Gesundes Backwerk

Datum: Mittwoch, 25. November 2020 13:39

„Genuss gehört zu einer gesunden Ernährung“

Vielfalt auf dem Teller ist wichtiger als Verbote, sagt Michael Wippler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Im Interview spricht er über aktuelle Trends im Bäckerhandwerk und gibt einen Tipp für die Weihnachtsbäckerei in der heimischen Küche.

Wir schauen in dieser lausebande-Ausgabe auf gesunde Backwaren. Inwiefern können (süße) Backwaren zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung beitragen?

Zu einer gesunden Ernährung gehört Genuss. Ob etwas „ungesund“ ist, hängt primär von der verzehrten Menge ab. Ausgewogene Ernährung bedeutet immer Vielfalt. Gerade für Kinder ist es sehr wichtig, diese Erfahrung frühzeitig zu machen. Und zu dieser Vielfalt zählen fraglos Brot, Backwaren und eben auch Kuchen. Für Kinder weist nicht der freudlos erhobene Zeigefinger den Weg in eine gesunde Ernährung, sondern Wissen um Nahrung.

Die Zahl der Bäckereien nimmt seit Jahren stetig ab. Ein Grund dafür ist die Konkurrenz durch Backstationen im Supermarkt. Wie können Sie die Leute überzeugen, Brot und Kuchen wieder mehr beim Bäcker zu kaufen?

Zwar sinkt die Zahl der Bäcker leicht, aber die Zahl der Verkaufsstellen bleibt stabil. Fast die Hälfte der Brotumsätze werden weiterhin bei den Handwerksbäckern getätigt, obwohl alle Supermärkte Aufbackstationen betreiben. Brot, Backwaren und Kuchen vom Innungsbäcker stehen für Handwerk, Qualität und Regionalität. Die Produkte sind einfach echter und die Verbraucher wissen das zu schätzen. Gerade seit der Corona-Pandemie ist ein verstärkter Trend zu verzeichnen, dass die Menschen bewusster konsumieren und bei ihren Kaufentscheidungen Wert auf Qualität legen. Beim Bäcker um die Ecke weiß man noch, was man in die Tüte bekommt.

Die Produkte der Backstationen sind unschlagbar billig – warum sollte ich zum Bäcker gehen, wo ich deutlich mehr bezahle?

Im Gegensatz zu den billigen „Käfigbrötchen“ im Supermarkt bekommen Verbraucher mit den Backwaren vom Innungsbäcker ein Qualitätsprodukt. Auch das können Kinder leicht erlernen: Vielleicht schmecken aufgebackene Brote und Brötchen einigermaßen. Ein gutes, handwerklich produziertes Brot bleibt jedoch länger frisch und ist selbst nach mehreren Tagen noch lecker. Der Bäckermeister nimmt sich für den Backprozess viel mehr Zeit als es die Industriebäckereien können und wollen. Innungsbäcker produzieren zudem regional: Sie beziehen ihre Rohstoffe in der Region, produzieren vor Ort und sichern dort Arbeitsplätze. Das ist zum einen nachhaltig, unter anderem, weil weniger LKW-Verkehr über lange Strecken notwendig ist, und zum anderen gesellschaftspolitisch ein hohes Gut: Letztlich sichern Handwerksbäcker die Nahversorgung vor Ort und zugleich die Jobs vieler gut ausgebildeter Menschen.

Wieviel Handarbeit steckt heute noch im Bäckerhandwerk?

Eine ganze Menge! Zwar setzen Handwerksbäcker heutzutage auf maschinelle Unterstützung, beispielsweise beim Brötchenformen, vergleichbar einem Tischler, der hochwertige Möbel mit maschineller Hilfe fertigt. Doch vieles, was in einer Backstube passiert, geht nur mit professioneller Handarbeit. Der Personaleinsatz und damit die Kostenstruktur eines Bäckermeisters sind daher deutlich höher. Und das so entstandene Produkt hat seinen Wert.

Selbst in Bäckereien werden heute Zusatz- und Hilfsstoffe eingesetzt. Kann man ohne nicht mehr backen?

Seit Generationen setzen Menschen alles daran, die Rohstoffe, aus denen Brot und Backwaren entstehen, sowie das Backen selbst zu verbessern. Wer zu Hause beispielsweise einfaches Backpulver in die Rührschüssel für den selbstgemachten Kuchen gibt, verwendet laut Rezept eine Zutat. Beim Bäcker würde dies als Zusatzstoff deklariert. Viele in abgepacktem, also meist industriell hergestelltem Brot enthaltenen Zusatzstoffe sind darüber hinaus in dem Brot, das man beim Handwerksbäcker als lose Ware kauft, nicht zugelassen und daher nicht enthalten. Dazu zählen zum Beispiel Konservierungsstoffe und Farbstoffe.

Weizenmehl hat eher einen schlechten Ruf – ist das berechtigt?

Mehle aus Weichweizen, oder den Weizenarten Dinkel oder Emmer, sind hochwertige Rohstoffe und liefern einen wichtigen Beitrag zur Ernährung – in Backwaren, Nudeln oder anderen Produkten. Zugleich ist Weizen das wichtigste Getreide aus heimischer Produktion, was sich auch im Brotkorb der Deutschen zeigt: Brote aus Weizenmehlen überwiegen.

In vielen Bereichen des Handels ist der Absatz von Bio-Produkten gestiegen. Welche Rolle spielt Bio im Bäckerhandwerk?

Im Bäckerhandwerk ist Bio nur eine recht kleine Nische. Für die Kaufentscheidung ist für viele Menschen Regionalität viel wichtiger. Aus unserer Sicht ist bei Backwaren eher „Regionalität“ das „neue Bio“: Immer mehr Verbraucher setzen bei ihren Kaufentscheidungen auf Regionalität: Kurze Transportwege, dezentrale Strukturen, regionale Wertschöpfungsketten.

In einigen Bäckereien findet man mittlerweile Produkte mit Urgetreide wie Emmer. Ist das ein langfristiger Trend?

Urgetreide ist ein seit Jahren stetiger zunehmender Trend bei Backwaren. Im Brotkorb der Deutschen hat beispielsweise Dinkel seit kurzem ein eigenes Feld erhalten, immerhin 3,4 % der Brote sind Dinkelbrote.

Low Carb, vegan, glutenfrei. Selbst beim Bäcker findet man diese Begriffe mittlerweile. Welche weiteren Trends werden das Bäckerhandwerk in den kommenden Jahren prägen?

Handwerksbäcker gehen mit der Zeit und backen, was die Kunden wünschen. Dazu gehören auch Trends wie LowCarb, Protein und vegane Produkte. Die Vielfalt ist enorm und die Kreativität der Handwerksbäcker ist ungebrochen. In jedem Fall gehen wir davon aus, dass auch in Zukunft neue Brot- und Backwaren auf dem Tisch der Verbraucher stehen werden.

Woran erkenne ich einen guten Bäcker?

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Einen Handwerksbäcker erkennen Kunden in den meisten Fällen am Innungslogo. Mit unserer praktischen App „Bäckerfinder“ oder unter www.bäckerfinder.de können Verbraucher jederzeit und an jedem Ort einen guten Bäcker finden. Viele der Bäcker haben bei den Brotprüfungen mitgemacht und sind mit „Krönchen“ gekennzeichnet. Wenn die Backwaren dann auch noch den persönlichen Geschmack treffen, hat man alles richtig gemacht.

Die Plätzchenzeit steht an. Worauf sollten Hobbybäcker beim Einkauf der Backzutaten achten?

Auf Qualität kommt es an, je besser die Zutaten, desto besser das Backergebnis.