Für kleine Antikörperchen

Datum: Dienstag, 02. November 2021 16:35

Bewegung: Regelmäßiger Sport stärkt nachweislich das Immunsystem und schützt auch sonst vor Krankheiten und Übergewicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für Erwachsene 2,5 bis 5 Stunden pro Woche Sport wie Joggen, Schwimmen oder schnelles Radfahren. Kinder sollten sich noch mehr bewegen, so die WHO: Mindestens eine Stunde täglich Fahrrad oder Roller fahren, toben oder fange spielen, dazu noch 3 Stunden pro Woche intensive Bewegung, wie sie im Schulsport oder beim Vereinstraining passieren.


Armbäder oder Wassertreten nach Sebastian Kneipp soll sich heilsam auf den Organismus auswirken. © Jäckle/ Kneipp-Bund

Schlafen: Auch unser Immunsystem braucht ab und zu Ruhe zur Regeneration. Daher ist eine gute und ausreichend lange Nachtruhe wichtig. Wer ein oder zwei Nächte schlecht geschlafen hat oder gar eine Nacht durchgemacht hat, merkt schnell, dass er tags darauf nicht so leistungsfähig ist. Das gilt auch für das Immunsystem, es wird bei zu wenig Schlaf anfälliger. Erwachsene brauchen zwischen sechs und neun Stunden Schlaf, Kinder entsprechend ihres Alters länger. Achten Sie als Eltern daher darauf, dass Ihr Kind abends rechtzeitig zur Ruhe kommt und dass jüngere Kinder Mittagsschlaf machen.

Temperaturunterschiede: Wie oben bereits angedeutet, ist der schnelle Wechsel der Umgebungstemperatur ein gutes Training für das Immunsystem. Daher können auch Kneippkuren, Saunabesuche und Wechselduschen dem Immunsystem auf die Sprünge helfen. Schon Kleinkinder kann man für wenige Minuten mit in eine Niedrigtemperatursauna mitnehmen. Beim Wassertreten nach dem Konzept von Sebastian Kneipp watet man mit den Beinen immer im Wechsel durch ein Becken mit kaltem und eines mit warmem Wasser. Unser Tipp für den Winter: Die Kinder für ein paar Sekunden – die ganz Harten auch für ein paar Minuten – barfuß durch den Schnee laufen lassen. Danach ganz schnell wieder warm kuscheln.

Antibiotika: Sie sind Fluch und Segen gleichermaßen. Als sie Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals entdeckt und erfolgreich getestet wurden, mussten Menschen nicht mehr an einfachen bakteriellen Infektionen sterben. Heute gehören Antibiotika zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Das ist zugleich ein Fluch. Denn aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Antibiotika, nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Massentierhaltung, entwickeln sich Resistenzen. Das heißt jene Bakterien, die durch das Antibiotikum bekämpft werden sollen, werden widerstandsfähig. Das Antibiotikum wirkt nicht mehr. Vor allem im Krankenhaus häufen sich resistente Keime, darunter MRSA aus der Gattung der Staphylokokken und Escherichia-coli-Bakterien. Die Weltgesundheitsorganisation zählt die Antibiotika-Resistenzen zu den größten globalen Bedrohungen für die Gesundheit. Ein weiteres Problem von Antibiotika: Die meisten von ihnen zerstören nicht nur die „schlechten“ Bakterien, sondern auch die „guten“. Sie spülen einmal den Darm durch und lassen nicht viel übrig. Daher gehört Durchfall zu den häufigsten Nebenwirkungen von Antibiotika. Vom zuvor mühsam aufgebauten Mikrobiom im Darm verschwindet vieles, manche gute Bakterien sogar dauerhaft. Das lässt sich an einem weiteren Beispiel veranschaulichen: Erhalten Patienten wegen einer Parodontitis oral Antibiotika, ist manch Mundsoor die Folge, eine Pilzerkrankung. Die Hefepilze befinden sich auch bei gesunden Menschen im Mund, werden aber normalerweise durch Bakterien in Schach gehalten. Das Antibiotikum vernichtet diese Bakterien, die Hefepilze können sich ausbreiten. Eltern sollten daher darauf achten, dass ihre Kinder Antibiotika nur dann verschrieben bekommen, wenn dies medizinisch sinnvoll und notwendig ist. Noch immer werden auch bei Erkältungen Antibiotika verschrieben. Dabei werden viele Erkältung durch Viren verursacht, Antibiotika wirken aber nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Wer sicher gehen will, kann den behandelnden Arzt um einen sogenannten PCT-Test bitten. Damit lässt sich ein bakterieller Infekt recht zuverlässig ausschließen oder bestätigen. In vielen Kliniken wird er standardmäßig genutzt, um die unnötige Antibiotika-Gabe zu verhindern. Wer dennoch ein Antibiotikum nehmen muss – denn wie eingangs beschrieben, kann es durchaus segensreich sein – sollte sich bei der Einnahme genau an die Vorgaben des Arztes halten. Werden Antibiotika kürzer als vorgeschrieben eingenommen, erhöht dies die Chance auf Resistenzen. Übrigens können Familien auch bei der Ernährung Einfluss nehmen: Fleisch- und Wurstprodukte aus Massentierhaltung sind aufgrund der verbreiteten Gabe von Antibiotika häufig mit multiresistenten Keimen belastet und sollten daher nicht oder nur gut durchgegart verzehrt werden. Aus dem gleichen Grund ist es wichtig, Obst und Gemüse vor dem Verzehr gründlich zu waschen. Durch die Gülle können sich auch hier resistente Keime finden.

Hygiene: Sie war neben Abstand das A und O der zurückliegenden zwei Jahre. Mit ausreichend Hygiene durch regelmäßiges und gründliches Händewaschen, durch den Verzicht auf das kulturell tief verankerte Händeschütteln und durch das Niesen und Husten in die Armbeuge, sollten noch mehr Corona-Infektionen verhindert werden. Manche Experten finden diese Hygienetipps so hilfreich und grundlegend, dass sie unabhängig von Pandemien beibehalten werden sollten. Dass diese Regeln wirken, hat der drastische Rückgang an Grippeinfektionen im vergangenen Winter gezeigt. Für Eltern besteht die Gratwanderung darin, einerseits auf die Einhaltung grundlegender Hygieneregeln zu achten, andererseits nicht durch übertriebene Hygiene mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Denn tatsächlich gelten Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen und dort mit jeder Menge Dreck und Keimen in Kontakt kommen, als weniger anfällig für Autoimmunerkrankungen und Allergien. Praktisch heißt das: regelmäßiges Händewaschen ist wichtig und richtig, Desinfektionsspray für zu Hause braucht es aber nicht.


Ob Pfütze, Sandkasten oder Waldboden: Kinder spielen gern im Dreck und das tut ihrem Immunsystem gut.