Ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Engagement der Eltern
Seit vergangenem Monat wird unter vielen Eltern und in vielen Kitas und Schulen über die Verpflegung der Kinder diskutiert. Es brauchte erst den Skandal mit verseuchten Zutaten des Großanbieters Sodexo, um viele Eltern wachzurütteln. Dabei läuft vor allem in der deutschen Schulverpflegung schon seit Jahren vieles falsch, Brandenburg ist hier ganz vorn dabei – mit dem ins Zwielicht geratenen Großanbieter Sodexo als einer Art Haus und Hof-Caterer. Allein in Cottbus beliefert Sodexo wohl mehr als die Hälfte der Schulen sowie einige Kitas mit Essen, kleine Anbieter aus der Region oder Einrichtungen, die sogar eigene Küchen unterhalten, sind die große Ausnahme. Da war es sicher nur eine Frage der Zeit, dass verseuchte tiefgekühlte Massenware aus China für eine Krankheitsepidemie sorgt, wo es auch heimische Äpfel oder Pflaumen getan hätten.
Der Auslöser für das Problem liegt dabei kaum bei Sodexo, da gibt es auch weitere Großanbieter, die unter gleichen Bedingungen arbeiten. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen Kostendruck und Qualität gerade beim Schulessen unübersehbar und ein politisches Problem. Der Ernährung der Kinder kommt in kaum einem Bundesland tatsächlich Priorität zu, da schon beim grundlegenden Sanierungsbedarf vieler Schulen und Kitas dringend notwendige Invesitionen auf die lange Bank geschoben werden. Selbst das rbb-Fernsehen berichtete jüngst verstärkt und sehr kritisch über marode Schulen in Brandenburg. Wenn es teils schon nicht für dichte Fenster, funktionierende Toiletten und sichere Treppenhäuser reicht, dann wird das tägliches Essen der Kinder offensichtlich zum Luxusproblem. Dabei hatte man vor wenigen Jahren von höchster Ebene einen neuen Umgang mit dem Thema Ernährung insbesondere in der Schule eingeläutet. Gründe gab es genug: Laut Studien beliefen sich schon damals die Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten jährlich auf 70 Milliarden Euro, volkswirtschaftliche Kosten durch vermehrte Krankheitstage und verringerte Leistungsfähigkeit noch nicht einmal eingerechnet. Deshalb beschloss die Bundesregierung im Jahr 2007 dem Übergewicht, auch und besonders bei Kindern, den Kampf anzusagen. Der Beschluss, „die Vermittlung von Wissen über Ernährung und Bewegung möglichst früh zu beginnen und lebenslang fortzusetzen“, scheint mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre allerdings eher ein Lippenbekenntnis. Zwar basteln Kinder seitdem im Unterricht, scheinbar als Alibi, auch einmal eine Ernährungspyramide und reden über gesunde Ernährung – die Erkenntnisse werden durch die Praxis beim Schulessen aber täglich negiert. Dass Ernährung (und Bewegung) für Kinder eine immense Bedeutung nicht nur für die Gesundheit, sondern für ihre gesamte körperliche und geistige Entwicklung haben, spiegelt sich nur in wenigen Schulen wieder. Kein Wunder, dass heute in Deutschland jeder fünfte Heranwachsende Übergewicht hat – so viele, wie nie zuvor. Zudem bestätigt eine gerade im vergangenen Monat veröffentlichte Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Bildung, dass Therapien für Kinder mit Übergewicht nur äußerst begrenzt wirksam sind und bei gerade einmal 10 bis 18 % der Betroffenen zu nachhaltigen Verbesserungen führen. Es gibt also nur einen Weg: Erst gar nicht dick werden. Hier wird zuallererst im Elternhaus, aber auch durch die Ernährung und die Ernährungsbildung in Kitas und Schulen, der Grundstein gelegt. Aber Schulen, die sich tatsächlich Inhalten wie Ernährungslehre intensiv widmen, sind noch immer die große Ausnahme.
Das Schulessen leistet ganz im Gegenteil meist noch seinen Beitrag zur ungesunden Ernährung. Es muss vor allem eines sein: billig. Bei Preisen von ca. 2 Euro pro Mahlzeit in unserer Region ist klar, dass Großanbieter, die Zutaten in Massen und günstig von anderen Großanbietern beziehen und die mit ihren Großküchen tagtäglich Tausende Portionen herstellen, zur Regel werden müssen. Regionale und kleine Anbieter können bei dem Preisdumping meist nicht mithalten – aber selbst da, wo Eltern mitentscheiden können, interessiert sie der Preis meist mehr als der Inhalt des Schulessens. Die Erkenntnisse sagen klar, dass bei Kindern höchstens einmal in der Woche Fleischerzeugnisse inklusive Wurstwaren und höchstens ein weiteres Mal Fleisch, dann aber nur mageres Muskelfleisch, auf dem Speiseplan stehen sollte, die Realität der Schulspeisepläne spiegelt hingegen etwas ganz anderes wieder. Seefisch, der mindestens einmal je Woche angeboten werden sollte, sucht man meist vergebens – und wenn man Fisch überhaupt findet, dann meist geformt, paniert und in Fett frittiert. Dabei gibt es klare Standards, mit denen jeder Elternteil das Essen seines Kindes wirklich realistisch bewerten kann (siehe Qualitätsstandards).
Es besteht also dringende Handlungsbedarf. Während Eltern an freien Einrichtungen in der Regel ein Mitspracherecht bei der Wahl des Essensanbieters haben, gestaltet sich das in staatlichen oder kommunalen Einrichtungen weitaus schwieriger. Im Grunde ist es hier aber wie in der großen Politik: Wenn sich genügend Eltern engagieren, dann kann sich auch etwas ändern! Es ist am Ende ja eine politische Entscheidung, dem Aspekt Essen in Kitas und Schulen eine hohe Priorität zu verleihen und entsprechende Investitionen zu ermöglichen – und z.B. auf Landesebene nicht länger zu jubeln, wenn man mit einem großen Haus- und Hof-Caterer wie Sodexo durch entsprechende Massenabnahmen noch mehr Kosten sparen konnte.