilie präsentiert wird. Es gibt noch viel zu tun.
Zur Autorin: Die Journalistin Nathalie Klüver, besser bekannt als „eine ganz normale Mama“, ist Mutter von 3 Kindern (3, 7 und 9 Jahre alt) und bloggt auf www.ganznormalemama.com über das Alltagschaos mit drei Kindern, Vereinbarkeit und familientaugliche Rezepte. Von ihr sind mehrere Bücher für Eltern erschienen.