Vorbild Finnland?
Wie könnte der Lehrerberuf in Deutschland attraktiver werden? Wie kann das Bildungssystem so ausgestaltet werden, dass Lernen und Lehren wieder mehr Freude machen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wird gern auf den PISA-Spitzenreiter Finnland verwiesen. Immer wieder pilgern Delegationen von Bildungspolitikern und Pädagogen in das skandinavische Land, um zu schauen, was die Finnen womöglich besser machen als wir Deutschen.
An Finnlands Bildungssystem gelten vor allem folgende Punkte als vorbildlich:
Hohes Ansehen des Lehrerberufs: Anders als in Deutschland ist der Lehrerberuf in Finnland sehr hoch angesehen, Lehrer erhalten eine ähnliche Wertschätzung wie Ärzte oder Anwälte. Das spannende daran: Finanziell begründet kann dieses Ansehen kaum sein, Lehrer verdienen in Finnland deutlich weniger als in Deutschland. Um Lehrer zu werden, muss man in Finnland wie in Deutschland studieren. Die Zahl der Bewerber in Finnland ist hoch, aber nur etwa zehn Prozent der Bewerber werden tatsächlich genommen. Auswahlkriterien sind anders als in Deutschland weniger der Notendurchschnitt oder die gewünschte Fächerkombination. Wichtigstes Kriterium ist ein ausführliches Auswahlgespräch mit dem Bewerber. Dort wird nach seiner Motivation gefragt, es wird geschaut, ob er Charisma hat und ob er gut mit Kindern arbeiten kann. Es steht weniger das Fachwissen im Vordergrund, sondern mehr die pädagogischen Kompetenzen. Günther Fuchs von der GEW Brandenburg bestätigt: „Finnische Lehrer sind als Experten für das Lernen wertgeschätzt, der Schwerpunkt liegt auf ihrer pädagogischen Ausbildung.“ Das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist in Finnland weniger autoritär: Die Schüler duzen ihren Lehrer und sprechen ihn mit dem Vornamen an.
Soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems: In Deutschland hängt es noch immer stark vom Elternhaus ab, ob man ein Gymnasium besucht oder eine Oberschule. Kinder, deren Eltern Abitur haben bzw. Akademiker sind, legen mit höherer Wahrscheinlichkeit das Abitur ab. In Finnland dagegen gelingt es, alle Schüler unabhängig von ihrem sozialen Status mitzunehmen. Als einen Grund dafür sehen Experten das lange gemeinsame Lernen an finnischen Schulen, wo erst nach der neunten Klasse entschieden wird, ob man das Abitur ablegen möchte. Bis zur sechsten Klasse werden die Schüler v.a. von ihrem Klassenlehrer unterrichtet, Fachlehrer werden erst ab Klasse sieben wichtig. Zudem gilt das Prinzip der nahen Schule: Es gibt relativ viele Schulen und diese haben durchweg einen guten Ruf. Die Schulwahl richtet sich nach dem Wohnort, so will man verhindern, dass sich bildungsstarke Familien besonders angesehene Schulen aussuchen und so Brennpunktschulen entstehen. Im Ergebnis ist das Leistungsgefälle sowohl zwischen den Schülern als auch zwischen den Schulen vergleichsweise gering.
Das Lernen lernen: In finnischen Schulen steht weniger die Vermittlung von Faktenwissen im Fokus. Die Kinder werden stattdessen frühzeitig dazu ermuntert, sich Themengebiete nach ihren Interessen und Neigungen selbständig bzw. in Gruppen zu erarbeiten. Geschlossene Klassenzimmer werden zunehmend zugunsten offener Lernräume aufgegeben. Zudem wird auf eine entspannte Atmosphäre wert gelegt: Wer morgens zur Schule kommt, legt nicht nur seine Jacke ab, er tauscht auch die Straßenschuhe gegen Hausschuhe. Auf jede Unterrichtsstunde folgt eine Pause von mindestens 15 Minuten. Schultage sollen spätestens 15.30 Uhr beendet sein. Den Schulen und den Lehrern wird viel Autonomie zugebilligt. Es gibt zwar einige nationale Rahmenvorgaben, doch was und wie unterrichtet wird, liegt vor allem in der Entscheidungshoheit der Kommunen, Schulen und Lehrer.
Günther Fuchs von der GEW hebt einen weiteren Punkt hervor: „In Finnland gibt es einen gesellschaftlichen Grundkonsens, was die Bildung von Kindern angeht – unabhängig vom Ergebnis der Wahlen. Das ist der eigentliche Unterschied zu uns.“ Dagegen gebe es in Brandenburg zu viele Experimente, wie zuletzt die Debatte um das Lesen- und Schreibenlernen gezeigt habe. „Hier bräuchten wir einen gesellschaftlichen Konsens, der auch mal einen Regierungswechsel übersteht und nicht ständig neue Versuche startet“, so Fuchs.
Deutschland | Finnland | |
Alter bei Einschulung | 6-7 Jahre | 7 Jahre |
Unterrichtsbeginn | 7.30/8.00 Uhr | 8.00/8.30 Uhr |
durchschn. Klassengröße | 21 Kinder | 20 Kinder |
Dauer Schulstunde | 45 Minuten | 45 Minuten |
Pausenzeiten | mind. 5 Min. | mind. 15 Min. |
Noten | ab Klasse 1/3 | ab Klasse 5 |
Hausaufgaben | ja | ja |
Leistungstests | ja | ja |
Schulessen | kostenpflichtig | kostenfrei |
gemeinsames Lernen | bis Klasse 4/6 | bis Klasse 9 |
Anteil Gymnasiasten | ca. 50 % | ca. 50 % |
Sommerferien | 6 Wochen | 10 Wochen |
durchschn. Lehrergehalt* | 65.720 USD | 45.250 USD |
Unterrichtsstunden/Lehrer* | 29/Woche | 18/Woche |
*Grundschulbereich, Quellen: www.finland.fi; QECD-Bildungsbericht 2018