Das hat auch rein körperlich Vorteile: Jede Schwangerschaft bedeutet für den Körper eine Belastung, manche Frauen stecken das besser weg, andere leiden unter typischen Schwangerschaftsbeschwerden. Das Bindegewebe, Bänder und Sehnen werden nachgiebiger, um die Geburt zu erleichtern. Der Beckenboden braucht nach vier Schwangerschaften ein intensiveres Training als nach einer. Wer viele Kinder plant, sollte von Beginn an versuchen eine natürliche Geburt zu ermöglichen. Jeder Kaiserschnitt hinterlässt eine Narbe in der Gebärmutter, die bei weiteren Schwangerschaften und Geburten zu Risiken führen kann. Wer viele Kinder hat, bekommt diese oft in einem kurzen Abstand und fällt fast automatisch in die Kategorie „Risikoschwangerschaft“. Manchmal empfinden Frauen die Schwangerschaft mit dem dritten oder vierten Kind einfach als anstrengender, weil die Kinder zu Hause nicht mehr so viel Zeit für Ruhe und Entspannung lassen. Viele Schwangere sind oft müde. Wenn dann noch ein Kleinkind zu Hause ist, das auch nachts gelegentlich Zuwendung braucht, kann Schlafmangel ein Problem werden. Nichtsdestotrotz ist jede Schwangerschaft aufs Neue ein Wunder und für die größeren Geschwister durchaus spannend. Je älter sie sind, desto besser begreifen sei, warum Mamas Bauch immer runder wird und was auf sie zukommt: (noch) ein Geschwisterchen.
Zur Rolle der Geschwister
Kinder in kinderreichen Familien wachsen mit mindestens zwei Geschwistern auf. Das tut ihnen gut, wie Interviews und Studien zeigen. Kinder aus Großfamilien entwickeln soziale Kompetenzen. Sie lernen Rücksicht auf die jüngeren Geschwister zu nehmen, ihnen zu helfen, mit ihnen zu teilen, sie lernen nachzugeben und auch sich durchzusetzen. Sie werden früher als in anderen Familien in den Haushalt miteinbezogen, um die Eltern zu entlasten. Sie haben fast immer jemanden zum Spielen aber auch Streiten. Sie werden früher selbständig. Auch den Eltern gelingt das Loslassen – gezwungenermaßen – besser als bei nur einem Kind. Gleichwohl ist nicht jedes Einzelkind rücksichtslos und egoistisch. Gerade wenn es viel Kontakt zu Gleichaltrigen hat, kann das mögliche Nachteile ausgleichen. Eltern mit vielen Kindern stehen immer wieder vor der Frage: Wie werde ich jedem Kind gerecht? Wie kann ich meine Zeit und Liebe gerecht auf alle Kinder aufteilen? Oft geben sie sich besonders Mühe, auf die Bedürfnisse und die Entwicklung jedes Einzelnen zu achten, jedem Kind auch exklusive Mama- oder Papa-Zeit zu gewähren. Gerechtigkeit gegenüber jedem Kind ist dabei kaum zu erreichen – schon gar nicht aus Sicht des Kindes. Das Ältere darf vielleicht länger aufbleiben, muss aber mehr im Haushalt helfen.
Partnerschaft und Großfamilie
So wie die Eltern versuchen, auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen – sollten sie unbedingt auf ihre eigenen Bedürfnisse achten. Da viele Kinder nicht nur viel Freude machen sondern auch viel Arbeit, bleibt den Eltern kaum Zeit für sich selbst oder für sich als Paar. Gespräche drehen sich allzu oft um die Sorgen und Nöte der Kleinen. Gerade wenn der Nachwuchs noch jünger ist, bleibt Zweisamkeit auf der Strecke. Ein Candle-Light-Dinner oder ein Kinobesuch zu zweit? Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt mit jedem Kind. Das macht diese Paare aber keineswegs unzufriedener. Sie finden ihr Glück ihr Zuhause, die Kinder bringen genug Abwechslung. Sie verbringen gern und bewusst viel Zeit in Familie, sei es bei den Mahlzeiten oder an den Wochenenden. Und irgendwann bleibt ihnen auch wieder mehr Zeit für sich. Paare mit vielen Kindern haben stabilere Beziehungen als andere. Sie sind öfter verheiratet und empfinden ihre Beziehung überdurchschnittlich oft als glücklich.
Das gilt im Übrigen trotzdem oder obwohl in kinderreichen Familien oft die klassische Rollenverteilung gelebt wird: Der Vater verdient den Lebensunterhalt, fast immer in Vollzeit, die Mutter kümmert sich um Kinder und Haushalt. Je mehr Kinder eine Familie hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Frau zu Hause bleibt und ihren Beruf zumindest für einige Zeit auf Eis legt. Wer viele Kinder hat, wird kaum einen Arbeitgeber und auch kaum die Zeit und Kraft finden, nebenbei Teilzeit oder gar Vollzeit zu arbeiten. Viele Babypausen und viele Kind-Krank-Tage sind schwer mit einem Arbeitgeber zu vereinbaren. Daher entscheiden sich die Frauen ganz bewusst dafür, für einige Jahre zu Hause zu bleiben und für die Kinder da zu sein: Nur 40 Prozent der Frauen mit vier oder mehr Kindern gehen arbeiten. Drei von vier dieser Frauen arbeitet Teilzeit. Frauen in freien Berufen oder im öffentlichen Dienst haben es dabei einfacher, Beruf und Familie zu vereinbaren. Sobald das jüngste Kind in die Vorschule oder Schule kommt, gehen deutlich mehr Frauen wieder arbeiten.
Kinderreichtum = Kinderarmut?
Das heißt: Für lange Zeit fällt ein Einkommen weg, der Mann ist Alleinverdiener. Gleichzeitig steigen mit jedem weiteren Kind die Kosten. Aus diesem Grund rutschen viele kinderreiche Familien in die Armutsfalle. Dann führt Kinderreichtum zu Kinderarmut. Besonders armutsgefährdet sind Alleinerziehende, was allerdings auch bei weniger als drei Kindern gilt. 12 Prozent der kinderreichen Familien sind auf staatliche Leistungen, wie Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld angewiesen, aber nur 7 Prozent der Zwei-Kind-Familien. In kinderreichen Familien haben 32 Prozent der Mütter und 22 Prozent der Väter keinen Berufsabschluss. Wenn beide Partner berufstätig waren, fällt ab dem dritten Kind meist ein Einkommen teils oder für eine bestimmte Zeit ganz weg. Das ändert sich erst wieder, wenn die Kinder größer und selbständiger werden. Ein weiterer entscheidender Grund für die Armutsfalle Kinderreichtum: Kinder kosten Geld.
Die meisten Paare sind sich darüber im Klaren, dass sie mit weniger Geld auskommen müssen, wenn sie sich für eine Großfamilie entscheiden. Den geringeren Lebensstandard nehmen sie gern in Kauf – für mehr Lebensfreude. Neben den alltäglichen Konsumausgaben für Essen und Kleidung, kommen ab dem dritten Kind deutlich höhere Ausgaben für Wohnen und Auto hinzu. Kinderreiche Familien brauchen große Wohnungen oder Häuser. Die sind zum einen schwer zu finden und zum anderen teuer. Während bei Ein-Kind-Familien im Schnitt jedem Familienmitglied 52 qm Wohnfläche zur Verfügung stehen, sind es bei Familien mit vier Kindern 43 qm. Je größer die Familie, desto seltener fällt die Entscheidung für die eigenen vier Wände. Große Häuser sind schlicht zu teuer oder schwer zu finden, zudem brauchen Paare kaum mehr so viel Platz, wenn die Kinder aus dem Haus sind.
Kinderreiche Familien brauchen zudem größere Autos. Drei Kindersitze auf der Rücksitzbank eines klassischen Kombis unterzukriegen, ist eine Herausforderung. Spätestens ab Kind Nummer vier braucht es eine neue Familienkutsche. Idealerweise hat sie ein, zwei Plätze in Reserve, falls mal Freunde der Kinder mitfahren wollen. Wer ganz auf ein Auto verzichten möchte oder muss, steht mit vielen Kindern vor einer logistischen Mammutaufgabe, gerade in ländlichen Regionen oder wenn der Urlaub ansteht. Zugfahrten oder Flugreisen mit kleinen Kindern sind oft turbulent – für die Eltern, aber auch für die anderen Reisenden. Wer sich trotz vieler Kinder Urlaub leisten kann, muss tief in den Geldbeutel greifen. Fern- und Pauschalreisen rechnen meist nur zwei Kinder mit, das dritte zahlt deutlich drauf. Großfamilien kommen günstiger, wenn sie in Ferienwohnung oder auf Bauernhöfen übernachten und ihren Urlaub individuell planen und buchen. So lassen sich bei der Wahl des Urlaubsorts und der Ausflüge auch die Bedürfnisse aller Familienmitglieder unter einen Hut bringen. Auf Ausflügen – sei es im Urlaub oder zu Hause – ärgern sich Großfamilien über die Familienkarten: Oft sind diese auf zwei oder drei Kinder beschränkt. Kaum ein Museum oder Schwimmbad rechnet damit, dass auch mal eine achtköpfige Familie vor der Tür stehen könnte. Dabei ließe sich an dieser Stelle mit geringem Aufwand eine starke finanzielle Entlastung und vor allem Wertschätzung für Großfamilien erreichen.
Nicht nur die gemeinsamen Wochenend-Ausflüge belasten die Familienkasse, spätestens mit der Schule und den Wandertagen dort werden auch die Kinder teuer. Bei den Kleinen halten sich die Kosten noch im Rahmen. Sie brauchen zwar viele Windeln, Kleidung, Spielzeug und Kinderwagen sind aber noch von den Geschwistern da. Die meisten Kitas bieten in der Gebührenordnung Rabatte für Geschwisterkinder an. Eintritt in den Zoo oder ins Museum fällt für Kleinkinder oft noch nicht an. Und bis zum 6. Lebensjahr dürfen Kinder in den meisten Bussen und Bahnen kostenfrei mitfahren. Spätestens ab der Schule steigen die Ausgaben für Großfamilien deutlich. Zu den Mehrausgaben für Essen und Kleidung kommen nun Schulsachen, Klassenfahrten, Eintrittsgelder, Taschengeld, Handykosten, Hobbys. Mitgliedschaften in der Musikschule oder im Sportverein sind nicht preiswert und machen bei vielen Kindern einen großen Posten aus. Die finanzielle Unterstützung durch den Staat kann diese Mehrkosten nur bedingt ausgleichen.