Eine wichtige Voraussetzung für gesundes Wohnen sind möglichst wenig Schadstoffe. Wie man das erreicht und über eine besonders unterschätzte Gefahr, auf die Hausbesitzer und Mieter achten sollten, sprachen wir mit Uwe Münzenberg. Er ist Sachverständiger für Baubiologie und Innenraumdiagnostik und im Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Baubiologen.
Beginnen wir zunächst mit der Frage, was eigentlich ein Baubiologe macht.
In einem Satz zusammengefasst, unterstützt ein Baubiologe dabei, ein gesundes Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen.
Der Klassiker, der mir dazu einfällt ist Schimmel…
Schimmel ist tatsächlich sehr präsent, aber nicht immer das wirklich große Problem. Denn der häufig kleinflächiger Schimmelpilzbefall springt schnell ins Auge und kann doch relativ einfach beseitigt werden.
Gibt es Gefahren, die weniger offensichtlich sind?
Was fast immer übersehen wird, aber ein großes Risiko darstellt, ist das radioaktive Radon in Wohnräumen. Radon ist ein natürlicher Bestandteil der oberen Erdschichten und gelangt aus dem Erdinnern an die Oberfläche. Daher betrifft das vor allem Erdgeschoss- und Souterrain-Wohnungen und Gebiete mit höherer Radon-Belastung. Das Problem ist, dass Radon ein Innenraum-Schadstoff ist, den man weder sehen, noch riechen kann, der aber tödlich enden kann. Radon gilt als der Verursacher von Lungenkrebs. Dabei gilt für Radon einer der wenigen EU-weit gültigen Grenzwerte für Innenräume, die man tatsächlich einhalten müsste. Allerdings kümmert sich bisher darum keiner.
Und woher weiß ich, ob meine Wohnung bzw. mein Haus mit Radon belastet ist?
Dafür reicht es sich einen Passivsammler bzw. Radon-Dosimeter aufzustellen, wie man ihn kostengünstig von Fachlaboren beziehen kann. Für aussagekräftige Werte sollte man diesen sechs Monate aufstellen. Wenn dann tatsächlich ein erhöhter Wert gemessen wird, sollte man einen Baubiologen hinzuziehen, der weitere Maßnahmen einleitet. Während der Radon-Wert an Arbeitsplätzen künftig verpflichtend kontrolliert werden muss und auch in vielen Schulen bereits geprüft wurde, ist es in Wohnungen der Eigeninitiative der Bewohner überlassen.
Lässt sich allgemein sagen, wie gesund oder ungesund die Deutschen wohnen?
Aussagekräftige Studien dazu gibt es nicht. Aber generell lässt sich sagen, dass die Deutschen im internationalen Vergleich mehr Wert auf ihr Wohnumfeld legen und im Vergleich relativ gesund wohnen. Das gilt übrigens für den gesamten deutschsprachigen Raum, also auch Österreich und die Schweiz. Hier achtet man sehr auf den Innenraum.
Wenn Nachwuchs ansteht, beginnen viele Paare mit dem „Nestbau“ und richten ein Kinderzimmer ein. Was können sie tun, damit das Kind dort gesund aufwachsen kann?
Ideal wäre es natürlich einen Baubiologen hinzuziehen, das wird aber in den seltensten Fällen klappen. Da Kinder stärker als Erwachsene mit Oberflächen wie Wänden und Böden in Berührung kommen, ist es wichtig im Kinderzimmer bei den verwendeten Materialien auf Inhaltsstoffe zu achten, beispielsweise Weichmacher, Lösungsmittel oder Biozide wie Topfkonservierer.
Und woran erkenne ich geeignete Materialien?
Es gibt viele unterschiedliche Gütesiegel, die können eine erste Orientierung bieten, sind aber kein Garant für sichere Materialien. Jedes Siegel setzt andere Schwerpunkte, beispielsweise Nachhaltigkeit oder der Ausschluss bestimmter Inhaltsstoffe, aber keines garantiert völlige Unbedenklichkeit. Sinnvoller ist es daher, sich vor dem Kauf zu informieren, beispielsweise über Ökotest. Gut geeignet ist hingegen das Siegel nature plus, das testet aber keine klassischen Baumarkt-Produkte.
Wie sieht ein wohngesundes Kinderzimmer im Idealfall aus?
Neben dem oben Gesagten gilt, was im Grunde für den ganzen Wohnraum wichtig ist: ausreichend Frischluft und gutes flimmerfreies Licht ist kein Schaden. Ein unterschätzter Beitrag bezüglich einer gesunden Innenraumluft ist die Reinigung. Staubsauger nur mit sogenanntem Hepa-Filter verwenden und für die Reinigung der Oberflächen sollte man auf die Verwendung unnötiger Chemikalien verzichten. Denn alle wohngesunden Materialen nutzen wenig, wenn durch komplexe Reinigungsmittel die Raumluft immer wieder aufs neue belastet wird.
Worauf sollte ich sonst beim Hausbau besonders achten?
Ein Thema, das tatsächlich extrem unterschätzt wird, ist ausreichend Frischluft. Fenster und Wohnräume sind heute so gut abgedichtet, dass sich die Luft innen nicht austauscht. Und die normale Fensterlüftung reicht in den seltensten Fällen aus. Praktikabler und effektiver sind mechanische Lüftungssysteme, die für automatischen Luftaustausch sorgen. Während der Einbau solcher Systeme in Neubauten in vielen Ländern bereits Pflicht ist, hinkt Deutschland da noch hinterher.