Wenn wir starke Töchter – und auch Jungs haben wollen – gehört noch viel mehr dazu als die Sprache. Foto: Olga Nikiforova, istock
Praxistipps für Familien
Das waren ganz schön viele Argumente für und auch gegen eine gendergerechte Sprache. Was heißt das praktisch für Familien? Natürlich dürfen und sollen Sie weiter so mit Ihren Kindern sprechen, wie Sie es für richtig halten. Wer aber Töchter hat und diesen Artikel aufmerksam gelesen hat, ist vielleicht doch geneigt, es mal mit gendergerechter Sprache zu versuchen. Denn solange wir nur von Ingenieuren, Piloten, Mechanikern und Ärzten sprechen, könnte es passieren, dass Mädchen sich nicht angesprochen fühlen, dass sie davon ausgehen, diese Berufe seien nichts für Frauen. Die Sprache allein wird die Vorstellungswelt unserer Kinder aber nicht verändern. Daher ist es mindestens genauso wichtig, Jungs und Mädchen gleichermaßen zu fördern, ihnen alle Hobbys zu ermöglichen, ganz gleich ob der Sohn zum Tanzen will oder sich die Tochter Lego Technics wünscht. Denn vermutlich noch viel stärker als Sprache wirken unsere unterbewussten Rollenzuschreibungen und Klischees. Wir trösten Mädchen, wenn sie weinen. Wenn Jungs weinen, heißt es: „Jetzt hab dich nicht so. Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Wir ermutigen Jungs auf Bäume zu klettern und sich mal zu raufen, ermahnen aber Mädchen, das hübsche Kleid beim Spielen nicht schmutzig zu machen. Vielleicht sollten wir einfach mal unsere gedanklichen Schubladen öffnen und neu einsortieren.
Wer im Alltag mehr „Gendersprech“ wagen will, für den haben wir ein paar Möglichkeiten zusammengestellt:
Neutrale Formulierung: Studierende, Vorsitzende, Publikum statt Zuschauer/innen, Teilnehmende, Redaktion statt Redakteure, Kinder oder Jugendliche statt Schüler, Mensch statt Bürger, Lehrkraft statt Lehrer, Beschäftigte statt Mitarbeiter oder Arbeitnehmer, medizinisches Personal statt Ärzte und Pfleger, alle statt jeder, niemand statt keiner
Satzbau ändern: „Alle, die teilnehmen…“ statt „Die Teilnehmer…“, „Nutzen Sie bitte die Garderobe.“ Statt „Besucher nutzen bitte die Garderobe.“ „Wer studiert hat, kann…“ statt „Akademiker können…“, „Wer das befürwortet, glaubt…“ statt „Befürworter glauben…“.
Geschlechter abwechselnd nennen: „Die Leser….“, später im Text: „Die Leserinnen….“
Doppelform: Leser und Leserinnen, LeserInnen, Leser/innen, Leser:innen, Leser(innen), Leser_innen, Leser*innen – gesprochen mit einer kurzen Pause
Und wie gendert die „lausebande“?
Wie geht eigentlich unser Magazin mit dem Thema gendergerechte Sprache um? Die Frage haben wir uns in der Vergangenheit oft gestellt. Das Thema wird präsenter und wir sprechen auch in unseren Familien und mit unseren Kindern darüber. Immer öfter erreichen uns Pressemitteilungen und Texte, die konsequent gegendert sind. Öffentliche Einrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten, verfassen Genderrichtlinien und halten sich zumindest in der Außenkommunikation auch immer öfter daran. Es gibt also viele Gründe, aus denen wir uns entschieden haben, dieses Thema einmal ausführlich zu beleuchten. Das Ergebnis bestätigt den Eindruck aus den Gesprächen in unseren Familien und mit vielen Partnern – und unseren eher pragmatischen Umgang mit dem Gendern. Wir werden es weiterhin ähnlich handhaben wie bisher. Weder der Redaktion, noch anderen am Heft Beteiligten werden wir Vorgaben machen. Auch Interviews oder unser regelmäßig auf Seite 4 veröffentlichtes Grußwort werden wir nachträglich weder gendern noch ent-gendern. Auf Sonderzeichen werden wir in unseren eigenen Texten aufgrund der Lesbarkeit verzichten. Sprache ist ein lebendiges Kommunikationsmittel, wenn sich in unserem Alltag klare und vor allem von den Menschen angenommene Regeln durchsetzen, wird sich das natürlich auch in unseren Texten spiegeln.
Anett Linke, Redaktionsleitung der lausebande: Ich selbst fand die Recherche zu dem Thema so spannend, dass ich bewusster als bisher auf gender-gerechtes Sprechen und Schreiben achte. Ohnehin korrigieren mich meine Kinder regelmäßig. Ein typischer Dialog mit meiner Tochter: „Du könntest vielleicht auch Gärtner werden.“ – „Nein, wenn dann Gärtnerin, Mama.“ Schön, dass sie da schon etwas weiter ist als ich. Mit dem Gendersternchen und der kurzen Pause mag ich mich noch nicht so recht anfreunden. Aber ich werde in meinen Artikeln zunehmend austesten, ob es auch andere Möglichkeiten des gendergerechten Schreibens gibt. Ich glaube die Premiere ist geglückt. Der Text, den Sie eben gelesen haben, ist weitgehend gendergerecht geschrieben. Falls Ihnen das nicht aufgefallen ist, zeigt das: Gendern ist gar nicht so schwer und auch nicht schlimm. Und vor allem kein Grund, das Kriegsbeil auszugraben.
Wer jetzt Lust bekommen, das Gendern selbst mal auszuprobieren, findet auf folgenden Seiten noch mehr Tipps und Anregungen: