Nach einem endlosen Winter brachte der Mai ja endlich die ersten schönen Sonnentage mit sich. Die Familie war ausgehungert und wollte ins Freie, durch den Feiertags-Mai und die fehlenden Arbeitstage türmten sich aber unendliche Projekt-Stapel auf dem Schreibtisch. Also vertröstete ich meine Mannschaft aufs Wochenende – dann sollte es aber eine ganz große Paddeltour im Spreewald sein. Die Kleinen freuten sich und ich wollte ein bisschen Büro-Winterspeck loswerden. Satte 20 Kilometer Paddelei plante ich und setzte mich gegen meine bessere Hälfte durch, die schlappe 10 Kilometer für ausreichend hielt. Wenn wir zusammen paddeln, ist das ein Kinderspiel, sagte ich, bestellte ein Kanu und kaufte reichlich Sonnencreme und Mückenspray.
Ausgerechnet in der Nacht zum Samstag hatte sich meine Frau verlegen, Sitzen war okay, aber an Paddeln war nicht zu denken. Beim Frühstück machten unsere Kinder lange Gesichter, denn sie prophezeite, dass der blasse Büro-Papa die 20 Kilometer nie und nimmer schafft. Da warf ich mir die blaue Tischdecke über den Rücken, stieg auf den Stuhl und rief: SuperDaddy schaukelt den Kahn schon allein, 20 Kilometer sind ein Klacks! Der Familienausflug ist jetzt Chefsache, Olé! Ich hätte schwören können, dass ein Supermanzeichen auf meiner Brust brannte. Die Kinder strahlten, meine Frau verdrehte die Augen.
Eine Stunde später am Bootsverleih schaute mich der Bootsverleiher prüfend an, als er hörte, dass ich allein paddeln muss. Ob es nicht lieber noch nur die 5 Kilometer-Tour sein soll? Offensichtlich hatte er den Superpaddler in mir nicht entdecken können und betrachtete mich wie den Woody Allan der Spreewald-Fließe. Männer überlegen in solchen Situationen nicht, ich schon gar nicht. Ich schaltete sofort auf Wettkampf, setzte mein Geweih auf, verfrachtete die Familie ins Kanu und startete die Kreuzfahrt. Meine Kids feuerten mich an, alle anderen Paddler zu überholen. Vom Start weg simulierte ich den deutschen Ruder-Achter. Nach 20 Minuten war ich klitschnass. Ich schwitzte so schnell, dass meine Haut komplett freigespült wurde, auch vom Mückenspray. Die gesamte Mückenlarvenpopulation hatte scheinbar auf diesen Moment gewartet und schlüpfte. Mücken reagieren auf Wärme – und im gesamten Spreewald war ich der wärmste Punkt. Ab sofort absolvierte ich einen Triathlon: Paddeln, Mücken klatschen und bei all dem noch die Kinder anlächeln.
Auf halber Strecke rasteten wir. Meine Arme waren wie Gummi, verschwitzt umgab mich ein Geruch nach Katzenklo, der Hintern tat vom harten Sitz weh, mein Oberkörper war ein mückengemachter Streuselkuchen. SuperDaddy sah aus wie Tom Hanks nach 100 Tagen auf seiner einsamen Insel. Nochmal die gleiche Strecke war unvorstellbar, aber ein Vater gibt vor seinen Kids nicht auf. Also plante ich insgeheim eine Abkürzung. Ein fataler Fehler, wenn man als Laie die Wasserkarte mit allen verzeichneten Fließen deuten will. Wussten Sie, dass es sozusagen Einbahnfließe gibt und das man mit einem Kanu auf Grund laufen kann? Es gibt auch verdammt tiefe Brücken, sie machten uns zu den Limbokönigen unter den Spreewaldpaddlern. Wir lernten Einheimische kennen, die scheinbar seit Jahren keinen Besuch hatten. Vollkommen entkräftet wäre ich dann kurz vorm Ziel in einer Schleuse fast gekentert, bei der ich im Kanu sitzen blieb. Ein mit Japanern vollbesetzter Kahn setzte sofort zum Beifall und kollektiven Fotoshooting an, als ich beim Hereinschießen des Wassers in die Schleude die Kontrolle übers Kanu verlor. Meinen Kids verkaufte ich das Ganze als geplante Spreewald-Safari und erklärte ihnen, wie toll der Papa gepaddelt ist und das sich das überall herumgesprochen hat. Sogar die Japaner haben das fotografiert. Stolz wie Bolle erzählten sie das in der Folgewoche in der Schule. Jetzt habe ich schon Anrufe von vier Klassenlehrern, die diese tolle Spreewald-Safari bei mir buchen wollen. Dabei habe ich mich vom letzten Wochenende voller Schmerzen noch nicht einmal annähernd erholt. Verdammt, die 10 Kilometer hätten es doch auch gemacht. Warum müssen Frauen nur immer Recht behalten?
Euer lausitzDADDY