Wir sind Außenseiter. Das muss ich an dieser Stelle mal so deutlich schreiben. Und das nicht weil wir drei Kinder haben. Schließlich gilt ja drei als das neue zwei. Nein, was uns von der Masse unterscheidet, ist der fehlende Fernseher. Unsere Kinder, das größte ist mittlerweile zwölf, nehmen uns das von Zeit zu Zeit übel. Denn sie sind nach eigener Aussage jeweils die einzigen in ihrer Klasse ohne Fernseher. Übrigens auch ohne Playstation. Das ist ihnen so unangenehm, dass sie in der Schule nicht darüber reden. Ihre Freunde und Kumpelinen wissen das trotzdem, denn sie kommen unsere Kinder ja regelmäßig bei uns zu Hause besuchen. Das läuft dann in der Regel so ab, dass sie sich beim ersten Besuch irritiert im Wohnzimmer umsehen und fragen: „Wo ist der Fernseher?“ Unsere Antwort „Wir haben keinen.“ wird dann wahlweise mit einem Schulterzucken oder einem enttäuschten „Und was sollen wir jetzt machen?“ kommentiert.
Mein Mann und ich haben uns nie bewusst dafür entschieden, unsere Kinder ohne Fernsehgerät großzuziehen. Schon als wir Jahre zuvor zusammengezogen sind, hatten wir auf einen Fernseher verzichtet. Zum einen konnte man schon damals vieles in Mediatheken über Laptop oder PC schauen, zum anderen wussten wir mit unserer Zeit einfach besseres anzufangen.
Und genau das ist es auch, was unsere Kinder quasi nebenbei gelernt haben. Wenn ihnen langweilig ist und sie überlegen: „Und was sollen wir jetzt machen?“, dann können sie sich nicht für den bequemen Weg aus Sofa und Fernbedienung entscheiden. Je nach Alter und Laune basteln sie etwas, spielen mit ihren Barbies, bauen eine Lego-Welt, puzzeln oder suchen im gut gefüllten Schrank der Gesellschaftsspiele nach einem Zeitvertreib. Oder sie gehen einfach raus spielen. Bis heute lieben sie es, bei Regen ihre Gummistiefel und Matschhose anzuziehen, sich ihren bunten Regenschirm zu schnappen und eine Pfützenwanderung durch unser Viertel zu machen. Denn in die Pfützen springen ist dabei ausdrücklich erwünscht. Meistens kommen wir dann pitschnass aber glücklich wieder nach Hause.
Unser Großer hat schon Gedichte verfasst, einige seiner Bilder sind so toll, dass sie bei uns an den Wänden hängen. Ich glaube jetzt einfach mal, dass der fehlende TV daran seinen Anteil hatte. Die vermeintliche Lücke, die er hinterlässt, füllen unsere Kinder mit ihren eigenen Ideen. Bildschirme haben wir übrigens trotzdem ausreichend im Haus: Tablet, Smartphones, Laptops. Und natürlich dürfen die Kinder da auch mal ihre Lieblingsserie gucken. Aber da das immer erst das Hochfahren und einen Pin erfordert, überlegen wir uns drei Mal, ob wir die Kinder wirklich vor den elektronischen Babysitter setzen.
Denn auch das haben wir in den vergangenen Jahren festgestellt: Ist der Fernseher erst einmal da, ist es nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Eltern sehr verlockend, sich über den Einschaltknopf eine Verschnaufpause im turbulenten Familienalltag zu verschaffen. Das ist übrigens ein Grund, warum die Kinder so gern mit uns in den Urlaub fahren. Hotels und Ferienwohnungen sind in der Regel mit einem Fernseher ausgestattet. Und da wir die restlichen elfeinhalb Monate im Jahr so konsequent sind, lassen wir sie im Urlaub auch mal an die lange Bildschirmleine.
Das Betteln wird uns daher weiter begleiten. Der Große hat jetzt ein Smartphone, seine Geschwister werden ihm bald folgen wollen. Vielleicht gehört irgendwann doch noch eine Playstation zu unserem Inventar. Die neueste Verlockung aber ist eine andere: Wenn unsere Mädels von ihren Freundinnen zurückkommen, fordern sie regelmäßig: „Mama, ich will auch eine Alexa.“ Denn die erzählt ihren Freundinnen auf Kommando Witze, spielt das Lieblingslied oder macht das Licht aus. Solange ich das noch für meine Kinder machen darf, brauchen wir keine Alexa. Sollte sie irgendwann das Mittagessen kochen und die Wäsche waschen, würde ich noch mal darüber nachdenken.
Kolumne von Anett Linke, Redakteurin der lausebande