Kinder trauern anders

Datum: Donnerstag, 27. Januar 2022 16:11

Nichts erschüttert das Leben von Kindern mehr als der Tod eines nahen Angehörigen. Erst kommt der Schock und dann die Trauer. Familien mit kleinen Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter haben oft den Eindruck: Mein Kind trauert nicht! Doch Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Auch Kinder in diesem Alter trauern, nur eben anders! Die Ursache dafür liegt in den verschiedenen entwicklungspsychologischen Prozessen, die die Kinder bis zum Erwachsenenalter durchlaufen und in der Entwicklung des kognitiven Todesverständnisses. Das kognitive Todesverständnis ist erst ungefähr mit dem 11. Lebensjahr ausgeprägt und unterscheidet sich dann nicht von dem der Erwachsenen. Es ist gekennzeichnet von 4 Dimensionen:

  1. der Tod ist unvermeidlich (Universität)
  2. der Tod ist unumkehrbar (Irreversibilität)
  3. der Tod ist mit dem Erlöschen der Körperfunktionen verbunden (Nonfunktionalität)
  4. der Tod wird durch physikalische Prozesse verursacht (Kausalität)


Anders als oft vermutet, empfinden auch Säuglinge und Kleinkinder den Verlust wichtiger Bezugspersonen und leiden unter Trennungsangst. Sie erfassen schon sehr früh die Stimmung und die Gefühle anwesender Personen. Reaktionen wie Appetitlosigkeit, anhaltendes Schreien oder Spielunlust sind oft zu beobachten.

Kinder zwischen 3 und 5 Jahren erfassen den Tod als „Nicht-Leben“ und können die Endgültigkeit des Todes noch nicht verstehen. In diesem Alter kann der Tod zum Thema in Rollenspielen werden und der Umgang mit der Thematik wirkt oft recht sachlich. In den Rollenspielen verarbeiten Kinder die Umstände des Todes eines nahen Angehörigen wie zum Beispiel Krankenhausbesuche, Beerdigungen oder auch aufgeschnappte Gesprächsinhalte. Aus diesem Grund ist es wichtig, dieses Spiel nicht zu unterbrechen oder zu korrigieren.

Vorschulkinder haben ein konkreteres Verständnis vom Tod und stellen sich diesen oft als böse vor. Je nach Entwicklung des Zeitbegriffs besteht auch die Vorstellung, dass der Verstorbene wieder aufwachen könnte. In diesem Alter zeigen die Kinder Interesse an den körperlichen Phänomenen des Todes: Was passiert, wenn jemand stirbt?
In allen beschriebenen Entwicklungsphasen ist es wichtig, die Kinder wahrzunehmen und mit ihrer Trauer, also Gedanken und Gefühlen, ernst zu nehmen. Kinder brauchen Ehrlichkeit seitens der Erwachsenen für einen gesunden Trauerprozess.
Haben Sie keine Angst vor schwierigen Fragen, auf die man selbst keine passende Antwort hat wie zum Beispiel: Wie ist das Sterben? Was ist danach? Wo geht der Verstorbene hin? Wir müssen als Erwachsene nicht alles wissen und uns mit unseren Antworten verbiegen. Viel wertvoller ist, mit dem Kind gemeinsam zu überlegen, wie der Ort, an dem der Verstorbene jetzt ist, aussieht oder was er/sie dort jetzt machen kann.

Stabilität und Sicherheit für Kinder selbst und die gesamte Familie geben Rituale. Sei es der regelmäßige Besuch des Grabes auf dem Friedhof, das gemeinsame Gestalten einer Erinnerungsstelle im Garten oder im Haus/in der Wohnung, gemeinsame Aktivitäten am Geburts- und Sterbedatum. Es gibt viele Möglichkeiten der Gestaltung bzw. des Ablaufs dieser Trauerrituale. Sie sind wie jede Familie individuell. Wichtig bei der Entwicklung von Trauerritualen ist, dass sie für alle Familienmitglieder passend sind und sich jeder damit wohlfühlt.

Literaturempfehlungen/Auswahl:

  • Britta Sabbag, Maite Kelly: Die kleine Hummel Bommel nimmt Abschied (Altersempfehlung: Kinder ab 3 Jahre)
  • Antonie Schneider: Ein Himmel für Oma. Ein Bilderbuch über das Sterben und den Tod (Altersempfehlung 3-6 Jahre)
  • Inger Hermann, Carme Solé-Vendrell: Du wirst immer bei mir sein (Altersempfehlung ab 4 Jahre)
  • Susanne Bohne: Opa wohnt jetzt woanders: Eine Geschichte für Kinder über den Tod (für Kinder ab 4 Jahre)
  • Ulf Nilsson, Eva Eriksson: Die besten Beerdigungen der Welt (Altersempfehlung: 4-6 Jahre)
  • Dagmar Geisler: Was mach ich nur mit meiner Trauer? (Altersempfehlung: Kinder ab 5 Jahre)
  • Mechthild Schroder-Rupieper/ Imke Sönnichsen: Geht Sterben wieder vorbei? (Altersempfehlung: Kinder ab 5)
  • Wieso? Weshalb? Warum? Abschied, Tod und Trauer (Band 42) von Patricia Mennen (Altersempfehlung: 4 - 7 Jahre)

Netzwerk Gesunde Kinder Cottbus in Kooperation mit: Manja Bieder
Koordinatorin amb. Kinder- und Jugendhospizdienst und Lacrima (Zentrum für trauernde Kinder in Cottbus der Johanniter)

www.netzwerk-gesunde-kinder.de

www.kindersicherheit.de