Das Rollenbild des Vaterseins hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Werdende und frischgebackene Papis interessieren sich mehr und mehr für das Wohlergehen ihrer Sprösslinge, für die einzelnen Entwicklungsphasen und für die Vorlieben und Interessen. Dennoch ist es oftmals so, dass die Vater-Kind-Zeit viel zu kurz kommt. „Oft sehen Kinder ihre Eltern, insbesondere die Väter, nur abends und am Wochenende. Das ist wenig und verantwortungsvolle Eltern versuchen, die verbleibende, knapp bemessene Zeit oft so gehaltvoll wie möglich zu gestalten. Dies tut Kindern wie Eltern gut, kann aber auch zu Überlastung und Überforderung führen, denn Kinder wollen oft einfach nur am Leben der Eltern teilhaben und diese um sich haben.“
Bei der Entwicklung des Kindes spielt der Vater aber eine ganz besondere Rolle, da er das Vorbild eines Mannes symbolisiert und wie ein Mann zu sein hat. Das Kind beobachtet, wie sich der Vater im Umgang mit der Partnerin/ Mutter oder Fremden verhält, wie er mit Problemen umgeht und kopiert oftmals dieses Verhalten. Ab dem Kindergartenalter dienen die Väter den Söhnen als Vorbild, den Mädchen als Testperson im Umgang mit dem anderen Geschlecht.
Väter sind beim Umgang mit den Kindern meistens sorgloser und häufig für die „Action“ zuständig, während sich Mütter eher mit der emotionalen Entwicklung beschäftigen. Es muss aber nicht immer die super-erlebnisreiche Aktion mit dem Papa sein. Den Kindern ist es nämlich wichtiger, generell Zeit mit dem Vater zu verbringen.
Erfahrungsbericht eines Vaters:
„Die Zeit, die ich mit meiner kleinen Tochter verbringen kann, ist berufsbedingt leider knapp bemessen. Nach einem 8-Stunden-Arbeitstag ist man häufig erst gegen 17.00 Uhr oder noch später zuhause. Zu dieser Zeit ist meine Tochter natürlich schon seit zwei Stunden mit der Mama mit dem Spielen beschäftigt, freut sich aber riesig, dass ich endlich zu Hause bin. Nach dem erlebnisreichen Tag in der Kita und dem bevorstehenden Abendbrot und Zubettgehen, bleibt leider nicht mehr viel Zeit für uns zwei. Aber gerade diese kurze Zeit ist besonders wichtig für meine Tochter und mich. Auch wenn wir uns nur ein Buch anschauen oder etwas malen oder mit den Kuscheltieren spielen, genießen wir die Zeit. Auch das gemeinsame Abendbrot und die Auswertung des Tages ist uns wichtig. Meistens sind es schon die kleinen Dinge, die uns Spaß machen und von denen meine Tochter der Mama berichtet. Die gemeinsame Zeit im Garten, das Beobachten von kleinen Käfern und Mäusen, das Helfen beim Rasenmähen freut meine Tochter ganz besonders. Wie gesagt, es müssen nicht immer die abenteuerlustigsten Ereignisse sein. Selbstverständlich wird auch ausgiebig getobt und Faxen gemacht.“
Die Vater-Sohn-Beziehung:
Für den Sohn ist der Vater das erste Vorbild für das zu entwickelnde Rollenverständnis. In der Pubertät findet ein Sohn nur über seinen Vater zu seiner eigenen männlichen Identität. Bis zu diesem Zeitpunkt lernen Söhne auch besonders gut und gern von ihren Vätern. Zuvor hat der Vater dem Sohn geholfen, sich aus der Symbiose mit der Mutter zu lösen und sich als ein eigenständiges Wesen zu begreifen. Söhne bevorzugen den Vater als Spielkameraden, weil er im Vergleich zur Mutter die wilderen Spiele spielt und ihr natürliches Bedürfnis nach Nervenkitzel eher befriedigt. Ist der Vater dagegen im frühen Kindesalter wenig präsent, haben die Söhne später eher Probleme im Beruf und in der Ehe oder neigen gar zu kriminellem Verhalten, wie Untersuchungen bestätigen. Das Risiko, süchtig zu werden, verdoppelt sich, wenn der Vater selbst Alkoholiker war.
Die Pubertät stellt im Allgemeinen einen großen Wendepunkt in der Vater-Sohn-Beziehung dar: Bis zur Pubertät sind die Söhne besonders gern Schüler ihrer Väter, der Vater ist akzeptiertes und benötigtes Vorbild. Dann suchen sich die Söhne oft andere Vorbilder, manchmal gar genaue Gegenbilder zu ihrem Vater. Das von dem Vater vorgelebte Gesellschaftsbild wird infrage gestellt und durch eigene Ideale ersetzt. Einige Väter versuchen dann, ihren Willen dennoch durchzusetzen, andere ziehen sich gänzlich zurück – meist eine schwierige Zeit. In jedem Fall beeinflusst der Vater den Sohn in seiner späteren Rolle als Vater, wie der Psychologe Wassilios Fthenakis untersucht hat. Der junge Vater versucht die Fehler des eigenen Vaters zu kompensieren. War der eigene Vater jedoch abwesend oder schwach, hat er häufig Schwierigkeiten, sich in Beruf und Familie durchzusetzen.
Die Vater-Tochter-Beziehung:
Für die Tochter bedeutet der Vater die erste Beziehung zum anderen Geschlecht. Er ist der erste Mann in ihrem Leben. Der Vater lebt seiner Tochter vor, was sie später von einer Partnerschaft erwarten kann. „Ein Vater kann einem Mädchen das Selbstvertrauen geben, positiv auf Männer zu wirken“, sagt die Psychologin Claudia Clasen-Holzberg. Er reagiert anders als die Mutter, wenn es Freude oder Ärger gibt. Dieses andersartige Verhalten kann keine Mutter ersetzen. Töchter, die ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater haben, trauen sich in der Regel mehr zu und sind in der Schule erfolgreicher, besonders in Mathematik und Naturwissenschaften. Später in der Pubertät kann die Tochter ihr weibliches Selbstbild durch den Vater bestätigt sehen und sich mit ihm identifizieren. Nur so ist es ihr möglich, ein positives Männerbild zu entwickeln. Vaterlos aufgewachsene Frauen fühlen sich hingegen instinktiv unwohl in der Gegenwart von Männern, wie die Psychologin Rose Merlino Perkins herausgefunden hat. Ein Stiefvater ist übrigens kein Ersatz für den leiblichen Vater.
Nur rosig ist die Vater-Tochter-Beziehung allerdings nicht. „In der Pubertät haben Väter ein Problem, weil sie nicht die Informationsquelle für Emotionales sind“, sagt der Familienforscher Wassilos Fthenakis. Und weil Vater und Tochter neben dem Altersunterschied auch die andere Gefühlskultur trennt, „sprechen Töchter und Väter nicht exakt die gleiche Sprache“, sagt der Psychoanalytiker Alain Braconnier. Eine gewisse Distanz zwischen beiden würde also immer bleiben.“
Tipps für die gemeinsame Zeit:
gemeinsames Hobby (Sport oder andere Interessen), gemeinsames Kochen, allgemeine Dinge des Alltags (Einkaufen, Gartenarbeit, Spielplatz), Kinobesuche, gemeinsames Basteln, Singen, Umwelt erkunden.
Gerade die kleinen Dinge und Sachen sind es, die die gemeinsame Vater-Kind-Zeit besonders machen und die Beziehung zwischen Vater und Kind stärken. Ganz nach dem Motto: „Dabei sein ist Alles“! Kinder genießen jede einzelne Minute, die sie mit ihren Vätern verbringen können. Also nehmen Sie sich die Zeit!
Marc Richter – Koordinator Netzwerk Gesunde Kinder Oberspreewald-Lausitz Nord