Der Herr sitzt auf dem Sofa. Liest eine Zeitung. Die Dame würde auch gerne eine Zeitung in die Hand nehmen. Aber die Krümel unterm Esszimmertisch starren sie so vorwurfsvoll an. Seufzend greift sie zum Staubsauger, erbarmt sich, lässt die Zeitung Zeitung sein und dreht die Power vom Staubsauger voll auf. Je lauter desto besser! Rumms, haut der Staubsauger gegen das Tischbein. Rumms, das war das andere Tischbein. Zwei weitere Rumms folgen, eins lauter als das andere. Schränke, Wände, Stuhlbeine, es gibt noch viele weitere Rumms. Der Herr des Hauses zieht sich die Zeitung vors Gesicht und liest weiter. Wenig später. Sie sitzt endlich, liest Zeitung. Er ist genervt vom Geschirrstapel. Sie hat sich gedacht „ich hab gesaugt, jetzt bist du dran, ich mache jetzt nichts mehr". Er packt das Geschirr und wirft es in den Geschirrspüler. Ja. Er wirft. Klirr. Und noch mal Klirr. Es gibt viele Klirr-Geräusche, bis der Geschirrstapel im Geschirrspüler verschwunden ist. Kennt Ihr das? Dieses vorwurfsvolle extra laute Aufräumen und Putzen, das wir immer dann durchziehen, wenn wir eigentlich keine Lust haben und genervt sind, weil der oder die andere nicht hilft und grad das macht, was man selbst machen will? Eine Freundin hat es mal „das vorwurfsvolle Staubsaugen" genannt. Was stellvertretend für all diese unausgesprochenen, aber durch reichlich Krach geäußerten Vorwürfe steht, mit denen man zeigen will „hey, mach du doch auch mal was und hilf mir!"
Ich gestehe: Ich bin ziemlich gut darin. Und ich bin ziemlich schlecht darin, einfach mal zu sagen „kannst du die Wäsche aufhängen?". Dafür bin ich super darin, mit einem extra lauten Schnaufen die Wäsche aus der Waschmaschine zu ziehen und mit zahlreichen lauten Seufzern den Wäschekorb zur Wäscheleine zu tragen. Auch im extra laut schnaufend die Wäsche aufhängen bin ich äußerst talentiert. Ich bin auch ziemlich gut darin, mit extra lauter, durchaus als theatralisch zu bezeichnender Stimme meinen Kindern zu erklären, was ich alles erledigen muss, bevor ich mit ihnen spielen kann „ja, wir können gleich spielen, wenn ich die Einkäufe eingeräumt habe, den Müll rausgebracht habe, die Windel eurer Schwester gewechselt habe und mir endlich mal einen Kaffee gemacht habe". Besonders ausgeprägt ist mein Talent darin, bei der Aufzählung von Wort zu Wort lauter zu werden und die Schranktüren extra laut zuzuschmeißen.
Es ist furchtbar. Ich mag diese theatralische Frau und ihr vorwurfsvolles Staubsaugen nicht. Sie hat eine grässliche Keifstimme und diese Stirnfalten sind auch nicht zu ertragen.
Und trotzdem bin ich diese Frau. Immer wieder. Viel zu oft.
Begleitet wird das vorwurfsvolle Staubsaugen, Wäsche aufhängen und Geschirrspüler ausräumen von dem unsäglichen Aufrechnen. Wer macht wie viel, wer hat heute wie viel erledigt, wer macht mehr und wer macht weniger und wieso? Und ich kann euch sagen, die Frau mit der Keifstimme und dem lauten Staubsaugen ist dabei genauso ungerecht wie der Herr mit dem klirrenden Geschirr. Das, was der Partner oder die Partnerin erledigt, meist stillschweigend so nebenher, wird unter den Tisch fallen gelassen, in die Rechnung fließt nur ein, was er / sie nicht gemacht und man selbst übernommen hat.
Eigentlich ist es ja ganz einfach: Ein Aufgabenplan, auf dem alles aufgeschrieben ist. Jeder hat seinen Part. Auch die Kinder. Oder: Jeder macht das, was er sieht. Ohne zu meckern, ohne Vorwurf. Ohne es 20 mal zu erwähnen. Und es ist nichts dabei, den anderen zu bitten, mal schnell die Wäsche aufzuhängen. Auch nicht, wenn der Grund ist „ich will noch diese Zeitschrift lesen". Denn das nächste Mal ist es dann einfach umgekehrt. Wir sollten mehr miteinander sprechen, anstatt den Staubsauger sprechen zu lassen. Und die Keifstimme, die kann bleiben, wo der Pfeffer wächst!
Für diese lehrreiche und unterhaltsame Mama-Kolumne sorgt die Bloggerin und Buchautorin Nathalie Klüver.