Papa oder Daddy?

Datum: Mittwoch, 02. Mai 2018 16:40


WITAJ – ein deutsch-sorbisches Erfolgskonzept

WITAJ ist sorbisch und heißt „Willkommen“. Bei diesem Konzept werden Kinder – ganz gleich welcher Muttersprache – im Sorbischen willkommen geheißen. Sie lernen in Kitas und an Schulen die sorbische Sprache.
Wie intensiv sie die Sprache lernen, hängt vom Konzept der Einrichtung ab. Es gibt Kindergärten, deren Alltag komplett in sorbischer Sprache stattfindet und Kindergärten, bei denen nur einzelne Gruppen sorbisch sprechen. Bei den Schulen unterscheiden sich die Konzepte ebenfalls: Während einige sorbisch „nur“ als klassischen Fremdsprachenunterricht anbieten, haben andere das Prinzip des bilingualen Unterrichts etabliert: Sie unterrichten neben dem sorbischen Sprachunterricht auch einige Fächer auf Sorbisch und Deutsch.

In den Kindergärten und Grundschulen wird nicht nur die sorbische Sprache gelebt und gefördert, sondern auch die sorbischen Bräuche. Die Kinder studieren die Vogelhochzeit ein, lernen sorbische Gedichte und Lieder, sie lernen die sorbischen Trachten kennen.

Die Nachfrage nach dem Witaj-Konzept ist groß, einige Einrichtungen haben Wartelisten. Dabei möchten längst nicht nur sorbische Familien ihre Kinder dorthin schicken. In einigen sorbisch geprägten Dörfern der Oberlausitz sind sorbische Kinder zwar in der Mehrzahl, in den meisten Einrichtungen aber kommen die Kinder erstmals mit der Sprache in Kontakt.

Besonders viele Witaj-Einrichtungen gibt es in der sächsischen Oberlausitz im Gebiet zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda, seinen Ursprung hat das Konzept aber in Brandenburg: Im Cottbuser Ortsteil Sielow wurde 1998 die erste zweisprachige Kita der Lausitz etabliert. Zunächst begann man mit einer sorbischen Kindergruppe, heute wird an der gesamten Einrichtung mit allen Kindern sorbisch gesprochen. Mittlerweile gibt es in der Lausitz fast 40 Kitas mit sorbischsprachigem Angebot.

2001 wurde das Witaj-Sprachzentrum mit Sitz in Bautzen und Cottbus als eigenständige Abteilung des sorbischen Dachverbandes Domowina gegründet. Es begleitet nicht nur die sorbischen Kitas und Schulen, sondern kümmert sich um die Weiterbildung der Erzieher, gibt Schulbücher, Zeitschriften und Kinderbücher in sorbischer Sprache heraus, organisiert u.a. Sprachcamps und synchronisiert Kinder- und Jugendfilme. Das wichtigste Ziel, nämlich die sorbische Sprache zu erhalten und zu fördern, hat das Projekt bereits erreicht: Mittlerweile bietet das Sprachzentrum auch Sprachkurse für Erwachsene an – eine Folge des Witaj-Projekts, wie Leiterin Beate Brězan erklärt: „Wir hatten immer wieder Nachfragen von Eltern, deren Kinder eine sorbische Kita besuchen und die jetzt ebenfalls sorbisch lernen möchten.“


www.witaj-sprachzentrum.de  

 

Mehrsprachig aufwachsen

Dass Immersions-Kindergärten kleine Kinder nicht überfordern, zeigt schon der Blick auf „natürliche“ Mehrsprachigkeit. Schätzungsweise zwei Drittel der Erdbevölkerung wächst zu Hause mit mehr als einer Sprache auf, in Afrika beispielsweise werden sehr viele Sprachen gesprochen, neben Englisch und Französisch unterschiedliche afrikanische Sprachen. Auch in den USA und Europa gibt es viele zweisprachige Staaten, meist dort, wo eine Minderheit lebt: Die Katalonen in Spanien oder die Franzosen in Kanada.

Studien zeigen, dass diese Kinder nicht – wie lange behauptet – weniger intelligent sind oder sich langsamer entwickeln. Im Gegenteil: In einigen Bereichen sind sie ihren Altersgenossen sogar voraus. Dass sie anfangs vielleicht nicht fehlerfrei sprechen oder die Sprachen mischen, ist normal und kein Grund zur Sorge. Kleine Auffälligkeiten wie ein geringerer Wortschatz oder vereinfachter Satzbau sind bis ins frühe Schulalter normal. Im Übrigen sprechen auch längst nicht alle Kinder, die nur mit Deutsch als Muttersprache aufwachsen, zum Schuleintritt völlig fehlerfrei.

Tipps für mehrsprachige Familien:

  • Sprechen Sie als Mutter oder Vater immer in Ihrer Muttersprache mit dem Kind. Gerade in emotionalen Situationen ist es wichtig, dass Sie Ihr Kind authentisch trösten, beruhigen, loben können. Das gelingt in der Regel in der Muttersprache am besten.
  • Schaffen Sie innerhalb der Familie klare Sprachregeln: Wichtig ist, dass das Kind mit bestimmten Personen eine bestimmte Sprache in Verbindung bringt (z.B. Mutter deutsch, Vater polnisch). Wechseln und benutzen Sie die Sprache daher nicht willkürlich.
  • Geben Sie dem Kind regelmäßig Gelegenheit, die Zweitsprache zu hören und zu sprechen. Das kann in der Kita, auf dem Spielplatz oder mit Freunden sein.
  • Zeigen Sie Wertschätzung für alle Sprachen, mit denen ihr Kind aufwächst. Werten Sie keine ab, zeigen sie für jede Interesse.
  • Für mehrsprachige wie für einsprachige Familien gilt gleichermaßen: Vermitteln Sie Ihrem Kind Freude an der Sprache, sprechen Sie viel mit ihm, lesen Sie Bücher vor, lassen Sie sich Geschichten erzählen.
  • Spricht das Kind beim Eintritt in die Kita noch kein Deutsch, sprechen Sie dennoch zu Hause weiter in Ihrer Muttersprache mit dem Kind. Geben Sie allerdings in der Kita und wenn möglich auch mit deutschsprachigen Freunden Gelegenheit, das Deutsch weiter zu verbessern.
  • Einige Kinder verweigern eine Zeit lang ihre Muttersprache und sprechen plötzlich nur noch deutsch, weil sie mittlerweile viele deutsche Freunde gefunden haben. Sprechen Sie zu Hause dennoch weiterhin konsequent in Ihrer Muttersprache mit dem Kind, auch wenn es deutsch antwortet. In der Regel geht diese Phase vorbei. Spätestens, wenn die Kinder erwachsen sind, werden sie dankbar dafür sein, denn eine Sprache bedeutet immer auch Identität – und diese ginge mit der Sprache ebenfalls verloren.