Mit Hand, Kopf und Herz

Datum: Freitag, 07. September 2018 14:02

Privatschulen als Alternative?

Eben weil das staatliche Schulsystem den Ansprüchen von Eltern und Schülern nur begrenzt gerecht wird, sind immer mehr Eltern dazu bereit, Geld in die Bildung ihrer Kinder zu investieren. Jedes Jahr gründen sich neue Schulen in freier Trägerschaft. In der Lausitz (Südbrandenburg und Raum Weißwasser/ Hoyerswerda) gibt es aktuell knapp 20 Schulen in freier Trägerschaft.

Der Anteil in den Bundesländern schwankt sehr stark zwischen 18,4 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und 5,8 Prozent in Niedersachsen. Damit gehören Sachsen und Brandenburg zum oberen Mittelfeld. Sie erlebten wie die meisten neuen Bundesländer nach 1990 einen regelrechten Gründungsboom bei freien Schulen. 1992 lag ihr Anteil noch bei einem Prozent an allen Schulen. Dieser historische Hintergrund spiegelt sich teilweise bis heute wieder, wie Bildungsforscher Prof. Dr. Eckhard Klieme erklärt: „Privatschulen haben in Ostdeutschland häufig den Hintergrund einer Graswurzelbewegung. Viele von ihnen sind nach 1990 aus Elterninitiativen oder kirchlichen Initiativen heraus entstanden. Sie sind mit viel Engagement von Lehrern, Schülern aber auch Eltern aufgebaut worden. Dort ist viel experimentiert worden, auch mit reformpädagogischem Programm. In Westdeutschland dagegen stecken Privatschulen aufgrund ihrer langen Tradition oft in verkrusteten Strukturen.“

Der Trend für Privatschulen zeigt weiter nach oben, wobei sich das Wachstum nach einem deutlichen Anstieg in den 1990er-Jahren verlangsamt hat. Beim Verband deutscher Privatschulen freut man sich über den Trend: „Diese Entwicklung zeigt, dass Privatschulen einen zentralen Stellenwert eingenommen haben“, so VDP-Präsident Klaus Vogt, der zugleich betont: „Vor allem in ländlichen Regionen – wo staatliche Schulen vermehrt schließen – garantieren sie ein flächendeckendes Bildungsangebot.“ Denn oft machen private Elterninitiativen oder kirchliche Initiativen aus der Not eine Tugend: Wo sich der Staat zurückzieht und Schulen aufgrund zurückgehender Bevölkerungszahlen schließt, schließen diese Initiativen die entstehende Lücke.

Neben privaten Elterninitiativen oder Wohlfahrtsverbänden, sind der wichtigste Träger freier Schulen die Kirchen: Etwa zwei Drittel aller Privatschulen stehen in kirchlicher Trägerschaft. Da Privatschulen im Vergleich zu staatlichen Schulen nur durchschnittlich 50 bis 60 Prozent der finanziellen Mittel vom Staat bekommen, die einer öffentlichen Schule zur Verfügung gestellt werden, zahlen Eltern ein Schulgeld. Die Kosten dafür variieren stark. Es kann schon bei 50 Euro monatlich beginnen und in noblen Stadtteilen von München einen vierstelligen Betrag erreichen. In der Lausitz muss man durchschnittlich 50 bis 200 Euro pro Monat einplanen. Einige Schulen staffeln das Schulgeld nach dem Einkommen der Eltern.

Das Dilemma, in dem Privatschulen durch die staatliche Unterfinanzierung stecken: Laut dem im Grundgesetz festgeschriebenen Sondierungsverbot, müssen auch private Schulen für alle Kinder zugänglich sein – unabhängig vom Einkommen der Eltern. In der Praxis sind es aber eben doch meist die bildungsstarken und finanzstarken Familien, die ihre Kinder auf eine freie Schule schicken können. Die Folge, so Bildungsforscher Klieme: „Die Forschung zeigt, dass an privaten Schulen ein offeneres Lernklima und eine positive Atmosphäre herrscht. Die ist aber mit der höheren Selektivität erkauft, indem Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen dort nur schwer Zugang finden.“

Für das monatliche Schulgeld, das Eltern investieren, bekommen sie ein Bildungsangebot für ihre Kinder, in dem die Schwächen des staatlichen Schulsystems kaum eine Rolle spielen. Die Stärken und Besonderheiten freier Schulen sind:

  • demokratische Mitbestimmung und ein respektvoller Umgang untereinander
  • häufig Verzicht auf Noten und Hausaufgaben
  • wenig bis kein Unterrichtsausfall
  • kleinere Klassen
  • jahrgangsübergreifendes Lernen
  • Schüler lernen ein hohes Maß an Selbständigkeit und Selbstverantwortung
  • Lernen nach den individuellen Bedürfnissen, Interessen, Neigungen und Voraussetzungen des Kindes
  • mehr ganzheitliche Unterrichtsangebote
  • Schulen in freier Trägerschaft erwarten fast immer eine aktive Mitwirkung der Eltern. Teilweise ist deren Mitarbeit sogar vertraglich festgeschrieben.


Trotz des steten Anstiegs an Privatschulen, liegt Deutschland im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld. Hier besuchen neun Prozent aller Schüler eine Privatschule, der Durchschnitt in allen OECD-Ländern liegt bei 14 Prozent. Stark aufgestellt sind Länder wie Belgien, Dänemark, Spanien, Irland, Frankreich und Österreich. In den Niederlanden besuchen sogar zwei von drei Schülern eine Privatschule. Aufgrund der gleichberechtigten Finanzierung öffentlicher und privater Schulen muss dort kein Schulgeld erhoben werden. Auch Japan und Korea haben einen hohen Anteil von Privatschulen. Gleichwohl kann ein gutes Schulsystem auch ohne Privatschulen funktionieren: PISA-Gewinner wie Finnland haben mit sieben Prozent eine niedrige Quote an Privatschülern. Die gute Nachricht lautet also: Auch eine öffentliche Schule kann guten Unterricht anbieten.