Kinder in ihrer Trauer begleiten
Diplom-Sozialpädagogin Anja Gehrke-Huy arbeitet seit 2009 als Trauerbegleiterin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Cottbus und Umland.
Nicht nur unter Pädagogen ist es unumstritten, dass es Kindern hilft, Gelegenheit zu haben, offen über Tod und Trauer zu sprechen. Als Sozialpädagogin, Sterbe- und Trauerbegleiterin geht es in meinem beruflichen Alltag weniger um die Frage, ob ich mit Kindern über das sensible Thema spreche, sondern vielmehr darum, WIE ? . Kindgerecht eben, das ist wichtig. Unsere Kinder begegnen häufig dem Tod im Alltag, in der Natur, aber auch in der Gemeinschaft, in den Märchen, in den Medien. Sie spielen Indianer und Cowboy, sehen tote Tiere am Straßenrand und sehen auch die Bestattungswagen. Zu diesem besonderen Auto sagte ein Junge kürzlich zu mir, das wäre „ das Taxi für die Toten „ . Eine so schöne Beschreibung in den eigenen und für alle verständlichen Worten eines 6 jährigen Jungen . Nicht selten wollen wir Erwachsenen die Kinder schützen vor dieser Lebensthematik. Doch genau all das Unausgesprochene, das Ungesehene führt häufig bei Kindern zu viel Fantasien, die ängstigend sein können. In den Trauerbegleitungen und auch in den vielseitigen pädagogischen Projekten in Schulen und Kitas unterstütze ich Kinder, Eltern und Erzieherteams darin, einen offenen Umgang zu erlernen, um dadurch viel Ängste der Kinder zu nehmen und Kinder an ein abschiedliches Leben in der Natur heran zu führen. Je sicherer Kinder im Umgang mit den kleinen Abschieden im Alltag ( Übergänge von Kita in die Schule, Verabschiedungsritualen im Alltag, jahreszeitlichen Projekten, Verabschiedung von Praktikanten etc ) werden, desto besser sind sie in ihrem Leben auf die großen Abschiede vorbereitet. Diese kleinen Abschiedsrituale im Alltag sind die Basis für eine spätere gute Trauerbewältigung. Kinder sind sehr häufig spontan mit all ihren Fragen. So können mir so manche Vorschulkinder ganz wunderbar erklären, wie Raketen in den Himmel starten, wie das Korn zum Mehl wird, wie ein Gewitter entsteht oder wie das Wasser aus dem Wasserhahn kommt. Bei den kindlichen Vorstellungen über Sterben und Tod wird nicht selten abgewiegelt, obwohl auch hier Kinder ihre ganz eigenen Vorstellungen haben. Der erste Trost, den wir Erwachsenen unseren Kindern geben können, ist: traurig sein zu dürfen. Trauernden Kindern das Trauern zuzutrauen ist wichtig. Und nicht selten wissen Kinder intuitiv sehr gut, was sie in der Trauersituation möchten und was nicht. Bauchgefühl. Auch trauernde Kinder und Jugendliche haben Rechte :
- Du hast das Recht auf ehrliche Information, die im Zusammenhang mit dem Tod des Menschen stehen, um den Du trauerst
Es ist gut, wenn Kinder all ihre Fragen stellen dürfen. Denn trösten kann nur die Wahrheit. Sie brauchen also ehrliche Begleiter in ihrer Familie und ihrem Umkreis, die bereit sind, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Habe ich auf die ein oder andere Frage keine Antwort, dann sage ich es auch direkt und ehrlich. Z.Bspl. werde ich häufig gefragt wie wohl die Seelen aussehen ? Nun, da ich das nicht weiß, sage ich dies den Kindern und lade die Kinder ein, ihre ganz eigenen Vorstellungen von den Seelen zu machen und nicht selten malen wir diese auf: da gibt es bunte Seelen, schwarze Seelen und durchsichtige Seelen .
- Du hast das Recht, wenn es möglich ist, den Verstorbenen noch einmal zu sehen und wenn Du möchtest, auch zu berühren und zu streicheln
Um den Tod zu begreifen, kann es sehr hilfreich sein, sich zu verabschieden . Kindern in den Begleitungen erkläre ich dann, dass das Herz nicht mehr schlägt, dass kein Atem mehr geht, dass der Körper kalt wird und dass wir dennoch etwas tun können ( Blumen in die Hand legen, Lieblingstuch mitgeben, Abschiedsbild, Gedicht oder Lieblingsgegenstand mitzugeben . Aber auch liebevoll dazu gelegte Taschenlampen erlebte ich in einer Begleitung) Dieser Abschied vom Toten führt dazu, dass Kinder sich nicht fürchten, dass der Verstorbene keine Luft mehr im Sarg bekäme oder auch dazu, dass der Verstorbene kein Hunger leide.
- Du hast das Recht, an Entscheidungen beteiligt zu werden, bei denen es um die Beerdigung geht.
Kinder wollen gefragt werden. Kinder an Beerdigungen teilnehmen zu lassen, kann hilfreich für den Trauerprozess sein. In der Regel begleite ich Kinder ab 5 Jahren auch zu Beerdigungen eines geliebten Familienmitgliedes ( in Ausnahmen auch 4 jährige Kinder). Hatte aber auch schon Familien begleitet, in denen die Kleinsten der Kleinen im Wiegehaltung auf dem Arm lagen . Dagegen spricht nichts, gar nichts. Wichtig hierbei ist es, die 5 jährigen und älteren Kinder über Bestattungsrituale aufzuklären. Hilfreich kann es sein, Kindern einen Sarg schon mal gezeigt zu haben ( u.a. in den Schaufenstern verschiedener Bestatter, in Büchern ), eine Urnenbestattung zu erklären ( „Wie kommt der große Opa in die kleine Urne ? „ – Kinderbücher einzubeziehen . Unterstützend kann auch sein, dass man mit den Kindern ein paar Tage vor der Beerdigung auf den Friedhof geht und mit ihnen ins Gespräch kommt. Manchmal kann es hilfreich sein gemeinsam mit den Kindern den Blumenschmuck auszusuchen, Kindern bei der Trauerfeier Kerzen anzünden zu lassen oder das Blumenkörbchen am Grab halten zu lassen, wenn sie es möchten. Sie haben dann das Gefühl eine Aufgabe zu haben . Auch ist es möglich zu einem späteren Zeitpunkt nach der Beerdigung mit Kindern auf den Friedhof zu gehen und den Abschied kindgerecht zu gestalten. Kinder wollen gefragt werden. Hier begleite ich Familien und bin bei der Trauerfeier dabei, um auch spontane Fragen der Kinder gut aufzufangen . Auch halte ich Trauerreden und beziehe die Kinder und Jugendlichen hierbei ein, wenn sie es möchten.
- Du hast das Recht, traurig zu sein. Trauer ist ein ganz normales Gefühl. Dafür muss man sich nicht schämen.
Hier ist es wichtig, Kinder zu unterstützen ihre verschiedenen Gefühle ausleben zu lassen. Tränen nicht weg zu reden, sondern Tränen zuzulassen und auch eigene Gefühle und Tränen zu zeigen . In meiner Beratungspraxis habe ich hierzu zahlreiche didaktische Materialien, um mit Kindern spielerisch und in einer angenehmen Umgebung ins Gespräch zu kommen . Auch in Hausbesuchen komme ich über den spielerischen Kontakt hin zur Gefühlswelt. Denn auch kleine Kinder haben große Gefühle in der Trauer.
- Du hast das Recht, dich nicht schuldig zu fühlen. Du hast keine Schuld am Tod des Menschen, um den Du trauerst.
Mit Kindern auch über die Ursachen vom Tod des geliebten Familienmitgliedes einbeziehen kann helfen Schuldgefühlen entgegenwirken. Kinder haben im Vorschulalter und im beginnenden Schulalter häufig das sogenannte „magische Denken“. Unsere komplette Spielzeugindustrie ist auf Zaubersprüche, Hexenbesen und auf allerlei Magie aufgebaut. Mitunter kann es sein, dass sich Geschwisterkinder wünschten, das lebensverkürzt erkrankte Brüderchen / Schwesterchen solle doch endlich tot sein, damit die Eltern endlich wieder all die Dinge machen können, die es sich wünscht. Auch hier gibt es zahlreiche Kinderbücher, um miteinander ins Gespräch zu kommen ( u..a Opa wird bald sterben ).