Ich sehe was, was du nicht siehst

Datum: Freitag, 27. August 2021 17:59

3-D-Filme und VR-Brillen für Kinder?

Schadet das räumliche Sehen beim 3-D-Kinobesuch oder beim Computerspielen mit Virtual Realtiy (VR)-Brille den Augen von Kindern? Noch vor zehn Jahren gab es dazu kritische Stimmen, die eindringlich warnten, 3-D-Filme könnten bei jüngeren Kindern die Ausbildung des dreidimensionalen Sehens verhindern oder bei vorbelasteten Kindern sogar epileptische Anfälle auslösen. Damals war die Technik noch recht jung, es gab kaum Studien. Heute urteilen die meisten Fachleute etwas entspannter. Jüngere Studien haben gezeigt, dass 3-D-Filme weder der Sehschärfe schaden, noch Kopfschmerzen oder Schwindel verursachen. Auch der Augenarzt Prof. Dr. Wolf Alexander Lagrèze vom Universitätsklinikum Freiburg gibt Entwarnung: „3-D-Filme können von Kindern bedenkenlos angeschaut werden.“ Eine Altersgrenze oder -empfehlung gibt es nicht. Hier können Eltern auf ihr Bauchgefühl hören und sich an der FSK-Angabe des Films oder der Altersfreigabe des Computerspiels orientieren. Stellt man im Kinosessel dann fest, dass das Kind doch nicht mit dem 3-D-Sehen klar kommt, sollte man den Kinobesuch abbrechen. Das kann auch einfach daran liegen, dass die Eindrücke beim 3-D-Film sehr viel realistischer und intensiver sind und jüngere oder sensible Kinder damit einfach noch überfordert sind. Generell gilt für Bildschirmmedien – unabhängig davon ob in 3-D oder mit VR-Brille: weniger ist mehr.

Sehschwächen bei Kindern: Erkennen und Behandeln

Anders als die Vorsorge beim Kinderarzt oder beim Zahnarzt wird eine Vorsorge-Untersuchung beim Augenarzt von den meisten Krankenkassen nicht übernommen. Die vom Berufsverband der Augenärzte schon länger geforderte augenärztlich-orthoptische Untersuchung von Kleinkindern gibt es bisher nicht. Dafür allerdings gehört ein Sehtest zu den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt. Werden hier Auffälligkeiten festgestellt, gibt es die Überweisung zum Augenarzt. Eine im Frühjahr veröffentlichte Studie belegt den Nutzen der kinderärztlichen Sehtests. Für die Studie wurden die Daten von knapp 200.000 Kindern im Jahr der Einschulung ausgewertet. Jene Kinder, die an der
U 8 und U 9 inklusive Sehtest teilgenommen hatten, konnten schärfer sehen. Das lässt darauf schließen, dass bei ihnen eine Sehschwäche rechtzeitig erkannt und behandelt wurde. Denn – anders als bei Erwachsenen – lassen sich bestimmte Sehschwächen und Fehlsichtigkeiten im Kleinkindalter noch so behandeln, dass sie sich mit etwas Glück auswachsen. Wir stellen die häufigsten Sehfehler bei Kindern vor:

Kurzsichtigkeit/ Myopie ist bei Kindern die am häufigsten verbreitete Sehschwäche. Kurzsichtige können in der Ferne nicht scharf sehen. Organische Ursache ist entweder eine zu hohe Brechkraft der Linse oder ein zu langer Augapfel – das ist vor allem bei Frühgeborenen ein Risikofaktor. Kurzsichtigkeit wird oft vererbt. Meist beginnt sie in der Schulzeit, da häufiges Sehen auf Nahdistanz und wenig Tageslicht die Entwicklung begünstigen. Die klassische Therapie ist das Tragen einer Brille. Je höher die Kurzsichtigkeit ausgeprägt ist (dafür steht der Dioptrien-Wert), desto hilfreicher und wichtiger ist eine Sehhilfe.

Weitsichtigkeit/ Hyperopie kennen die meisten eher als typische Fehlsichtigkeit im Alter. Wer weitsichtig ist, hat Probleme, in der Nähe scharf zu sehen. Daher halten ältere Menschen Kleingedrucktes beim Lesen häufig mit ausgestrecktem Arm. Manchmal sind auch Kinder schon weitsichtig. Organische Ursache ist ein zu kurzer Augapfel oder eine zu geringe Brechkraft der Linse. Bei Kindern wird Weitsichtigkeit mit einer Brille therapiert, manchmal gibt sie sich im Laufe der Grundschulzeit, da der Augapfel bei Kindern noch wächst.

Hornhautverkrümmung/ Astigmatismus wird oft erst durch einen Sehtest entdeckt, vor allem wenn sie nur ein Auge betrifft. Durch eine ungleichmäßige Wölbung der Hornhaut sieht das betroffene Auge einen Punkt leicht verzerrt als Linie oder Ellipse. Auch hier hilft eine Brille. Solange nur ein Auge betroffen ist und das Kind keine Brille trägt, korrigiert das Gehirn das Bild über das andere Auge. Dadurch besteht die Gefahr, dass das andere Auge schwachsichtig wird.


Starkes Schielen lässt sich operativ therapieren – hier ein Vorher-Nachher-Eindruck. Foto: BVA Bildarchiv

Schielen/ Strabismus ist eine Gleichgewichtsstörung des Augenmuskels. Diese führt zu einer Fehlstellung der Augen. Starkes Schielen ist leicht erkennbar, schwieriger ist der sogenannte Mikrostrabismus zu erkennen, dafür braucht es eine professionelle Diagnostik beim Augenarzt. Bleibt Schielen unerkannt, besteht die Gefahr, dass ein Auge mit der Zeit schwachsichtig wird, weil das Gehirn ein Auge bevorzugt – damit verhindert es das Entstehen von Doppelbildern. Schätzungsweise drei Prozent der Kinder schielen. Von denen wiederum entwickelt mindestens jedes zweite eine einseitige Sehschwäche. Übrigens: In den ersten Lebenswochen ist das Schielen noch normal und nicht behandlungsdürftig. Wenn es sich im Alter von ein bis zwei Monaten noch nicht gelegt hat, sollte jedoch der Kinder- oder Augenarzt aufgesucht werden. Schielen sollte unbedingt behandelt werden, und zwar so früh wie möglich. Sonst kann nicht nur eine einseitige Sehschwäche entstehen, sondern auch das räumliche Sehen nicht richtig erlernt werden. Die Behandlung umfasst zwei bis drei Bausteine: Eine Brille korrigiert den Brechungsfehler, ein Augenpflaster klebt das vom Gehirn bevorzugte Auge ab, um die einseitige Sehschwäche zu korrigieren bzw. zu verhindern. Etwa jedes zweite schielende Kind wird operiert. Dabei wird die Stellung der Augenmuskeln chirurgisch korrigiert, das optimale Alter für eine solche OP geben Experten mit 5 bis 6 Jahren an.

Schwachsichtigkeit/ Amblyopie bildet sich dann aus, wenn einer der eben beschriebenen Sehfehler ein Auge betrifft und nicht rechtzeitig erkannt wird. Dann vernachlässigt das Gehirn das betroffene Auge. In der Folge wird das weniger genutzte Auge schwachsichtig. Amblyopie ist vor allem eine Folge von unbehandeltem Schielen und Hornhautverkrümmung. Wenn der Sehfehler bereits im Kleinkindalter erkannt und behandelt wird, besteht eine gute Chance, dass sich Schwachsichtigkeit gar nicht erst entwickelt oder wieder zurückgeht. Die Therapie erfolgt entweder über eine Brille oder ein Augenpflaster.