Bei der Namenswahl für unsere Kinder haben mein Mann und ich uns etwas schwer getan. Der Vorname sollte weder ein Sammelbegriff sein, noch ein Exot, er sollte zum Nachnamen passen, leicht zu schreiben sein und später auch den Kindern gefallen. Jedes Jahr ab Oktober frage ich mich, ob die Mühe der Namenswahl überhaupt gelohnt hat. Denn immer im Winterhalbjahr legen unsere Kinder ihren Vornamen ab und bekommen zwei neue: „Türzu!“ und „Lichtaus!“. Wir haben uns schon vor der Energiekrise eisern an die gängigen Energiespartipps gehalten. Und dazu gehören unter anderem eben das Schließen von Türen in der Heizperiode und das Ausschalten des Lichts, wenn man den Raum verlässt. Ich halte beide Regeln für sehr sinnvoll, aber für kaum vereinbar mit Kindern im Haus. Manchmal komme ich mir vor wie Sisyphos, der laut griechischer Mythologie einen schweren Stein immer wieder vergebens auf eine Bergkuppe gerollt hat, er rollte sogleich wieder zurück. Mir geht es ganz ähnlich. Noch bevor ich meine Energiesparanstrengungen bis in die Ohren der Kinder ausrollen konnte, purzeln sie schon wieder hinaus. Die Tür zu schließen, wenn sie das Zimmer wechseln, ist für sie offenbar genauso wichtig wie das Erledigen von Hausaufgaben oder wie das Beantworten der elterlichen Frage: „Wie wars in der Schule?“ Da haben Eltern und Kinder einfach eine sehr unterschiedliche Prioritätensetzung.
Manchmal habe ich die Hoffnung, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie es verinnerlicht haben. Ich muss nur oft genug „Türzu!“ und „Lichtaus!“ gerufen haben, bis sie so genervt sind, dass sie es von allein machen. Aber die Erfahrung lehrt mich eines besseren. Auch das Händewaschen vor dem Essen, das Auspacken der Brotdose beim Nachhausekommen aus der Schule oder das Ranzenpacken am Abend haben sie noch nicht verinnerlicht. Jeden Tag brauchen sie den Anstupser von Mama oder Papa. Auf den sie dann immer gleich reagieren: „Das musst du mir nicht ständig sagen.“
Immerhin dauert die Heizperiode maximal ein halbes Jahr, mit fortschreitendem Klimawandel sogar noch kürzer. Und spätestens ab dem Frühjahr kann ich die Kinder wieder bei ihrem richtigen Vornamen rufen. Energie sparen wir aber auch den Rest des Jahres. Eine Sparmaßnahme, der unsere Kinder mit Freude nachkommen, ist die Reduktion der Körperhygiene. Noch bevor der grüne Ministerpräsident Kretschmann ein Plädoyer für den Waschlappen gehalten hat, haben wir das wöchentliche Duschen auf ein bis zwei Mal pro Woche reduziert. Wer mag, darf an den restlichen Tagen die Katzenwäsche mit eben jenem hochgelobten Waschlappen zwischenschieben. Der Bedarf danach hält sich in überschaubaren Grenzen. Meine Kinder freuen sich über die neu gewonnene Freizeit, weil das abendliche Ritual im Bad deutlich verkürzt wurde (Zähneputzen und Haarekämmen haben wir beibehalten). Und da bisher keine Beschwerden über unangenehme Körpergerüche unserer Kinder an uns herangetragen wurden, ist das eine Energiesparmaßnahme, die wir wohl noch eine Weile beibehalten werden.
Für den nächsten Winter habe ich auch schon eine Idee: Ich könnte mir einen großen Schlüsselbund besorgen, an dem alle Zimmerschlüssel hängen. Die Zimmer werden dauerhaft abgeschlossen. Wer das Zimmer wechseln möchte, muss die Herrin über die Schlüssel freundlich fragen, den Zimmerwechsel sinnvoll begründen und feierlich geloben, die Tür umgehend zu schließen. Das brächte noch weitere Vorteile mit sich. Mein Mann und ich hätten wieder echte Rückzugsräume, die nur uns gehören. Legobausteine, Matchboxautos, Barbieschuhe und Stifte würden nicht mehr in der gesamten Wohnung herumliegen, da die Kinder aus Bequemlichkeit nur noch in ihrem Kinderzimmer spielen. Im Gegenzug könnten sie das ganze Jahr ihre richtigen Vornamen behalten. Ich glaube, ich lasse mir diese Idee bis zum Herbst mal durch den Kopf gehen.
Kolumne von Anett Linke, Redakteurin der lausebande