"Hau den Lukas"

Datum: Mittwoch, 25. April 2012 09:49

titelthema2Aggressives Verhalten – Die äußeren Einflüsse.
Auf dem heutigen Stand der Forschung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass für Aggressionen sowohl genetische als auch später erworbene Faktoren eine Rolle spielen. In verschiedenen Studien fanden Forscher heraus, dass aggressive Kinder häufig auch aggressive Eltern und Großeltern haben. Wesentlich entscheidender sind aber wohl die äußeren Faktoren aus der Umwelt des Kindes, nach seiner Geburt. Doch auch hier spielen die Eltern eine wichtige Rolle. Kinder lernen über Vorbilder. Sie ahmen Verhaltensweisen nach. Da die Eltern in den meisten Fällen, vor allem im Vorschulalter, die engsten Bezugspersonen für ein Kind sind, lernt das Kind in den ersten Jahren seines Lebens vor allem durch sie. Wenn Eltern ihrem Kind vorleben, dass Konflikte lautstark und mit Hilfe von Beleidigungen geführt werden, lernt das Kind lautes Brüllen und Beleidigungen als Konfliktlösungsstrategie. Einem Kind müssen auch Wege aufgezeigt werden, wie es seine überschüssige Energie abbauen kann. Den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, ist aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll. Kommt dann auch noch familiäre Gewalt hinzu, lernt das Kind innerhalb seines engsten Kreises keine gesunden Strategien, seiner Wut und Aggression Luft zu machen. Laut §1631 Abs.2 BGB (2) „[...] haben (Kinder) ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Doch die Umsetzung und eine generelle Gewaltablehnung ist in vielen Elternhäusern noch nicht angekommen. Mit den Worten „Es war doch nur ein Klaps“ wird die Ohrfeige als Strafe gerechtfertigt. Dem Kind wird hier jedoch signalisiert, dass körperliche Gewalt ein legitimes Mittel ist, das man getrost zur Strafe einsetzen kann. Anders als bei der Kindergartenprügelei handelt es sich hierbei aber um keinen Sozialisationseffekt, der hilft, sich selbst und den eigenen Körper kennenzulernen. Im Gegenteil, er verunsichert und gibt das Gefühl, ungeliebt und gedemütigt zu sein. Fühlt sich ein Kind ungeliebt, kann es keine Liebe zu sich selbst aufbauen, wird unzufrieden und wütend. Vorbilder spielen für Kinder eine wichtige Rolle innerhalb ihrer Entwicklung. Doch nicht nur im eigenen Elternhaus. Spätestens mit Eintritt in den Kindergarten werden zusätzlich zur eigenen Peer Group auch die Erzieher, später auch die Lehrer wichtig. Es ist bekannt, dass zumeist Frauen diese Berufe ausüben. Für Jungs fehlen an dieser Stelle männliche Vorbilder in diesem wichtigen Bereich ihres Lebens. Doch auch männliche Erzieher sind nicht sehr hilfreich für die männliche Entwicklung, wenn diese genauso einschreiten, wenn zwei Jungs sich boxen. Es muss ja auch nicht immer das unkontrollierte Raufen und Prügeln sein. Mittlerweile gibt es Unmengen an Fachliteratur und sogar Seminare, in denen man sogenannte Rauf- und Ringelspiele erklärt bekommt. Auf jeden Fall müssen die erwachsenen Aufsichtspersonen in der Lage sein, die Grenze, die das Kind signalisiert, frühzeitig zu erkennen – damit eine Rangelei eine Rangelei bleibt und keine Gewalttat wird. Dafür sollten Erzieher sensibilisiert sein, nicht für das generelle Unterbinden. Einige Psychologen sehen in diesen Antigewaltmethoden, die kleinen Jungs verbietet, sich zu prügeln, übrigens auch einen Grund dafür, warum Schlägereien unter Jugendlichen immer stärker eskalieren und zu immer schwereren Verletzungen führen. Sie haben in ihrer frühkindlichen Entwicklung nicht gelernt, damit umzugehen. Sie wissen nicht, wo ihre eigenen Grenzen und die des anderen liegen, wie man Aggressionen auf anderen Wegen abbaut, Konflikte anders löst. 

Bösewichte und Ballerspiele – Der Einfluss der Medien 
Immer wieder werden Stimmen laut, dass Aggressionen bei Kindern auch, wenn nicht sogar ausschlaggebend mediengemacht sind. Hört man Medien und Gewalt in einem Satz, schrillen die Alarmglocken – und zwar alle. Man hat sofort die Amokläufer von Columbine und Winnenden vor dem inneren Auge. Hier bildet sich ein Teufelskreis: Die Medien verteufeln die Medien, schaffen „mediengemachte“ Attentäter und Amokläufer, schüren Angst in der Gesellschaft und der öffentlichen Meinung. Eltern befinden sich an dieser Stelle in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite ist es in dieser globalisierten Welt wichtig, Kindern frühzeitig einen medialen Hintergrund zu schaffen, auf der anderen Seite stellen eben diese Medien für die meisten der Generationen ungeahnte Gefahren dar. Folgt man der Gewaltwirkungsforschung, so ergibt sich die prozentuale Darstellung von Gewalttaten in Medien anteilig in etwa so:

Diagramm
Das wirkt auf den ersten Blick erschreckend – und das mag es auf den zweiten Blick durchaus auch sein. Doch hier wird von sogenannten „Erwachsenensendungen“ geredet. Soweit muss man nicht einmal gehen. Schon Tom & Jerry bieten genügend Gründe für diese Debatte. Bei solchen Sendeformaten stellt sich die Frage: Kann Gewalt durch lustige Darstellung entschärft werden? Oder können Kinder überhaupt einen Unterschied finden zwischen komischer Darstellung und Gewalt? Alle erinnern sich an Popeye, der für Olive mit einer Dose Spinat Brutus verprügelte. Befragt man Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren, unterscheiden diese zwischen wahrgenommenen Gewalttaten: Schlimm und weniger schlimm. Schlimm sind für sie Gewalttaten mit Waffengewalt, weniger schlimm diejenigen mit psychischer Gewalt oder gegen Gegenstände. Je nach Alter unterscheiden Kinder zwischen einfacher Situationskomik – Popeye isst eine Dose Spinat und macht Brutus fertig, Jerry lockt Tom in eine Falle und besiegt ihn damit – und dem später wahrgenommenen Wortwitz, wie zum Beispiel bei Spongebob Schwammkopf oder den Simpsons. Wie Kinder die Gewalt in den Medien wahrnehmen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel davon, in welchem Alter sie sich befinden, ob sie Realität und Fiktion unterscheiden können und nicht zuletzt, wie stark sie sich mit den einzelnen medialen Akteuren identifizieren. Ob Gewalt in den Medien – sei es Fernsehen, Film oder Videospiel – Kinder in ihrer Gewaltbereitschaft beeinflusst, ist wissenschaftlich nicht klar belegt. Für jede Position finden sich mindestens fünf Studien und nochmal zehn für die jeweiligen Zwischenpositionen. Das ist für viele Eltern mehr als irritierend. Man droht zu ersticken zwischen all den medialen Angeboten für Kinder, die schon mitten in der Nacht auf Sendung gehen und all den Theorien, die besagen, dass Kinder am besten niemals Fernsehen, geschweige denn mit all den anderen Medien in Berührung kommen sollten. Da steht man nun zwischen Globalisierung, Medialisierung und Beschützerfunktion. Selbst die Wissenschaftler und Fachleute sind sich nicht einig, ob es einen Zusammenhang zwischen Gewaltdarstellung – selbst bei Tom und Jerry – und tatsächlicher Gewaltbereitschaft bei Kindern gibt.

Was kann man tun, wenn das Kind aggressiv ist?

 

  • Bewegung: Bieten Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, ein Ventil für seine Aggressionen zu finden.
  • Angemessene Strafe: Achten Sie darauf, dass Sie nicht die Aggression an sich bestrafen. Vorwürfe und selber wütend werden sind kontraproduktiv. Sie gehört zu Ihrem Kind und hat eine Funktion, zum Beispiel Schutz. Strafen sollten immer im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten stehen. Macht Ihr Kind etwas kaputt, ziehen Sie ihm etwas Taschengeld ab, um den Gegenstand zu ersetzen. Zeigen Sie ihm, dass Sie nur das bestimmte Verhalten, in dem Fall das Kaputtmachen, nicht gut finden, Sie Ihr Kind aber lieben.
  • Lob: Loben Sie positives Verhalten. Dadurch stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes und verstärken gleichzeitig die guten Verhaltensmuster.
  • Aggressionen wenig beachten: Versuchen Sie, dem aggressiven Verhalten nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Erfährt Ihr Kind keine Beachtung für seine Aggression, gehen Psychologen davon aus, dass es dieses bald als sinnlos erachtet und ablegen wird.
  • Grenzen setzen: Zeigen Sie Ihrem Kind klar und deutlich seine Grenzen. Je besser es sie kennt, umso leichter fällt es ihm, diese einzuhalten.
  • Reden: Sprechen Sie mit Ihrem Kind. Zeigen Sie ihm, dass es immer zu Ihnen kommen kann. Erklären Sie ihm, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Konflikte zu lösen. 
  • Professionelle Hilfe suchen: Wenn Sie sich mit der Aggression Ihres Kindes überfordert fühlen, sollten Sie sich professionelle Hilfe suchen. Das können Beratungsstellen oder Psychologen sein, dort werden Sie Hilfe im Umgang mit dem aggressiven Verhalten Ihres Kindes finden. 
  • Zuneigung zeigen: Das ist am wichtigsten: Schenken Sie Ihrem Kind viel Liebe und Zuneigung. Es darf sich, auch wenn Sie es bestrafen, nicht ungeliebt fühlen.