Alle Kinder werden trocken.

Datum: Dienstag, 30. Mai 2023 09:21


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Bereits in der frühen Menschheitsgeschichte wurden Babys, je nach Kultur und Breitengrad, mit natürlichen Materialien gewickelt. Auch der Ansatz des Windelfrei wurde größtenteils praktiziert, um weniger wilde Tiere anzulocken und schnellstmöglich die Selbständigkeit des Kindes voranzutreiben. In weiten Teilen Afrikas und Asiens wird bis heute dieser Ansatz verfolgt. In China verwenden die meisten Eltern sogenannte Schlitzhosen anstelle von Windeln. Unsere klassischen Wegwerfwindeln fanden ab 1987 ihren Siegeszug auf dem deutschen Markt und haben damit die früheren Stoffwindeln größtenteils durch ihre Bequemlichkeit und starke Saugkraft verdrängt. Mit genau diesen Eigenschaften werben die Hersteller für bis zu 12 Stunden Trockenheit am Windelpopo.

Doch irgendwann stellt sich im Wickelalltag allen Eltern die Frage, wie ihr Kind trocken wird und keine Windel mehr braucht. Hierzu gibt es, wie in vielen Bereichen bei Säuglingen, die unterschiedlichsten Ansichten. Schaut man auf die Kulturkreise der noch heutigen Ureinwohner, sieht man eine schnelle zuverlässige Sauberkeitsentwicklung bereits ab dem 8. Lebensmonat, da den Kindern gar nicht erst ein Nutzen und Ertragen von Windeln „antrainiert“, sondern der natürliche Sauberkeitsdrang gefördert wird. Denn wer liegt schon gern in seinen Ausscheidungsprodukten? Im europäischen sowie amerikanischen Raum spricht man hingegen vom 3. bis 5. Lebensjahr des vollständigen Trockenwerdens. Dies wird vor allem über die individuelle kindliche Reife der Darm- und Blasenkontrolle begründet. Statistisch betrachtet ist ein Kind in Deutschland mit 3,5 Jahren vollständig trocken.

Die Sauberkeitsentwicklung ist ein natürlicher Reifungsprozess, der zwei bis vier Jahre dauern kann. Dieser startet bereits bei der Wahrnehmung der unwillkürlichen Urin- und Kotabgabe des Säuglings und endet mit der kontrollierten Blasen- und Darmentleerung des Kleinkindes. Diesen Prozess können Eltern und Bezugspersonen kind- und entwicklungsgerecht begleiten. Die meisten Kinder können in ihrer Sauberkeitsentwicklung zuerst den Darm kontrollieren, dann die Blase am Tag und zuletzt die Blase nachts. Bereits ab Geburt zeigt das Kind z.B. durch einen spitzen Mund oder kurzes Körperzittern den Abgang von Urin an. Diese Anzeichen nutzen viele Eltern, die Windelfrei praktizieren. Auch das regelmäßige Anbieten des Erleichterns über einem Töpfchen oder der Toilette unterstützt das natürliche Sauberkeitsempfinden des Kindes. Bei den meisten Kindern entwickelt sich dann zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat die Wahrnehmung der vollen Blase. Sie trippeln oder tänzeln durch den spürbaren Druck auf den Harnröhrenausgang oder melden im Nachhinein: „Hab Pipi gemacht“. Das Anbieten des gemeinsamen Toilettengangs sowie die positive Rückmeldung auf die Wahrnehmung des Kindes kann das Trockenwerden begünstigen. In jedem Fall sollte es ohne Druck und negative Äußerungen unterstützt werden, denn Trockenwerden muss sich für das Kind zwischen den vielen anderen spannenden Erlebnissen, die es erfährt, lohnen. Feste Toilettenzeiten: nach dem Aufwachen, vor dem Verlassen der Wohnung, vor dem Spielen und Zubettgehen sowie kurz nach den Hauptmahlzeiten versprechen einen größeren Erfolg. Eltern erleichtern dem Kind so für den Anfang die noch schwere Aufgabe des Abschätzens und des Vorausdenkens. Außerdem können die Kinder ihren Harndrang beim Spielen weniger vergessen. Eine gemeinsame Absprache über das Sauberwerden des Kindes mit der Kinderbetreuungseinrichtung hilft ebenfalls, um dem Kind Sicherheit zu vermitteln. Auch der Toilettengang selbst kann für das Kind durch „Töpfchenaktivitäten“ wie Bilderbuchanschauen oder gemeinsames Reden attraktiver gestaltet werden. Rückschritte oder Stillstände in der Sauberkeitsentwicklung sind in dieser Zeit ganz normal. Veränderte äußere Einflüsse wie Stress in der Familie, Kitaeingewöhnung, Entwicklungssprünge des Kindes oder Krankheit kommen in jeder guten Familie vor. Wichtig ist nur, dass sie sich dadurch nicht verunsichern lassen, das Kind aufmuntern und positiv nach vorn sehen.

Lisa Wimmer
zertifizierte Stoffwindelberaterin

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