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Wie Kinder besser schlafen – und Eltern ebenfalls
„Kinder sind Schlafräuber“ – das ist die zugespitzte Zusammenfassung des Schlafmediziners Hans-Günter Weeß aktueller Studien zum Thema. Demnach rauben Kinder in den ersten Lebensjahren ihren Eltern den Schlaf, vor allem den Müttern. Bis diese wieder so gut und lange schlafen wie vor ihrer Elternschaft, dauert es in der Regel bis zum sechsten Geburtstag ihres jüngsten Kindes. Eine 2007 von der US-amerikanischen Schlafstiftung veröffentlichte Studie zum Schlafverhalten von Frauen bestätigt diesen Eindruck: Mütter mit Kleinkindern schlafen besonders schlecht. 42 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie nachts selten oder nie gut schlafen, so viele wie in keiner anderen Gruppe.
In Familien spielt das Thema Schlaf von Beginn an immer wieder eine große Rolle: Wie lernt mein Kind allein einzuschlafen? Soll es in seinem Bett schlafen oder im Elternbett? In welchem Alter braucht es keinen Mittagsschlaf mehr? Wie bringt man überdrehte Kinder zur Ruhe? Grund genug, dass wir uns etwas genauer mit dem Thema beschäftigen und die wichtigsten Fragen der Eltern beantworten.
Was passiert im Schlaf?
Warum ist Schlafen eigentlich so wichtig? Der Körper nutzt die Zeit des Schlafens, um sich zu erholen und zu regenerieren. Dazu schüttet die Hirnanhangdrüse in der Tiefschlafphase Wachstumshormone aus, die Aufbauprozesse an Stoffwechsel und Organen in Gang setzen und Zellen reparieren. Wer ausreichend schläft, stärkt sein Immunsystem. Im Schlaf bildet der Körper Abwehrzellen. Nicht umsonst ist eine der wichtigsten Therapien bei Infekten Bettruhe. Schlaf kann zudem Übergewicht vorbeugen. Beim Schlafen schütten wir ein Hormon aus, das Appetit und Hunger zügelt. Das Robert-Koch-Institut schreibt in seiner Kindergesundheitsstudie Kiggs: „Im Hinblick auf die Bedeutung des Schlafes für eine gesunde Entwicklung von Kindern und die Prävention von Adipositas im Kindesalter, sollte darauf geachtet werden, dass Kinder ausreichend und möglichst ungestört schlafen.“ Kinder, die regelmäßig zu wenig Schlaf bekommen, haben folglich ein höheres Risiko übergewichtig zu werden. Etwas vereinfacht, kann man zudem behaupten: Schlafen macht schlau. Das Gehirn verarbeitet Erlebnisse und Ereignisse des Tages, leert den Kurzzeitspeicher und füllt den Langzeitspeicher.
Bei Kindern passieren während des Schlafs ganz ähnliche Dinge wie bei Erwachsenen. Hier allerdings dienen die Wachstumshormone nicht nur der Regeneration, sondern tatsächlich dem Wachstum. Kinder wachsen vor allem im Schlaf. Und sie wiederholen im Schlaf Dinge, die sie tagsüber neu gelernt haben, seien es neue Wörter, Bewegungsabläufe beim Radfahren und Schwimmen oder Matheaufgaben.
Sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen wechseln sich nachts Tief- und Traumschlafphasen ab. In den Tiefschlafphasen fahren unsere Körperfunktionen wie Atmung und Herzschlag herunter, der Körper ruht. In den Traumphasen dagegen läuft das Gehirn auf Hochtouren, Atmung und Puls werden unregelmäßig, wir stehen quasi unter Strom, auch wenn wir uns kaum bewegen – die Muskeln sind schlaff. Kinder haben übrigens einen deutlich höheren Anteil an Traumschlafphasen als Erwachsene. Eine noch nicht belegte Theorie, warum das so ist, besagt, dass man in jungen Jahren viele komplexmotorische Dinge verarbeiten muss wie krabbeln, radfahren, schwimmen – und das passiert im Traumschlaf.
Der Schlaf ist also immens wichtig. Umso bedauerlicher, dass wir Menschen ihn nicht wirklich wertschätzen: Schlafmütze gilt nicht als Kompliment, während Morgenstund Gold im Mund hat. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin hat eigens einen Aktionstag für erholsamen Schlaf ins Leben gerufen und mahnt: „Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Trotzdem stehen mehr als 80 Prozent der Deutschen morgens mit dem Wecker auf und beenden das wichtigste Regenerationsprogramm des Menschen vorzeitig, bevor es alle seine Aufgaben erfüllt hat. Der Mensch ist das einzige Lebewesen auf unserem Planeten, welches seinen Schlaf künstlich vorzeitig verkürzt und nicht ausschläft.“ Eine jüngst veröffentlichte Umfrage belegt diesen Trend ebenfalls: Demnach gab nur jeder zweite Deutsche an, dass er genug schläft.
So viel Schlaf brauchen Kinder
Wer einen Nachmittag mit einem Kleinkind verbringen darf, dem der Mittagsschlaf fehlt, der weiß wie wichtig Schlaf auch für Kinder ist. Sobald sie übermüdet sind, werden sie – nun ja, etwas ungemütlich. Doch wieviel Schlaf braucht ein Kind in welchem Alter? Es gibt sehr wohl Richtwerte, die diese Frage beantworten. Doch der tatsächliche Schlafbedarf ist so individuell wie jedes Kind. Es gibt Dreijährige, die nach zehn Stunden Nachtschlaf fit sind, während andere Kinder in dem Alter noch 13 Stunden benötigen.
Für Eltern heißt das: Selbst wenn das eigene Kind zwei Stunden mehr oder weniger als der Durchschnitt schläft, ist das kein Grund zur Sorge, solange alles in Ordnung ist, das Kind gesund und ausgeschlafen wirkt. Wer dennoch unsicher ist und wissen möchte, wie viel Schlaf das eigene Kind braucht, kann für etwa eine Woche ein Schlaftagebuch führen. Dazu sollten Kinder eine Woche lang ausschlafen können (bei Schulkindern am besten in den Ferien). Aus der Einschlaf- und der Aufwachzeit lässt sich der individuelle Schlafbedarf berechnen. Bei Babys und jüngeren Kindern werden noch Schlafphasen am Tag bzw. der Mittagsschlaf dazu gerechnet. Bei Unsicherheiten kann man die Einträge aus dem Schlaftagebuch dem Kinderarzt vorlegen und auswerten lassen. Wenn ein Kind abends lange zum Einschlafen braucht oder morgens nur schwer aus den Federn kommt, könnte das darauf hindeuten, dass es zu viel oder zu wenig schläft. Wichtig ist, dass Eltern die Zubettgehzeit dem Alter der Kinder im Laufe der Jahre anpassen, aber auch Schulkinder wochentags pünktlich ins Bett stecken. So warnt der Kinderschlafmediziner Prof. Dr. Thomas Erler: „In Studien konnte festgestellt werden, dass Schulkinder innerhalb einer Schulwoche ein bis zwei Stunden weniger Schlaf finden, als in der Ferienzeit und am Wochenende.“ Das könne zu erhöhter Nervosität und Ängstlichkeit führen, in der Folge auch zu Reizoffenheit, Provokationen und motorischer Überaktivität.