„Man bekommt das Internet nicht mehr weg.“
Frau Rausch-Jarolimek ist seit April 2012 Geschäftsführerin bei fragFINN e.V. Sie ist studierte Medienpädagogin und war vor ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin acht Jahre bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) für den Bereich Medienpädagogik zuständig.
Hallo Frau Rausch-Jarolimek, was steckt hinter dem Namen fragFINN?
fragFINN ist ein geschützter Surfraum für Kinder im Alter von sechs bis 12 Jahren. Das bietet Kindern die Möglichkeit innerhalb dieses Raumes Angebote zu finden, die für ihr Alter interessant und unbedenklich sind. Diese Angebote sind alle von unseren Medienpädagogen geprüft worden und sind somit auch alle für Kinder geeignet. Mittlerweile umfasst fragFINN über 10.000 Domains und davon circa 800 deutschsprachigen Kinderseiten. Es ist also ein sehr großer Surfraum, der Kindern hier zur Verfügung steht und ihnen ermöglichen soll, sich bei den ersten Schritten im Internet zu orientieren und das sichere Suchen und Recherchieren zu lernen.Mit der Kindersuchmaschine fragFINN.de werden nur diese geprüften Angebote aufgefunden. Außerdem stellen wir Eltern technische Hilfsmittel vor, mit deren Hilfe der Surfraum weiter abgesichert werden kann. Das gibt auch Eltern noch mehr Sicherheit, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind.
Wie kam es zu fragFINN?
Die Seite ist vor fünf Jahren ins Leben gerufen worden. Der Hintergrund ist die Initiative „Ein Netz für Kinder“. Dabei handelt es sich um eine Initiative der Bundesregierung. Es soll gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft ein sicherer Surfraum für Kinder eingerichtet werden und das Vertrauen von Eltern und Lehrern in das Internet gestärkt werden.
Die Sicherheit ist vor allem den Erwachsenen wichtig – Kinder möchten Spaß und Unterhaltung...
Genau, Kinder nehmen den Schutzaspekt häufig gar nicht wahr. Das ist etwas, das Eltern und Lehrern wichtig ist. Kinder sollen auch nicht unbedingt merken, dass sie sich in einem geschützten Raum befinden. Im Gegenteil – sie sollen so viele Angebote darin finden, dass sie nicht auf die Idee kommen, darüber hinaus noch nach anderen Angeboten zu suchen. Deswegen haben wir so viele Angebote, auch solche, die sich an Erwachsene richten, aber für Kinder geeignet sind. Es geht nicht nur darum Kindern Wissen zu vermitteln, sondern auch darum, die Interessen von Kindern zu befriedigen, z.B. mit Kinderchats oder Internetadressen von Freizeitvereinen in der Umgebung.
Sollten Kinder sich überhaupt im Internet bewegen?
Ich glaube heutzutage kann man Kindern das Internet nicht mehr vorenthalten. Man muss sie aber genauso wenig zwingend daran setzen. Das Internet gehört immer mehr zum täglichen Leben dazu. Das wird noch durch Smartphones und Tablet-PCs gesteigert. Mit Blick auf die späteren Berufschancen eines Kindes, kann es ab einem bestimmten Alter sogar kritisch werden ihm den Zugang zum Internet zu verwehren. Wichtig ist es, sein Kind an die Thematik heranzuführen und es dabei auf keinen Fall allein lassen. Eltern sollten diese ersten Schritte begleiten, sich mit ihrer eigenen Internetnutzung kritisch auseinander setzen und im ständigen Kontakt über die Interessen und Wünsche mit dem Kind stehen.
Ab welchem Alter kann man sein Kind mit medialen Produkten, wie Internet, Konsolen, Smartphones und Co in Berührung bringen?
Grundsätzlich gibt es kein Alter, von dem man sagen kann, dass geht gar nicht. Die Frage ist, wie sinnvoll ist es? Man muss insgesamt, unabhängig davon, was die Kinder nutzen, darauf achten, dass sie bestimmte Zeiten nicht überschreiten. Kleinkinder sollten nicht länger als eine halbe Stunde am Tag mit solchen Produkten beschäftigt sein. Wenn das Kind also zum Beispiel schon eine halbe Stunde vor dem Fernseher verbracht hat, sollte es nicht noch eine halbe Stunde vor dem Computer sitzen. Man sollte ein gesundes Maß finden, dass sich durch die verschiedenen Altersstufen hindurchzieht. Natürlich können Kinder, wenn sie älter werden auch länger mediale Angebote nutzen.
Man muss aber ganz klar sagen, dass die ganz Kleinen nie alleine solche Angebote und Produkte nutzen sollten. Auch nicht beim Fernsehen. Eltern sollten das immer im Blick haben. Kinder verstehen viele Dinge noch nicht und haben Fragen. Diese Fragen sollten Erwachsene beantworten können und das geht nur, wenn man weiß, was das Kind gesehen hat.
Woran erkennt man kind- und altersgerechte Angebote im Netz?
Bei Internetangeboten gibt es verschiedene Gütesiegel. Seiten, die wir geprüft haben, können den sogenannten „Gecheckt!-Button“ integrieren, was viele Betreiber auch machen. Daran kann man erkennen, dass die jeweilige Seite für Kinder bis 12 Jahre als sicher und unbedenklich eingeschätzt wird. Außerdem gibt es den Erfurter Netcode, das Netzwerk Seitenstark oder vom die Klicktipps von Jugendschutz.net, die gute Kindernetzseiten empfehlen. Da gibt es ganz verschiedene Sachen.
Erkennt man diese Gütesiegel auf den ersten Blick?
Meistens muss man schon etwas genauer hinschauen. Meist sieht man das Logo, dass eingebunden ist, aber oft ist es nicht ganz so einfach. Geht man über „Startrampen“, wie fragFINN.de oder die anderen Seiten, die ich genannt hatte, kommt man nur auf geprüfte Angebote.Ansonsten kann man andere Anhaltspunkte suchen. Meistens findet man im Impressum einen Hinweis darauf, ob es ein solch ein Gütesiegel gibt. Im Zweifelsfall muss man die Schleife zurückgehen und nachschauen, ob man die Seite über fragFINN oder auf anderen Kinderportalen findet. Das Problem ist, dass es keine Verpflichtung für den Anbieter gibt, zu kennzeichnen, dass die Seite mit dem und dem Qualitätssiegel versehen ist.
Welche Angebote nutzen Kinder Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Wenn man davon ausgeht, was bei der Kindersuchmaschine frag.FINN.de am meisten gesucht wird, sind es vor allem Spiele und Kommunikationsmöglichkeiten.
Es gibt eine ständige Diskussion über soziale Netzwerke. Ab welchem Alter kann man seinem Kind den Zutritt dazu erlauben?
Generell ist es so, dass in den jeweiligen AGBs festgehalten ist, ab welchem Alter ein Zutritt möglich ist. Das ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich und hat sich im Laufe der letzten Jahre nach unten verschoben. Es gibt aber Kindercommunities, die abgesichert sind und bei kontrolliert wird, ob nur Kinder angemeldet sind. Es gibt also auch altersgemäße Communities für die bis 12-Jährigen. Natürlich kommen Kinder irgendwann an den Punkt, an dem sie sagen, dass sie zu Facebook möchten. Dann ist es wichtig, dass sie frühzeitig aufgeklärt wurden und Erfahrungen mit dem Medium Internet und dem Umgang mit Communities gesammelt haben, die sie dann dort übertragen können.
Wie viel Kontrolle sollten Eltern bei der Internetnutzung ihrer Kinder allgemein und in sozialen Netzwerken speziell ausüben?
Man sollte die ersten Schritte seines Kindes in diesen Bereichen so viel wie möglich begleiten. Dazu gehört, dass man auch in Kindercommunities einen Blick drauf hat. Man sollte in jedem Fall und frühzeitig erklären, dass man bestimmte Daten einfach nicht veröffentlichen soll. Das bezieht sich auf die Angaben im Profil, genauso wie auf den Fall, dass man von jemandem, den man nur über die Community kennt, danach gefragt wird.Außerdem sollten Eltern darauf achten, ob Moderatoren präsent sind und ob es bekannte Melde- und Hilfemöglichkeiten gibt. Je mehr Eltern das Gefühl haben, dass ihr Kind das verstanden und verinnerlicht hat, umso mehr kann man Stück für Stück loslassen und muss nicht zwingend dahinter sitzen und aufpassen.Dieses Loslassen sollte aber wirklich erst dann passieren, wenn man sich sicher ist, dass das Kind den sorgfältigen Umgang mit seinen Daten gelernt hat und sich auch der möglichen Gefahren bewusst ist. Man sollte seinen Kindern in punkto Gefahren auch nichts vormachen. Kinder sollen natürlich wissen, was ihnen passieren kann, wenn sie sich mit einem Fremden treffen.
Sie sagten bereits, dass Kinder irgendwann, meist in der Pubertät, zu Facebook wechseln möchten. Das ist für viele Eltern ein Schreckgespenst, nicht nur wegen eskalierender Partys. Wie können Eltern damit umgehen?
Das ist der Punkt – es ist wichtig, dass man die Internetnutzung seines Kindes sorgfältig begleitet und ihm frühzeitig vermittelt, wie der richtige Umgang damit stattfindet. Es ist so, wie mit allen anderen Dingen auch, die Kinder von klein an lernen müssen. Auch wenn das Kind mit 13 Jahren das erste Mal vor einem Computer sitzt, muss man ihm vorher erklären, dass es solche Risiken gibt. Wenn in der Zeitung oder im Fernsehen über eine Facebook-Party mit mehreren hundert Gästen, die aus Versehen eingeladen wurden, berichtet wird, die von der Polizei beendet werden musste, kann man sein Kind mit hinzuziehen und ihm diese Beiträge zeigen. Dadurch werden Kinder sensibilisiert. Das ist natürlich ein ganz großer Erziehungsauftrag neben all den anderen, die Eltern erfüllen müssen. Unserer Erfahrung nach wird er allerdings noch nicht ernst genug genommen.
Das könnte daran liegen, dass viele Eltern selbst Anfänger im Bereich des Internets sind, das sich zudem auch rasant entwickelt.
Das kommt erschwerend hinzu, dass sich Eltern erst selbst einarbeiten müssen. Das kostet natürlich sehr viel Zeit, die aber sehr sinnvoll investiert ist. Wenn Eltern das Internet verteufeln oder meiden, ist das fatal. Fakt ist, man bekommt das Internet nicht mehr weg. Deswegen muss man zusehen, dass man die Chancen nutzt, für sich selbst und für die Kinder, sich Risiken und Möglichkeiten bewusst zu machen und einen kompetenten Umgang mit dem Medium zu erlernen. Dann kann man das Internet am Ende auch gewinnbringend nutzen. Projekte und Initiativen wie fragFINN.de setzen da an. Es gibt einen ausführlichen Erwachsenenbereich, in dem Eltern Informationen und Tipps zum sicheren Surfen von Kindern im Internet und weitere Anlaufstellen.
Für welche Gefahren und Risiken sollten Eltern besonders sensibilisiert sein?
Zunächst muss einem bewusst sein, dass das Internet riesig ist und es etwas wie Ländergrenzen einfach nicht gibt. Es gibt unzählige von Inhalten, davon ist wiederum eine Vielzahl nutzergeneriert. Nicht alle Inhalte sind für Kinder geeignet, aber theoretisch und auch praktisch können Kinder alles finden. Das können Inhalte mit Gewaltdarstellungen sein oder die Möglichkeit, dass man seine persönlichen Daten preisgibt. Es ist wichtig, dass Eltern sich damit auseinander setzen und wissen, dass sie die Möglichkeit haben sich an Beschwerdestellen zu wenden, wenn sie oder ihre Kinder auf problematische Inhalte gestoßen sind. Da gibt es zum Beispiel die Internetbeschwerdestelle, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) betrieben wird. An diese Stelle kann sich jeder kostenlos wenden. Außerdem sollten Eltern immer für ihr Kind ansprechbar sein. Wenn Kinder auf problematische Inhalte und dergleichen stoßen, haben sie oft Hemmungen sich an ihre Eltern zu wenden. Eltern sollten in diesem Punkt Offenheit signalisieren und ihrem Kind nicht unterstellen, dass es diese Seiten absichtlich aufgerufen hat.
Was raten Sie Eltern abschließend zu diesem Thema?
Aus unserer Erfahrung fehlt es Eltern am technischen Wissen um Schutzmöglichkeiten, wie zum Beispiel Jugendschutzprogramme oder Filtersoftware. Vor diesem Bereich sollten Eltern jedoch nicht zurückschrecken. Es gibt außerdem die Möglichkeit fragFINN als Startseite im Browser einzurichten. Mit solchen Mitteln kann man dafür sorgen, dass das Kind nur in geschützten Räumen surft.
Vielen Dank für das Gespräch.