Die Vorsorge sollte beginnen, sobald das Kind da ist
Warum Eltern und Großeltern die Finger von einer Ausbildungsversicherung lassen sollten und welche Anlageformen für den Nachwuchs stattdessen sinnvoll sind, darüber haben wir mit Erk Schaarschmidt gesprochen. Er ist Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg und hatte schon so manchen unglücklichen Vertragsabschluss zu kitten.
Ist eine finanzielle Vorsorge für die Ausbildung der Kinder überhaupt nötig bzw. sinnvoll?
Das kommt immer auf die individuellen Voraussetzungen an. Wenn das Einkommen gerade mal für die monatlichen Ausgaben reicht, dann kann man natürlich auch nichts zurücklegen. Wer aber im Monat etwas Geld übrig hat, sollte durchaus überlegen, dieses anzusparen. Wer von Beginn an bis zum 18. Geburtstag des Kindes monatlich 30 bis 50 Euro zurücklegt, der kommt auf eine reine Sparsumme von ca. 6.500 bis 10.800 Euro, ohne Berücksichtigung von Kosten, Zinsen oder Rendite. Das reicht immerhin schon für den Führerschein und vielleicht das Auto oder Moped. Wenn die Kinder später studieren oder ins Ausland wollen, dann kann das richtig ins Geld gehen. Insofern sollten Eltern, die es sich leisten können, durchaus etwas zurücklegen. Oft sind es die Großeltern, die für die Enkel auch etwas sparen wollen. Sparwillige sollten überlegen, ob sie nicht zusätzlich oder ergänzend eine Kinderinvaliditätsversicherung abschließen. Diese springt ein, wenn das Kind durch einen Unfall oder eine Erkrankung dauerhaft geschädigt ist. Diese empfehlen wir eher als eine Kinderunfall-Versicherung, da sie auch bei Invalidität durch Krankheit leistet.
Wann sollten Eltern mit der finanziellen Vorsorge für ihre Kinder beginnen?
So früh wie möglich, also im Idealfall bereits nach der Geburt und nicht erst mit dem Eintritt in die Schule. In 18 Jahren Anlagezeit kommt deutlich mehr zusammen als in zehn Jahren. Wer erst anfängt, wenn das Kind schon acht ist, der sollte versuchen, monatlich eine etwas höhere Summe zurückzulegen. Wichtig ist aber, dass man überhaupt anfängt, etwas anzusparen.
Auf welche Punkte sollten Eltern achten, wenn sie auf der Suche nach dem passenden Produkt sind?
Wir sprechen vom „magischen Dreieck“. Dieses besteht aus der Verfügbarkeit des angelegten Geldes, der Rendite und dem Risiko der Geldanlage. Diese drei Faktoren bedingen sich gegenseitig. Will ich eine hohe Rendite, muss ich ein höheres Verlustrisiko eingehen. Wem beispielsweise derzeit eine Rendite von vier Prozent versprochen wird, der muss mit einem Totalverlust rechnen. Will ich jederzeit an das Geld rankommen, desto niedriger sind die Zinsen, weil das Geld nur kurzfristig oder gar über Nacht arbeiten kann. Genauso gut kann es sein, dass im Preis schwankungsfreudige Produkte von heute auf morgen mehrere Prozent verlieren oder gewinnen, also riskant sind. Daher gilt es folgende Punkte vorab zu bedenken: Wann soll das Geld verfügbar sein, will ich zwischendurch darauf zugreifen können? Wie viel Geld kann ich investieren? Wir empfehlen zudem, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern möglichst verschiedene Anlageklassen mit Produkten zu wählen. Bei bestimmten Produkten ist eine Mindestanlagehöhe zu beachten, was die Streuung erschwert, wenn monatlich nur 50 Euro gespart werden können. Das wichtigste, bevor sich Eltern für eine Anlageform entscheiden: „Schlafen Sie eine Nacht darüber“ und lassen Sie einen Experten über den Vertrag sehen, bevor Sie abschließen. Es ist besser 100 oder 200 Euro in eine Beratung zu investieren, als 10.000 Euro und mehr in den Sand zu setzen. 80-90 Prozent unserer Kunden kommen in die Beratung, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, also wenn sie bereits einen ungünstigen Vertrag unterzeichnet haben. Uns wäre es lieber, wenn die Leute vor Vertragsabschluss zu uns kommen. Gleiches gilt für Darlehensverträge.
Welche Möglichkeiten der finanziellen Vorsorge gibt es und welche empfehlen Sie?
Eine gute Anlageform sind kostengünstige Sparpläne auf Aktienindizes. Empfehlen können wir vor allem passive Fonds. Passive Fonds (ETF=Exchange Traded Fund) sind börsengehandelte Indexfonds und bilden beispielsweise einen Aktienindex ab, wie den DAX oder den Dow Jones aus den USA oder den Weltaktienindex. Passive Produkte haben den Vorteil, dass kein Fondsmanagement aktiv handelt, dort also keine Fehler z.B. in der Aktienauswahl zulasten des Kunden auftreten können und die Verwaltungsgebühren auch deshalb relativ niedrig sind. Laufende Verwaltungskosten liegen bei aktiv gehandelten Fonds auch mal bei 2-3 Prozent jährlich des Anlagewertes. Dazu kommen Ausgabeaufschläge bis 5 Prozent beim Kauf. Das muss erst einmal erwirtschaftet werden. Passive ETF können dagegen sehr günstig an der Börse über die nötige Depotbank als Sparplan erworben werden. Auch die Verwaltungskosten eines ETF liegen meist deutlich unterhalb von 0,5 Prozent jährlich vom Fondswert. Bei monatlich 50 Euro Sparrate und einem angenommenen Wert zum Jahresende von 600 € sind geringe Kosten von 10-12 Euro durchaus machbar.
Allerdings werden diese Fonds im Moment weltweit empfohlen und gekauft, was zu einem Problem führen kann, wenn alle Anleger gleichzeitig verkaufen wollen, aber keine Käufer da sind. Aktienfonds sind täglich verfügbar und haben langfristig in der Regel eine gute Rendite. Wer Einzelaktien kaufen will, geht ein viel höheres Risiko ein, als wenn ein Index gekauft wird, der aus vielen Einzelaktien besteht.
Als Streuelement, oder für Menschen, die Kursschwankungen gänzlich vermeiden wollen, bleiben Bank- bzw. Zinssparpläne oder Festgeldanlagen. Zur kurzfristigen Verfügbarkeit ist man mit einem Tagesgeldkonto auf der sicheren Seite. Anders als bei Aktien- oder Investmentfonds unterliegen diese Produkte der staatlichen Einlagensicherung bis 100.000 € je Kunde je Bank.
Wie steht es um Versicherungslösungen?
Man weiß meist, wie viel Geld zum Beginn der Ausbildung garantiert zur Verfügung steht, was beim Banksparen aber auch der Fall ist. Versicherungen sind als Geldanlage meist ungeeignet, ganz gleich in welchem Förderkorsett (Riester, Rürup, betriebliche Altersvorsorge) oder ob als private Rentenversicherung. Zunächst muss das Produkt selbst stimmen. Eine Förderung sollte nur das Sahnehäubchen sein. Versicherungssparen ist leider eine Art Black Box. Die Kunden wissen nicht, was mit ihrem Geld und den erwirtschafteten Zinsen passiert, wer alles davon in welchem Maße warum profitiert. Die Kosten für eine solche kapitalbildende Versicherung sind zudem relativ hoch. Nur etwa 75-90 Prozent des eingezahlten Geldes werden tatsächlich angelegt, je nachdem wie kostengünstig der Versicherer arbeitet und wie viele Zusatzversicherungen zur eigentlichen Ansparversicherung noch enthalten sind.
50 Prozent aller abgeschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge werden vor Ende der meist langen Laufzeit storniert. Arbeitslosigkeit, Ehescheidung, Krankheit des Zahlers sind die meisten Auslöser für teure Kündigungen. Zudem sind diese Versicherungen oft unflexibel in der Handhabung, beispielsweise bei Beitragsreduzierungen oder -aufstockungen.
Von einem Abschluss der Versicherung profitieren in erster Linie die Versicherer. Das Hamburger Landgericht ließ schon 1983 die Aussage gelten: „Die Lebensversicherung zur Altersversorgung ist ein `legaler Betrug`.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch von einer Ausbildungsversicherung raten wir daher ab.
Dennoch sind Ausbildungsversicherungen beliebt. Was raten Sie Kunden, die eine solche abgeschlossen haben?
Wenn der Vertragsabschluß in den Jahren 1994 bis 2007 erfolgte, sollte der Versicherungsvertrag auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung hin rechtlich von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht oder in der Verbraucherzentrale überprüft werden. Auch wenn der Vertrag bereits gekündigt oder ausbezahlt wurde, ist ein Widerruf bei fehlerhafter Belehrung heute noch möglich. Wenn ein Widerruf nicht mehr möglich ist, muss im Einzelfall abgewogen werden, was zu tun ist. Die Kündigung ist immer mit Verlusten verbunden. Wenn sie aber in den ersten fünf Jahren erfolgt, erspart man sich zumindest einen Teil der Abschlusskosten. Die Beitragsfreistellung kann ebenfalls helfen. Umstellung von monatlicher Ratenzahlung auf jährliche Zahlungsweise, Aussetzen von Beitragsdynamisierungen bringen Teileinsparungen. Wer 15 Jahre zahlend durchhält, hat unter Umständen wenigstens die eingezahlten Beiträge im Falle einer Kündigung raus.