Immer mit der Ruhe
Wir befinden uns wieder im Supermarkt mit dem schreienden Kind an der Kasse. Sie haben alle Grenzen konsequent und sachlich formuliert und dennoch hört Ihr Kind nicht. Also haben Sie Ursachenforschung betrieben. Hier stellt sich die Frage, ob Ihr Kind nie und zwar wirklich niemals auf Ihre Regeln und Grenzen hören möchte oder ob es Einzelsituationen sind. Trifft der erste Fall zu, sollten Sie sich nicht scheuen, Hilfe aufzusuchen. In den meisten Fällen ist der Kinderarzt die erste Anlaufstelle. Er kann Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und Sie gegebenenfalls an Psychologen oder Pädagogen verweisen. Außerdem können Sie sich an Jugend- und Familienberatungsstellen wenden.
Handelt es sich bei Ihrem Problem jedoch um einzelne Situationen und Ihr Kind akzeptiert und befolgt ansonsten die von Ihnen gesetzten Regeln, gibt es kleine Tipps, um in Momenten wie diesem an der Kasse die Nerven zu behalten.
Bis zehn zählen: So simpel dieser Rat klingt, so hilfreich ist er aber. Reagieren Sie nicht spontan auf die Grenzüberschreitung Ihres Kindes. Zählen Sie bis zehn und atmen Sie tief durch. Wenn nötig wiederholen Sie dieses Prozedere. Wenn Sie selbst ruhig sind, überträgt sich das auch auf Ihr Kind und die Situation kann sich nicht hochschaukeln.
Guck mal da drüben: Ablenkung ist vielleicht nicht die feine englische Art, vermeidet aber in banalen Alltagssituationen wie der an der Kasse Konfrontationen. Dieser Tipp funktioniert vor allem bei jüngeren Kindern und in kleinen Alltagssituationen.
Vorbeugen: Legen Sie vorher fest, was danach passiert. Ihr Kind möchte eine halbe Stunde länger fernsehen? Dann soll es erst sein Zimmer aufräumen und darf das gerne am Wochenende, wenn es nicht am nächsten Tag früh aufstehen muss. Sie schaffen somit ein Belohnungssystem, dass das Entstehen von Freiräumen und Grenzen verbindet.
Auch Kinder setzen Grenzen
Grenzen gelten nicht nur für Kinder, Gleiches gilt umgekehrt auch für Eltern. Die Grenze hier heißt Privatsphäre. Die von Ihrem Kind sollten Sie auf jeden Fall wahren. Das bedeutet nicht, dass ein Kind zum Beispiel in seinem Zimmer tun und lassen kann, was es möchte. Aber Handy und Tagebuch sind für Sie Tabu. Auch hier gilt wieder die Goldene Regel. Lassen Sie Ihrem Kind seine Geheimnisse. Das kann in manchen Fällen eine Gratwanderung werden, das merken die meisten Eltern vor allem, wenn die lieben Kleinen in die Pubertät kommen. Vertrauen Sie Ihrem Kind. Sollten Sie den Verdacht haben, dass es irgendwelche schädlichen Einflüsse in seinem Leben gibt, dann suchen Sie zuerst das Gespräch zu Ihrem Kind und versuchen Sie nicht, auf eigene Faust zu ermitteln.
Kinder haben Rechte und die sollten in jedem Fall gewahrt werden. Dadurch, dass Sie seine Privatsphäre respektieren, lernt Ihr Kind, dass es eben ein Recht darauf hat. Durch das gegenseitige Einhalten der gesetzten Grenzen kann Ihr Kind zu einem verantwortungsvollen, selbstständigen Menschen heranwachsen, der sich in der Welt, die ihn umgibt, sicher zurechtfindet. Dadurch, dass Sie Grenzen setzen, lernt Ihr Kind den Wert einer solchen Grenzen kennen und kann diese wiederum selbst definieren. Auch für Kinder ist es wichtig, „Nein“ sagen zu können. Das beginnt bei der Tante, die einen immer wieder drücken möchte und endet bei dem Mann, der mit Bonbons in das Auto lockt. Dabei handelt es sich natürlich um ein Extrem. Dennoch verdeutlicht es, wie wichtig die Erfahrung von und der Umgang mit Grenzen für Kinder ist. Es gibt viele Angebote, die es alleine darauf abzielen, Kindern beizubringen „Nein“ zu sagen. Nicht zuletzt, damit sie sich selber schützen können. Doch nur, wer Grenzen kennt und es gelernt hat diese auch einzuhalten, kann selbst an seinen eigenen festhalten.
Die Festlegung von Grenzen betrifft als Teil des Erziehungs- und somit Sozialisationsprozesses natürlich nicht nur den Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern. Kinder erfahren die Welt, in der sie leben, oftmals zusammen mit Gleichaltrigen. Im Umgang mit anderen Kindern können sie Verhaltensweisen erproben. Beim Gerangel im Sandkasten, beim Wetteifern um das schönste Bild im Kunstunterricht und unzähligen anderen Situationen lernen sie darüber hinaus auch ihre eigenen Grenzen beinahe besser kennen als im Umgang mit ihren Eltern. Hier stellt sich heraus, wie viel Hänselei und wie viel Niederlage man selbst ertragen kann, da die anderen ja ebenbürtig sind. In dieser Erprobungsphase sollten Eltern, Erzieher und Lehrer oder andere anwesende Erwachsene immer ein Auge darauf haben und zur Not auch regulierend eingreifen. Denn auch wenn Kinder mit anderen Kindern ihre eigenen Grenzen erfahren, lernen sie erst noch den Umgang mit den persönlichen Grenzen anderer.