Die Kolumne von Nathalie Klüver / www.ganznormalemama.com
Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann es eigentlich begonnen hat. Dieses „höher, schneller, weiter“-Spiel bei meinen Kindern. Ständig geht es darum, wer schneller ist, wer höher springen kann und wer weiter werfen kann. Der höhere Turm muss gebaut werden und am besten noch in der schnellsten Zeit. Dass der eine zwei Jahre jünger ist als der andere, wird dabei völlig ausgeblendet. Jeder Spaziergang wird zum Wettlauf, jeder Kletterbaum zur Herausforderung, jeder Stein zum Weitwurfcontest benutzt. Meine Kinder messen sich ständig und überall. Und sei es auch nur dabei, wer am lautesten schreien kann. Manchmal macht es mich wahnsinnig! Es ist ja nicht nur hier zuhause so, da könnte man es als gesunde Geschwisterrivalität abtun, Training fürs weitere Leben, Ihr wisst schon. Aber auch die Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter scheinen ständig in einem Wettbewerb untereinander zu stehen. Auf dem Schulhof und im Kindergarten sind sie ständig am Rangeln, am Raufen und Wettlaufen. Woher kommt das bei Kindern, dieses ständige sich Messen in irgendwas? Ich habe es meinen Kindern ja nicht anerzogen, ganz im Gegenteil.
Dieses sich Messen scheint tatsächlich angeboren zu sein – das haben auch mehrere Studien bestätigt und auch Psychologen sprechen davon, dass es ein ganz normaler Prozess in der Entwicklung des Kindes ist. Mit dem Wissen im Hinterkopf „es ist ganz normal und fördert sie in ihrer Entwicklung“ kann ich den ewigen Wettkämpfen ein wenig gelassener zuschauen. Auch wenn einen diese kleinen Wettkämpfe manchmal echt nerven kosten können. Denn da werden die scheinbar blödsinnigsten Dinge gemessen. Wer kann sich am längsten im Kreis drehen oder wer kann die größten Seifenblasen machen ist da ja noch das harmloseste. Wenn es darum geht, wer am lautesten Pupsgeräusche machen kann, dann gerate auch ich an meine Grenzen.
Noch blöder, wenn dann daraus auch noch handfeste Rangeleien entstehen und sie anfangen, sich umzuschubsen, weil „der hat mir die große Seifenblase kaputt gemacht“. Aus einem anfänglich harmlosen Wettstreit wird dann auf einmal eine echte Prügelei. So schnell kannste gar nicht gucken! Eben noch Friede, Freude, Eierkuchen. Und dann: Paff! geht die Schubserei los. Alles nur, weil der eine die Seifenblase des anderen kaputt gepiekst hat oder der andere dem einen beim „wer geht am weitesten mit geschlossenen Augen durch den Wald“ einen Schritt voraus war. Manchmal sind es solche Nonsensgründe, dass ich nur noch schreien könnte. Urplötzlich ist die gute Stimmung hin und statt zwei friedlich spielender Kinder hat man zwei Stänkerfritzen neben sich stehen. Nun ja. Mit viel Glück stehen sie da – meistens hauen und treten sie sich, begleitet von der entsprechenden Geräuschkulisse. Brüder halt!
Wann ich einschreite? Wie ich sagte, sobald jemand ernsthaft verletzt wird. Und wenn das Kräfteverhältnis arg unfair ist, einer von den Streithähne stark dominiert. Oder ein Kind wirklich nicht mehr will, es nicht mehr lustig findet, aber nicht weiß, wie es das als Spiel begonnene Raufen abbrechen soll. Wobei bis zum gewissen Grade müssen Kinder auch lernen, mit unfairem Wettbewerb umzugehen. Hey, so ist das Leben! Und besser sie lernen es im Spiel als später im Beruf, oder?!
Nun, ich gebe es zu, das theoretische Wissen ist schön und gut, aber mich bringen diese Wettkämpfe und Rangeleien meiner Kinder manchmal trotzdem echt zur Weißglut... ich meine, wieso zum Teufel kann man nicht einfach einen Turm bauen, ohne darüber zu wetteifern, wer die Bauklötze nun schneller stapelt als der andere?!
Mehr über das Thema, wie man Kinder entspannt beim Großwerden begleitet und auch im sonstigen Familienleben weniger Druck erlebt, hat die Autorin Nathalie Klüver in ihrem neuen Buch „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“ (Trias Verlag, 14,99 Euro) gewohnt undogmatisch zusammengefasst.