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Hörprobleme und Schwerhörigkeit kommen bei Kindern weitaus häufiger vor, als uns das allgemeinhin bekannt ist. Es wird geschätzt, dass etwa 2 von 1.000 Kindern eine Hörminderung haben. Wissenschaftliche Studien haben zudem gezeigt, dass diese Zahl weitaus höher liegt, wenn die Kinder mit einbezogen werden, die einen vorübergehenden Hörverlust (aufgrund von Ohrinfektionen), eine Hochtonschwerhörigkeit oder einen unilateralen Hörverlust haben. Damit wäre mindestens eines von zehn Kindern betroffen. Ein Hörtest bei Babys in den ersten Lebenstagen ist eine wichtige Methode, um mögliche Hörschädigungen frühzeitig zu erkennen. Es gibt hierbei verschiedene Methoden, die für die Durchführung von Hörtests bei Neugeborenen verwendet werden. Eine gängige Methode ist der Otoakustische Emissions-Test (OAE), bei dem ein kleiner Lautsprecher in das Ohr des Babys eingeführt wird, um die Reaktion des Innenohrs auf Geräusche zu messen.
Eine weitere Methode ist die Messung von Hirnströmen (BERA), bei welcher Elektroden auf der Kopfhaut des Babys platziert werden, um die elektronischen Signale zu messen, die vom Innenohr zum Gehirn weitergeleitet werden. Die Ergebnisse dieser Hörtests können auf mögliche Hörschädigungen hinweisen und helfen, frühzeitig Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung des Kindes zu unterstützen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Hörschädigungen sofort erkannt werden können. Manchmal treten Hörschädigungen auch erst später im Leben auf. Deshalb sollten Eltern auf bestimmte Anzeichen achten, die darauf hindeuten können, dass ihr Kind möglicherweise an einer Hörschädigung leidet. Dazu gehören beispielsweise, dass das Kind nicht auf laute Geräusche reagiert bzw. den Kopf nicht in die Richtung der Schallquelle bewegt. Das Gesicht des Kindes zeigt keine Reaktionen auf Zuspruch einer Bezugsperson, ohne diese sehen zu können. Auch Probleme in der Sprachentwicklung können auf eine Hörschädigung hindeuten. Wenn das Kind mit etwa einem halben Jahr aufhört zu brabbeln, nicht versucht, Geräusche nachzuahmen und sich nicht mit seinen Eltern „unterhält“, kann das ein weiterer Hinweis auf eine Hörstörung sein. Wichtig sind immer die Reaktionen und Antworten des Kindes auf Geräusche und Stimmen. Mit einem Jahr lauscht das Kind deutlich dem Sprechen seiner Eltern. Es ahmt zunächst Silben und dann kleinere Wörter nach. Es reagiert nun auch auf leisere Ansprache, ohne den Mund des Sprechenden zu sehen. Wenn Eltern den kleinsten Verdacht haben, dass ihr Kind eine Hörschädigung hat, sollten sie unbedingt einen HNO-Arzt aufsuchen. Dieser kann weitere Tests durchführen, um die Hörschädigung zu diagnostizieren und festzustellen, welche Art von Hörschädigung vorliegt. Die Entdeckung, dass das eigene Kind eine Hörschädigung hat, ist für viele Eltern schmerzhaft und zunächst wie ein Faustschlag ins Gesicht. Im ersten Moment empfinden sie womöglich Verzweiflung, Hilflosigkeit und Verwirrung. Jetzt ist es jedoch wichtig, einen kühlen Kopf zu behalten, die Hörbehinderung zu akzeptieren und sich umfassend über die verfügbaren Hörlösungen zu informieren. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann dazu beitragen, dass das Kind eine normale Sprachentwicklung und Kommunikationsfähigkeit erreicht. In der Regel wird eine individuelle Therapie empfohlen, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Kindes abgestimmt ist. Die Therapie kann beispielsweise aus einer Hörgeräte-Versorgung, einer Cochlear- Implantat-Versorgung oder einer Frühförderung und Sprachtherapie bestehen.
Glücklicherweise leben wir heute in einem Zeitalter, in dem Technik und Frühförderung viele ausgezeichnete Möglichkeiten bieten.
Dennoch kann der Umgang mit hörgeschädigten Kleinkindern für Eltern und Erzieherinnen eine Herausforderung darstellen. An dieser Stelle einige Tipps, die dabei helfen können, den Alltag mit einem hörgeschädigten Kind zu erleichtern: Eine wichtige Maßnahme ist, dass das Kind immer Blickkontakt hat, wenn es angesprochen wird. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass das Kind das Gesprochene besser versteht. Es ist auch hilfreich, deutlich und langsam zu sprechen, damit das Kind die Lippenbewegungen besser erkennen und das Gesprochene leichter verstehen kann. Gebärdensprache kann auch eine nützliche Ergänzung sein, besonders wenn das Kind noch nicht oder nur begrenzt spricht.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erziehern, dem Kinderarzt und den Fachärzten sowie eine regelmäßige Kontrolle des Hörvermögens des Kindes sind ebenfalls wichtig, um sicherzustellen, dass das Kind die bestmögliche Unterstützung erhält. Beratungsstellen können Eltern bei der Antragstellung und Inanspruchnahme zahlreicher Hilfen unterstützen. Fragen Sie beim Netzwerk Gesunde Kinder nach, wo sich Beratungsstellen in Ihrer Nähe befinden.
Jeannette Sidneb
AWO Beratungsstellenleiterin für Menschen mit Hörbehinderung
Quellen: „Hörgeschädigte Kinder“, Sylvia Schneider, Oberstebrink Verlag
„Kann mein Kind richtig hören?“, Annerose Keilmann, Urania- Ravensburger in der Dornier Medienholding GmbH
„Mein Kind hat einen Hörverlust“, Phonak