Wer Kinder hat, lebt nur bedingt nachhaltig – zumindest aus wirtschaftlicher und ökologischer Perspektive betrachtet. Ich vermute, unsere drei Kinder haben bis zum Trockenwerden mehr Windeln verbraucht, als in meinen Lieblingsdrogeriemarkt passen. Unsere Wohnfläche hat sich mal eben verdoppelt. Dafür haben wir mit der ersten Geburt das Fliegen eingestellt. Flugreisen haben wir bisher gemieden wie unsere Kinder die Küche, wenn es ums Geschirrspülereinräumen geht. Vielleicht gleicht das in etwa den CO2-Mehrverbrauch der Windeln aus. Dennoch leisten wir uns ein Mal im Jahr eine „große“ Reise. Das heißt bei uns wahlweise bis zur Ostsee oder gen Süddeutschland, wo wir unsere ausgewanderten Freunde besuchen. Das stellt uns vor zwei Herausforderungen. Erstens müssen wir unseren Kombi so geschickt packen, dass wir den Urlaubsbedarf für 14 Tage mal fünf Personen dort unterbekommen. Dabei nutzen wir neben dem geräumigen Kofferraum jede Ecke, inklusive des noch freien Fußraums unter den kurzen Kinderbeinen. Das Auto ist mit drei Kindern übrigens nicht viel voller als mit einem. Denn in den ersten Jahren schleppten wir je nach Ausstattung unserer Unterkunft noch Windeln, Kinderwagen, Bettgitter, Schlafsack und Töpfchen mit. Wenn wir vor der Abreise unser Auto packten, fragten die Nachbarn immer zum Spaß: „Na, zieht ihr um?“. Den Kleinkind-Klimbim brauchen wir nicht mehr, das Auto ist mit den Klamotten, Strandutensilien, Spielsachen und Büchern für zwei Wochen noch immer prall gefüllt.
Die zweite große Herausforderung ist die lange Autofahrt. Ganz gleich, ob es uns gen Norden oder gen Süden zieht, endlich am Urlaubsziel angekommen, zeigt der Zählerstand mindestens 500 Kilometer mehr an. Schon die Abfahrt bringt für uns Eltern die erste Challenge: drei Kinder samt Kindersitzen auf der vergleichsweise schmalen Rückbank anschnallen. Wenn es uns gelungen ist, alle Gurte zwischen den Sitzen durchzufädeln, brauchen wir schon Urlaub. Dieses Prozedere würde eindeutig dafür sprechen, ohne Pause bis zum Urlaubsziel durchzufahren. Dass dieses Ziel utopisch ist, wissen wir spätestens nach zwei Kilometern. Dann kommt zum ersten Mal die Frage: „Wann sind wir endlich da?“, wahlweise auch: „Dauerts noch lange?“. Hinter uns sitzen also drei gelangweilte Kinder, die sich wie Sardinen aneinander kuscheln müssen. Ich weiß von befreundeten Eltern, dass sie ihren Nachwuchs während langer Autofahrten einfach vor dem digitalen Babysitter parken.
Obwohl wir weder Fernseher noch Playstation besitzen und die Bildschirmzeiten konsequent begrenzen, finde ich das eine großartige Idee. Leider hat sich sehr früh und auf sehr unappetitliche Weise herausgestellt, dass eines unserer Kinder an Reiseübelkeit leidet. Wer selbst damit verflucht ist, weiß dass das einzig wirklich hilfreiche Gegenmittel der konsequente Blick auf die vor uns liegende Straße ist. Ein Tablet im Auto wäre daher kontraproduktiv. Also sind wir lieber kreativ. Ein Teil der Zeit lässt sich mit Hörbüchern überbrücken, wenngleich es immer wieder eine Herausforderung ist, Titel zu finden, auf die sich alle auf der Rücksitzbank versammelten Geschlechter und Altersgruppen einigen können. Zu meiner Freude landeten wir auf diese Weise tatsächlich einmal bei Gregs Tagebuch. Das hatte ich bisher nur im Bücherregal und im Bett unseres Großen liegen sehen. Ich habe das Buch nie gelesen, dessen Autor aber zutiefst dafür bewundert, dass er aus unserem Lesemuffel eine Leseratte gemacht hat. Nach dem Hörbuch war ich etwas entsetzt über die Parallelen von Hauptfigur Greg und unserem Großen. Aber ich fürchte, die waren schon vor der Lektüre da. Als Alternativen zu den Hörbüchern haben sich die Kids ein paar einfache Spiele ausgedacht, wie „Autofarben raten“: Jeder rät, welche Farbe das nächste uns entgegenkommende Auto hat. Für schwarz kann man einen Punkt bekommen, für rot drei, das steigert sich bis zehn Punkte für pink. Und wenn wir dann immer noch nicht am Ziel sind, hole ich die Geheimwaffe heraus, die im Gegensatz zum Tablet bei uns wunderbar funktioniert: Kekse. Ein Mal im Jahr dürfen die Kinder das Auto vollkrümeln. Das ist zumindest für meine Nerven nachhaltig.
Kolumne von Anett Linke, Redakteurin der lausebande