„Tanzen ist ein Schatz“
Interview mit Mareike Linzer
Mareike Linzer hat ihre Ausbildung bei der Choreographin und Tanz-Pädagogin Judith Frege absolviert. Doch dann hat sie aus ihrer Liebe zum Tanz einen Beruf gemacht und ist jetzt ausgebildete Tanzlehrerin für Kreativen Kindertanz und Hip Hop. Sie betreibt das Tanzstudio „femella“ in Cottbus – das Studio für Frauen und Kinder.
Wie bist du zum Tanzen gekommen?
Tanzen ist schon immer meine Leidenschaft. Ich bin also gar nicht dazu gekommen – es war schon immer da.
Was bedeutet Tanz für dein persönliches Leben?
Tanzen bedeutet mir sehr viel. Wie sagt man so schön: „Tanzen ist träumen mit den Beinen". Genauso ist es - ich tanze wenn ich glücklich bin, ich tanze wenn ich traurig bin. Es ist ein Ventil, eine kreative Möglichkeit sich zu verwirklichen und es lässt einen die Welt außerhalb vergessen. Bewegung tut gut, nach jedem Auftritt, jeder Trainingseinheit fühle ich mich einfach rundum wohl.
Was kann man sich unter Kreativem Kindertanz vorstellen?
Der Kreative Kindertanz ist nicht das, was viele denken. Es hat nichts damit zu tun seinen Namen zu tanzen. Es ist Entwicklung von Bewegung, Kinder entdecken ihr Körpergefühl und werden kreativ gefördert. Die Klischees kann man außer Acht lassen und es als kindgerechtes Angebot betrachten. Diese Tanzart dient als Vorstufe zum Ballett oder modernen Kindertanz Im kreativen Kindertanz legt man die Grundsteine, auf denen später in allen Richtungen aufgebaut werden kann.
Tanzen deine Kinder auch?
Ja, beide Kinder tanzen in meinen Tanzgruppen mit.
Was können Kinder aus diesem Sport mitnehmen?
Tanzen ist viel mehr als nur ein Sport - ich bin der Meinung, dass jedes Kind tanzen sollte. Am besten so früh wie möglich. Bewegung und Musik sind wichtiger denn je geworden. In der heutigen Zeit ist es für ein Kind nicht mehr so einfach ein Kind zu sein. Die Gesellschaft engt ein Kind ein, es gibt kaum Möglichkeiten sich zu verwirklichen. Vor allem in der Stadt ist es schwer für sie ihren natürlichen Instinkten nachzugehen. Sie können umgeben vom Straßenverkehr nicht einfach rennen und toben oder auf Bäume klettern. Genau diese Erfahrungen brauchen Kinder aber um sich zu testen, Balance zu lernen, Orientierung zu entwickeln und sich körperlich immer wieder selbst herausfordern. Diese Defizite hat man inzwischen erkannt und versucht dagegen zu wirken. Hier kommt der Kreative Kindertanz ins Spiel. Natürlich kann man mit einer Stunde in der Woche nicht die Welt verbessern, aber man kann Kindern die Möglichkeit geben, Balance und Raumgefühl zu erfahren, soziale Bindungen aufzubauen und außerhalb der vertrauerten Umgebung, Körpergefühl zu entwickeln. Sie haben die Möglichkeit ihre Bewegungsräume kreativ und phantasievoll auszutesten. Diese Faktoren stärken das Selbstwertgefühl und beugen gesundheitlichen Defizite vor. Unabhängig von Beliebtheit oder Schulnoten können Kinder sich im Tanzunterricht entfalten. In dieser Gruppe ist alles möglich: Es gibt kein richtig oder falsch. Zudem wurden Parallelen gezogen zwischen Schulkindern, die Tanzen und denen, die es nicht machen. Kinder, die tanzen, haben eine bessere räumliche Vorstellung, sind koordinierter, bewegen sich sicherer im Raum und neuen Situationen.
Primaballerina zu werden, ist ein Mädchentraum – tanzen bei dir auch Jungen?
Zum Glück ja, denn Tanzen ist nicht nur etwas für Mädchen. Das ist ein Trugschluss, der auch in der heutigen Zeit noch zu weit verbreitet ist. Vor allem Väter haben Angst, dass aus ihren Söhnen keine „richtigen Männer“ werden, wenn sie tanzen. Noch schlimmer ist ja die Idee, dass Jungen durchs Tanzen schwul werden. Diese Differenzierungen zwischen Jungen und Mädchen finden nur in den Köpfen der Erwachsenen statt. Musik und Bewegung macht aber den meisten Kindern Spaß, unabhängig davon, ob es Jungen oder Mädchen sind. Das sollte gefördert werden. Warum sollten Jungs nicht lernen, sich zu bewegen? Warum sollten nur Mädchen Taktgefühl entwickeln? Was ist verkehrt daran wenn Jungs tanzen können?
Ich freue mich über jeden Jungen, der zu mir kommt und genauso viel Freude am Tänzen erlebt, wie die Mädchen.
Wenn mehr Jungen im Kindesalter tanzen würden, gäbe es bei ihnen später womöglich weniger Bewegungs-, Flexibilitäts- und Koordinationsprobleme.
Werden die Jungen, die bei dir tanzen von den Mädchen oder auch Außenstehenden anders behandelt?
Nein, ich habe noch nie erlebt, dass ein Junge in diesem Zusammenhanf in irgendeiner Art und Weise anders behandelt wurde.
Wie verhalten sich die Eltern deiner kleinen Tanzschüler und Tanzschülerinnen? Gibt es Erfolgsdruck?
Bei den größeren Kindern wünschen sich die Eltern verständlicherweise mal einen Auftritt oder etwas in der Art. Richtigen Erfolgsdruck habe ich aber noch nicht erlebt, das würde ich auch nicht dulden. Die Kinder kommen zu mir, um etwas zu lernen und nicht wie kleine Maschinen von Auftritt zu Auftritt zu jagen.
Ich bin Tanzlehrerin und unterrichte Tanzen - diesen Unterricht präsentieren wir den Eltern zweimal im Jahr. Das wird im Erstgespräch auch immer dazu gesagt. Kinder brauchen ein Erfolgserlebnis, das ist richtig. Ein Auftritt vor den Eltern oder bei den Größeren einer vor fremden Publikum reicht aus. Alles andere kommt später.
Du unterrichtest auch Poledance – wie reagieren Mütter auf dieses Angebot?
Ich habe bis jetzt noch nicht erlebt, dass sich jemand daran stört, dass ich beides unterrichte. Ich denke aber auch dass Mütter, die damit ein Problem haben von vornherein nicht zu mir kommen. Es wäre schade, wenn es solche Blockaden gäbe. Ich möchte aber daran glauben, dass die Mütter der jetzigen Kindergeneration aufgeklärt sind und den Unterschied zwischen Poledance und Striptease kennen.
Kann man selbst zu Hause Tanzen in das Familienleben einbeziehen?
Natürlich, unbedingt. Wir machen oft Musik an und tanzen einfach so durch die Gegend. Wenn Kinder sehen, dass es normal ist, werden sie auch keine Ängste entwickeln, wenn es mal beim Familienfest heißt: "Komm doch mal mit Omi tanzen". Sich zu bewegen, ohne Angst vor der Meinung anderer zu haben, ist eine der schönsten Möglichkeiten, die man Kindern geben kann. Warum denken viele beim tanzen immer an perfekte Bewegungen und Können? Das gute alte Ringelreihe oder Bi-Ba-Butzemann ist auch Tanz. Klatschen und stampfen ist Taktgefühl. Zu Hause und auch sonst gilt: Weniger denken, einfach los wackeln.
Was möchtest du Eltern außerdem zu diesem Thema mit auf den Weg geben?
Ich finde, dass man Tanzen als eine Art eigenen Schatz sehen sollte, den jeder haben kann. Welche Tanzart und wie exzessiv dann es letztendlich wird, das bestimmt jeder selbst. Ich freue mich, wenn ich bei meinen Kindern durch den Kreativen Kindertanz diesen Schatz finde und ihn jede Stunde erneut gemeinsam mit ihnen öffne und entdecke, was sich darin verbirgt..