Frühe kindliche Sexualität von 0-3
Lust empfindet der Mensch nicht erst, wenn er in die Pubertät kommt. Laut Aussagen im Artikel der Springer Medizin, 2008 über „Wie Kinder ihre Sexualität entwickeln“ heißt es, „Kinder sind vom ersten Augenblick an sexuelle Wesen“. Wie im Fallbeispiel 1 beschrieben, kann dies bereits in der vorgeburtlichen Phase durch Ultraschallbilder beobachtet werden.
Fallbeispiel 1.: Im Ultraschall sehen die Eltern im 7. Monat deutlich, wie ihr kleiner Sohn immer wieder an seinem winzigen Penis zupft. Sie fragen sich, wieso er das macht, was er dabei empfindet, ob dieses Verhalten normal ist und ob sich ein Mädchen, dessen Geschlechtsteile ja weniger exponiert liegen, ebenso häufig anfassen würde. Esther Elisabeth Schütz (erfahrene Sexologin) hat eine Antwort: Wenn ein männlicher Fötus zufällig mit seiner Hand sein Geschlecht berührt, ergreift er es. Dabei geht es nicht um Selbstbefriedigung, sondern um den Greif- und den Erregungsreflex, die gleichzeitig ausgelöst werden. Aufgrund der motorischen Entwicklung kann der Fötus diese Handlung aber noch nicht aktiv ausführen. Beim Jungen ist der Vorgang im Ultraschall gut ersichtlich, beim weiblichen Fötus aber nur mittels komplexer Apparate erkennbar. Auf jeden Fall gehört die Ausbildung der beiden Reflexe bei Mädchen und bei Jungen zu einer gesunden Entwicklung. Wieweit Föten allerdings die sexuelle Erregung wahrnehmen, wissen wir nicht.
Bereits im ersten Lebensjahr macht das Baby sinnliche Erfahrungen, hierbei überwiegend über den Mund. Dazu gehört das Saugen an Mutters Brust bzw. an der Flasche zur Befriedigung des Hungers. Auch über die Haut nimmt das Baby ständig durch zärtliche und aufmerksame Behandlung und Pflege angenehme Gefühle wahr: beim Schmusen, Wickeln, Baden. Schon kleine Kinder lernen durch dieses wohlige Gefühl, ihren eigenen Körper als wertvoll zu empfinden. Babys lernen mit allen Sinnen: fühlen, schmecken, hören und sehen, wobei der Mund für eine lange Zeit ein sensibles Wahrnehmungsorgan ist. Mit Sexualität, wie Erwachsene sie verstehen, hat das bei Kindern nichts gemein. Eltern ist kindliche Lust oft unangenehm – „Sexualität ist doch was für Große!“. Erwachsene reduzieren Sexualität oft aufgrund bestimmter Fantasien oder „Drehbücher“ auf das weite Feld des Geschlechtsverkehrs (vgl. dazu BZgA).
Fallbeispiel 2.: Die kleine Lena (9 Monate) liebt es, von ihren Eltern herumgetragen zu werden. Am liebsten sitzt sie bei Mama oder Papa auf der Hüfte, und wenn Lena gut gelaunt ist, wippt sie gerne auf und ab. Der Mutter scheint, dass sie dabei bewusst ihr Geschlecht an ihrer Hüfte reibt. Kann es sein, dass Lena dabei sexuelle Lust empfindet? Babys können bereits ab dem 4. Monat über die Anspannung der Muskulatur den Reflex auslösen und die Erregung steigern. Das Spiel mit dem Druck des Geschlechts an die Hüfte ist eine Bewegung, welche zu diesem Lernschritt gehört. Deshalb wiederholt die kleine Lena diese Erfahrung immer wieder. Die Eltern dürfen sich ruhig darüber freuen, kein schlaff an ihnen hängendes Kind zu haben, sondern eines, das lernt, seine Muskeln zu aktivieren. (Auszug aus wir eltern.de)
Sobald bei Babys mit wenigen Monaten der Greifreflex sich beginnt auszubilden, untersuchen sie auch ihren Körper und entdecken auf diesem Weg ihre Genitalien. Erektionen bei kleinen Jungs sind nichts Ungewöhnliches. Bei den Mädchen kann es passieren, dass auch etwas Blut aus der Scheide fließt.
Etwa im zweiten Lebensjahr beginnen Kinder sich für ihre Ausscheidung zu interessieren und erlernen auch die Kontrolle über die Schließmuskeln. Sie untersuchen ihren Stuhlgang und begleiten ihre Eltern auf die Toilette. Weiterhin interessieren sie sich zunehmend für das Geschlecht der Eltern und entdecken, dass Mama, Papa oder Geschwister verschieden aussehen. Vergleiche werden angestellt und langsam wird erkannt, ob das eigene Geschlecht eher dem der Mama oder des Vaters gleicht. Über die Geschlechtszugehörigkeit bildet sich das eigene Ich, die sexuelle Identität. Jungen zeigen stolz ihren Penis und Mädchen heben ihr Kleidchen. Etwa im Alter von 2 ½ bis etwa zum 6. Lebensjahr finden die sogenannten „Doktorspiele“ statt, bei denen auf der sexuellen Entdeckungsreise mit anderen Kindern die Geschlechter unehmend bewusst erkannt werden. Herr Sielert (Sexualpädagoge) betont, dass es eher ein Problem ist, wenn Körpererkundungen ausbleiben, nicht, wenn sie stattfinden. Denn nur so könne sich die eigentliche Sinnlichkeit und Erregbarkeit normal entwickeln, was für die später folgende Pubertät wichtig ist. Wird der natürliche Endeckungsdrang unterdrückt, verkümmert diese Fähigkeit.
Körpererkundungen sind völlig in Ordnung, wenn sie freiwillig* passieren und kein Kind dem anderen wehtut (vgl. dazu u. a. Sielert). Erwachsene sollten aber Kinder auf die Verletzungsgefahr durch das Einführen von Gegenständen in Körperöffnungen hinweisen.
Kinder sollten den Raum bekommen, ihren Körper entdecken zu dürfen. Wenn uns daran gelegen ist, dass unsere Kinder, wenn sie erwachsen sind, ihre Sexualität auf eine reife, verantwortungsvolle Art leben und genießen können, sollten wir ihre natürliche sexuelle Entwicklung unterstützen. Frau Schütz betont, dass die Sexualität zum Leben gehört, wie Atmen, Essen und Trinken, sie wird von klein auf erlernt wie andere Dinge auch.
*Das schwierige und sehr sensibel zu behandelnde Thema des sexuellen Missbrauchs ist hier nicht erwähnt und wird gegebenenfalls in einer späteren Ausgabe bearbeitet.
www.rund-ums-baby.de/frühe Sexualität
www.wireltern.de