Wie Kinder den Verkehr wahrnehmen
Eltern sollten bedenken, dass Kinder ihre Umwelt anders wahrnehmen als Erwachsene. Ihnen fehlen die körperlichen und geistigen Voraussetzungen, um sich eigenständig und sicher im Verkehr zu bewegen. Ihr Blickfeld ist enger. Ihr Gehör ist mit etwa sechs Jahren zwar gut ausgebildet, aber sie haben Schwierigkeiten zu bestimmen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Sie können Entfernungen, Geschwindigkeiten und Bremswege nicht richtig einschätzen. Sie können Bewegungen schwer koordinieren und geraten leicht aus dem Gleichgewicht. Sie können sich beim Fahren nicht umschauen. Sie erkennen drohende Gefahren nicht oder zu spät. Sie übersehen Ein- und Ausfahrten. Sie lassen sich sehr leicht ablenken. Sie fahren unvermittelt auf die Fahrbahn. Einen Unfall wird man daher nie ausschließen können, aber man kann die Gefahr für Unfälle deutlich reduzieren. Durch regelmäßiges Üben werden die Kinder zunehmend besser im Verkehr klar kommen. Anfangs sollten sie nur mit einem Erwachsenen unterwegs sein. Bei gemeinsamen Fahrten mit dem Kind wird empfohlen, dass das Kind vorneweg fährt und die Eltern etwas zur Straße hin versetzt hinterher. Im Notfall können Eltern so eingreifen. Gleichzeitig lernt das Kind, eigene Entscheidungen zu treffen.
Fahren Sie zunächst immer dieselben Strecken, beispielsweise zur Kita oder zum Spielplatz. Weisen Sie die Kinder auf bestimmte Gefahrenstellen auf dieser Strecke hin und zeigen Sie, wie Sie sich dabei zu verhalten haben. Seien Sie Vorbild. Wenn auch Sie beim Überqueren der Straße absteigen, sich nach Autos umschauen, das Handzeichen geben, dann wird sich der Nachwuchs daran orientieren und das Verhalten übernehmen. Einerseits sollten Kinder nicht überbehütet werden, in der Hoffnung sie vor Stürzen zu schützen, andererseits dürfen sie nicht überfordert werden. Eltern können selbst am besten die Fertigkeiten ihrer Kinder einschätzen. Wenn Sie den Schulweg oft genug mit ihrem Kind gemeinsam gefahren sind und den Eindruck haben, dass es diesen mitsamt seinen Tücken beherrscht, können Sie das Kind allein fahren lassen. Sie können später nochmal mitfahren, um sicher zu gehen, dass das Kind aus der Routine heraus nicht zu unachtsam geworden ist. Gibt es auf dem Schulweg besonders heikle Stellen wie unübersichtliche Kreuzungen, sollten diese gründlich besprochen und geübt werden oder eine alternative Strecke gesucht werden.
Typische Gefahren für radelnde Kinder:
- Ein- und Ausfahrten
- Kreuzungen und Einmündungen
- Am Straßenrand parkende Autos, deren Autotür sich unerwartet öffnet
- Der „tote Winkel“ von LKWs
- Abbiegende Autofahrer
Machen Sie Ihre Kinder auf solche Gefahren aufmerksam und erklären Sie und zeigen Sie, wie sie sich zu verhalten haben: An Ausfahrten langsam heranfahren und sich wenn nötig durch Blickkontakt überzeugen, dass der Autofahrer einen gesehen hat. Das gleiche gilt bei abbiegenden Autos an Kreuzungen. Es passiert immer wieder, dass diese beim Abbiegen Fußgänger und Radfahrer übersehen. Die Kinder sollten beim Fahren auf der Straße ausreichend Abstand zum Bordstein halten, um Stürze zu vermeiden. Sie sollten immer die Spur halten und nicht an einer Parklücke oder Bushaltestelle Platz für den Autoverkehr machen. An roten Ampeln nicht neben rechtsabbiegenden LKW halten, sondern dahinter warten, bis diese abgebogen sind. Je besser das Kind gesehen wird, desto sicherer, daher gilt vor allem in der dunklen Jahreszeit: Funktionierende Beleuchtung am Rad, Reflektoren am Rad (Speichen, Pedale, ggf. Schutzblech), reflektierende Kleidung.
Was die Kinder im Idealfall in frühen Jahren zu Hause von den Eltern gelernt haben, müssen sie spätestens zur Radfahrprüfung in der Grundschule drauf haben. Diese durchlaufen die Kinder in der vierten Klasse an ihrer Schule in Kooperation mit Polizei und Verkehrsschule bzw. Verkehrswacht. Der in der Regel mehrtägigen Schulung geht ein Theoriekurs an der Schule voraus. Im praktischen Teil müssen die Schüler in einem speziellen Verkehrsgarten bzw. auf dem Schulhof und im Straßenverkehr praktische Fertigkeiten mit dem Rad üben und nachweisen:
Spur halten, Kurven fahren, Bremsen beherrschen, während der Fahrt Handzeichen zum Abbiegen geben, sich beim Fahren nach hinten umschauen. Sie lernen richtiges Verhalten an Ampeln, Bushaltestellen und Bahnübergängen.
Im Schnitt fallen zwei bis drei Kinder pro Klasse durch. Da die Radfahrprüfung rechtlich nicht bindend ist, dürfen die Kinder dennoch Radfahren.
Die Prüfung gibt aber sowohl den Kindern selbst als auch Eltern und Erziehern Aufschluss darüber, wie es um die motorischen Fähigkeiten der Jungen und Mädchen bestellt ist. Da sah es schon mal besser aus, wie die kürzlich vorgestellte Studie zum „Stand der Radfahrausbildung an Schulen und motorische Voraussetzungen bei Kindern“ der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zeigt. Dazu wurden Eltern, Lehrer, Polizisten und Verkehrstrainer befragt. Die Ergebnisse der Studie:
- Die Verkehrsteilnahme von Kindern hat sich in den letzten Jahren stark verändert, die eigenständige Mobilität hat abgenommen. Das Fahrrad stellt zwar weiterhin ein wichtiges Verkehrsmittel für Kinder dar, jedoch haben sie insbesondere in den Städten immer weniger Gelegenheit, es eigenständig zu nutzen. Stattdessen werden sie heute häufiger im „Eltern-Taxi“ von A nach B transportiert.
- Fast alle Kinder haben ein Kinderrad, jedes zweite Kind hatte zuvor ein Laufrad. Dieses wirkt sich erkennbar positiv auf die motorischen Fähigkeiten der Kinder aus. Zwei von drei Eltern üben das Radfahren mit ihren Kindern, meist im Altern von 4 bis 8 Jahren.
- Von durchschnittlich 22 teilnehmenden Kindern pro Klasse, die an der Radfahrausbildung teilnehmen, bestehen 2 bis 3 Kinder die Tests nicht. Sie weisen deutliche motorische Schwächen auf. Bei den schwierigsten Übungen „Richtungswechsel mit herausgehaltenem Arm anzeigen“ sowie „Geradeaus fahren und sich umsehen“ schätzen die Polzisten sogar deutlich mehr als 5 Kinder je Klasse als mangelhaft ein.
- Ursachen für diese Tendenzen werden vor allem in der zunehmenden Motorisierung und Digitalisierung des Alltags gesehen. Kinder verbringen heute mehr Zeit im Auto und vor dem Bildschirm als noch vor 30 Jahren.
- Trotz der festgestellten Schwierigkeiten bei der Radfahrprüfung hat die Zahl der Unfälle von radfahrenden Grundschülern in den vergangenen 15 Jahren nicht zugenommen, sondern stagniert auf einem relativ niedrigen Niveau.
- 52 Prozent der Grundschüler laufen zur Schule, 20 Prozent nutzen Bus oder Bahn, 19 Prozent das Fahrrad und 17 Prozent werden mit dem Auto gefahren.
- Jedes sechste Kind hat im Wohnumfeld keine Möglichkeit zum Rad fahren, weil verkehrsberuhigte Strecken und Plätze fehlen.
- Mehr als 50 % der befragten Eltern von Erst- und Zweitklässlern fahren regelmäßig gemeinsam mit ihrem Kind Rad. Gemeinsam wird das Rad vor allem für Ausflüge und Besuche bei Freunden genutzt, seltener im Alltag z.B. zum Einkauf oder zum Sportkurs. 4,4 % der Eltern fahren nie mit ihrem Kind Rad. Je jünger die Kinder sind, desto seltener dürfen sie allein mit dem Rad fahren.
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Kinder mit dem Rad transportieren
Wenn die Kinder noch zu klein für das eigene Rad sind oder die geplante Radtour zu weit ist für junge Radanfänger, haben Familien zahlreiche Möglichkeiten, um ihren Nachwuchs auf oder am Rad zu transportieren:
Fahrrad-Anhänger
Wer schon ganz kleine oder zwei Kinder mitnehmen will, für den lohnt die Anschaffung eines Fahrradanhängers. Er eignet sich auch für längere Radtouren besser als ein Kindersitz. Nachteil gegenüber dem Kindersitz: Eltern und Kind können währen der Fahrt nicht miteinander reden. Die kleinen bunten Wagen bieten je nach Modell Platz für ein bis zwei Kinder, mit entsprechendem Einsatz auch für Säuglinge, die noch nicht sitzen können. Platz ist auch für Spielzeug oder eine Trinkflasche, was den Kindern ermöglicht, sich die Zeit zu vertreiben und sich selbst zu versorgen, ohne dass etwas verloren gehen kann. Die meisten Anhänger lassen sich auf Ausflügen unkompliziert zum Buggy umbauen. Mit etwa 400 bis 700 Euro pro Stück sind sie nicht eben preiswert, aber durchaus eine lohnende Investition für Familien, die häufig mit dem Rad unterwegs sind. Für Tagesausflüge und Radurlaub sind sie ideal. Die Kinder sitzen bequem, sind vor Insekten, Wind, Regen und Sonne geschützt. Bei einem Unfall sind sie durch eine gewisse Pufferzone und die geringe Kippgefahr besser geschützt als in einem Kindersitz. Wie auch ein Kindersitz, verändert ein Anhänger das Fahrverhalten des Elternrads. Der Schwerpunkt verlagert sich, allerdings weniger ungünstig als beim Kindersitz. Das normale Geradeausfahren macht sich gut, ungewohnt sind dagegen das Bremsen und Abbiegen mit Anhänger. Eltern sollten daher zunächst ein paar Proberunden fahren – ohne Kind, stattdessen mit einem Wasserkasten. Erlaubt ist die Mitnahme von Kindern von 0 bis 7 Jahren, wobei die meisten Siebenjährigen kaum mehr hineinpassen werden, schon gar nicht mit Helm. Der wird ebenso empfohlen wie anschnallen. Eltern sollten vor dem Kauf eines Anhängers prüfen, ob ihr Fahrrad dafür geeignet ist: Der Anhänger muss sich am Rad befestigen lassen. Die Bremsen des Fahrrads sollten einwandfrei funktionieren. Eine gute Gangschaltung hilft gegen Ermüden der Beine. Das zulässige Gesamtgewicht sollte mindestens 120 kg betragen. Nicht alle Anhänger sind mit Beleuchtung ausgestattet, hier kann Nachrüsten lohnen, da die meisten Anhänger das Rücklicht des Fahrrads verdecken. Ein bunter Wimpel und Reflektoren erhöhen die Sichtbarkeit. Wer in einem Zweisitzer nur ein Kind transportiert, sollte es wegen des Schwerpunkts in die Mitte setzen. Ist das nicht möglich, dann auf die rechte Seite.